Fachkräfte sichern und Aufstiege ermöglichen
Mit Bildungsteilzeit allen eine Chance verschaffen

In der kommenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie möchte die IG Metall das Recht auf eine geförderte Bildungsteilzeit durchsetzen. Drei Beschäftigte erzählen, wie sich ihnen durch Weiterbildung neue berufliche Perspektiven eröffnen – und welche Rollen dabei Zeit und Geld spielen.

19. November 201419. 11. 2014


Für Andreas Maurer war seine Weiterbildung vom Industriemechaniker zum Techniker eine Frage neuer persönlicher Perspektiven: „Ich wollte mir mehr Wissen aneignen und mich weiterentwickeln“. Damit einhergeht, dass der 26-Jährige einen Schritt in Richtung Fachkraft der Zukunft gemacht hat: Ehemals für die Montage am Produktionsband ausgebildet, kümmert er sich heute als „Troubleshooter“ um Probleme, die dort auftreten. Eine Tätigkeit, der in voll digitalisierten Fabriken (Stichwort „Industrie 4.0“) größere Bedeutung zukommen wird. Doch: „Mir war meine Weiterbildung nur möglich, weil ich mir vorab Geld ansparen konnte und keine Miete zahlen musste, weil ich bei meinen Eltern wohnte“. Neben der nötigen Zeit fehlt vielen motivierten Beschäftigten das Geld für eine Weiterbildung.


Oft fehlt das Geld für Weiterbildung

In einigen Regionen gelten Tarifverträge, die den Beschäftigten schon einmal den Anspruch auf Weiterbildung sichern. Davon hat auch Andreas Mauerer profitiert, der bei John Deere in Mannheim arbeitet, wo der „Tarifvertrag Qualifizierung“ („TV Quali“) für die baden-württembergische Metall- und Elektroindustrie gilt. Dort können sich Beschäftigte bis zu fünf Jahre in Teilzeit, aber auch in Vollzeit weiterbilden – und haben im Anschluss ein Recht auf Wiedereinstellung. Allerdings muss sich jeder die Auszeit selbst finanzieren. Das hat zur Konsequenz, dass auf der einen Seite Arbeitgeber über einen Fachkräftemangel klagen, und auf der anderen Arbeitnehmer warten, die sich gern weiterbilden würden – es aber nicht können, weil ihnen das nötige Geld fehlt. Unter anderem um dieses Problem zu beheben, will die IG Metall in der kommenden Tarifrunde eine geförderte Bildungsteilzeit durchsetzen.

„Ich bin eigentlich Bandarbeiter“, sagt Dennis Hüneke, der ebenfalls bei John Deere beschäftigt ist. Bisher gehörte die Endfertigung der bekannten gelbgrünen Traktoren zu seinen Tätigkeiten. „Akkordarbeit halt.“ Die Schule hatte er vor einigen Jahren mit einem Hauptschulabschluss abgeschlossen und eine Ausbildung zum Industriemechaniker gemacht. Inzwischen kann er sich Dank einer Weiterbildung „Technischer Fachwirt“ nennen – und arbeitet jetzt seit rund einem Jahr im „Kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ mit: Haben die Ingenieure neue Maschinen entworfen, wird deren Montage an den Bändern zunächst theoretisch geplant. In einem Projekt-Team dokumentiert Hüneke Probleme, die in der Praxis auftauchen und macht Verbesserungsvorschläge. Die Weiterbildung hat ihm einerseits im Unternehmen neue Perspektiven eröffnet. „Ich bin jetzt aber auch generell besser für den Arbeitsmarkt aufgestellt“, sagt der 24-Jährige.


Neue Optionen durch Qualifizierung

Auch seine Kollegin Carina Lützen bildet sich weiter. „Wenn andere ins Wochenende gehen, weiß ich schon, dass ich bald wieder raus muss“, sagt die 22-Jährige. Die Elektronikerin hat nach ihrer Ausbildung bei John Deere keinen zu ihrem Beruf passenden Arbeitsplatz bekommen. Jetzt kann ihr eine Qualifizierung zur Technischen Fachwirtin neue Optionen eröffnen. Die Weiterbildung, jeden Mittwoch nach der Arbeit sowie samstags, kostet rund 5000 Euro, wovon John Deere Zweidrittel übernimmt. „Anders wäre es eine größere Belastung“, sagt Lützen. Wie ihre Kollegen profitiert sie zum einen von den Regelungen des „TV Quali“. Daneben nimmt auch ihr Arbeitgeber die Bedeutung von Weiterbildung ernst und setzt auf qualifizierte Beschäftigte. Geht alles glatt, möchte sie die „Betriebsfachwirtin“ noch dranhängen.

Weiterbildung eröffnet Beschäftigten neue Perspektiven und leistet zugleich einen Beitrag für die Fachkräftesicherung. Nur mit gut ausgebildeten Fachkräften können die Unternehmen die Herausforderungen meistern, vor die sie der demografische Wandel und die Digitalisierung stellen. Forschungsergebnisse besagen, dass die „Industrie 4.0“ bis zu 40 Prozent der heutigen Tätigkeitsbilder hinfällig macht. Für Panik besteht kein Anlass. Eine große Beschäftigtenbefragung der IG Metall ergab, dass sich rund 45 Prozent der Arbeitnehmer gern beruflich weiterbilden würden – ihnen aber das nötige Geld dafür fehlt. Unter anderem weil Qualifizierung eine gesellschaftliche Herausforderung ist, der sich auch die Arbeitgeber stellen müssen, braucht es eine tarifliche Lösung.

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