Verunsicherung in der ITK-Branche
„Die Beschäftigten brauchen klare Perspektiven“

Auf den ersten Blick ist die ITK-Branche äußerst erfolgreich. Jahr für Jahr entstehen Tausende neue Arbeitsplätze. Doch bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass viele der neuen Stellen das Resultat von Verlagerungen sind. Leidtragende sind die Beschäftigten, wie das Beispiel Hewlett Packard zeigt.


Automobilhersteller und andere Konzerne suchen händeringend nach Programmierern; dort macht die Digitalisierung die IT-Experten zu begehrten Innovationstreibern. Und die ITK-Branche selbst zählt inzwischen mehr als eine Millionen Angestellte – Tendenz steigend. Doch das ist nur die eine Seite. Auf der anderen bauen große IT-Dienstleister Stellen ab beziehungsweise verlagern diese nach Indien oder in andere Offshore-Regionen. Tausende Beschäftigte befinden sich derzeit in diesem Strudel. Zuletzt sorgten etwa Atos und T-Systems für Schlagzeilen, und auch Hewlett Packard Enterprise (HPE) plant in Deutschland bis zu 1500 Stellen auszulagern.

Die Gründe sind vielfältig. Etwa ist das Dienstleistungsangebot mancher IT-Riesen hochgradig standardisiert, sodass der globale Wettbewerb auf sie voll durchschlägt. Daneben schreitet die Entwicklung neuer Technologien rasanter voran denn je. Das verlangt von den Geschäftsführungen richtungsweisende Entscheidungen. Bleiben diese aus, droht ein Unternehmen schnell den Anschluss zu verlieren. Einige dieser Herausforderungen – und die Konsequenzen für die Beschäftigten – lassen sich am Beispiel Hewlett Packard Enterprise verdeutlichen.

Trend hin zu mobilen Endgeräten verschlafen

Hewlett Packard war der weltweit zweitgrößte PC-Hersteller, ist Mitbegründer des Silicon Valley und im kalifornischen Palo Alto beheimatet. Einst war HP ein Pionier im IT-Bereich. Noch bis vor Kurzem waren über 350 000 Menschen beim Konzern beschäftigt, 9000 in Deutschland. Soweit und in aller Kürze die durchaus beeindruckende Vergangenheit. Doch eine starke Geschichte ist vor allem in der sich schnell wandelnden IT-Branche kein Garant für eine glänzende Zukunft. Die vergangenen Jahre kämpfte Hewlett Packard mit Umsatzeinbußen. Das Management verschlief den Trend hin zu Mobile Devices, der Computerabsatz schwächelte, die Nachfrage nach Dienstleitungen sank – der erste Stellenabbau folgte.

Lange Zeit hieß die Devise: „OneHP – alles aus einer Hand“. Doch dann, am 1. November vergangenen Jahres, wurde der Konzern aufgespalten. Das Dienstleistungsgeschäft für Unternehmen firmiert seitdem als Hewlett Packard Enterprise (HPE). Rund 250 000 Beschäftigte arbeiten unter dem neuen Namen. Um das PC- und Drucker-Geschäft kümmert sich nun HP Inc. (HPI) mit weltweit rund 50 000 Beschäftigten. Mit der Aufspaltung kündigte das Management jedoch auch an, weltweit 85 000 Stellen abbauen zu wollen, über Tausend in Deutschland. Zunächst hieß es, die betroffenen Mitarbeiter würden in mittelständische, auf dem deutschen Markt etablierte IT-Unternehmen überführt.

Zusagen nicht eingehalten, Strategie undurchsichtig

Doch dann bekam die Odyssee der verbliebenen rund 7000 Beschäftigten hierzulande eine neue Wendung: Zum 1. August will HPE rund 1300 Beschäftigte an die IT-Dienstleister Proservia und Datagroup auslagern. Die Proservia GmbH gibt es in Deutschland erst seit Januar 2016. Sie gehört zur ManPowerGroup, die kein IT-Unternehmen, sondern in der Leiharbeits-Branche verankert ist. HPE wolle mit den beiden Firmen einen „Lieferverbund“ für Outsourcing gründen, um flexibel auf Kundenwünsche reagieren zu können. Von der Auslagerung betroffen sind die Mitarbeiter des Bereichs Enterprise Services von HPE, der IT-Outsourcing, Beratung und IT-Projektgeschäfte anbietet.

Die Beschäftigten werden also erst ausgelagert, um dann in einem anderen Verhältnis wieder mit ihnen zusammenzuarbeiten. Eine Strategie, mit der sich derzeit viele IT-Experten konfrontiert sehen. Zu befürchten ist, dass die Mitarbeiter bei den neuen Unternehmen zu weitaus schlechteren Konditionen beschäftigt werden sollen. Daneben, sagt Johannes Katzan von der IG Metall und HP-Aufsichtsratsmitglied, sei es fraglich, ob Hewlett Packard Enterprise durch den Umbau wirklich die propagierte Flexibilität erhöhen kann. Statt Arbeitsplätze auszulagern, gelte es vielmehr, die Beschäftigten zu motivieren und neue Projekte anzugehen


„Die Beschäftigten brauchen klare Perspektiven“

Quasi zu allem Überfluss kündigte HPE-Chefin Meg Whitman vergangene Woche dann auch noch an, den Bereich Enterprise Services abzuspalten und mit dem Rivalen Computer Sciences (CSC) zu einem neuen Unternehmen zu verschmelzen. Für die Mitarbeiter wirft das wieder neue Fragen auf. Wie wird das noch zu gründende Unternehmen zu den Verträgen mit Datagroup und Proservia stehen? Sollten Beschäftigte lieber bei HPE „ausharren“ und dann mit in das neue Unternehmen gehen – oder ist es günstiger, zu Proservia beziehungsweise Datagroup zu wechseln? Wird das weiter verkleinerte Hewlett Packard Enterprise nun selbst zum Übernahmekandidaten?

Mit derlei Vorgehen verunsichern Geschäftsführungen Mitarbeiter. Besonders wenn wie bei HPE keine Strategie zu erkennen ist, wie der Markt künftig bespielt werden soll. Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, nennt das diffuse Vorgehen verantwortungslos, sie stellt klar: „Die Beschäftigten im wachsenden deutschen IT-Markt brauchen klare Perspektiven und Verlässlichkeit, um hochwertige Produkte beziehungsweise Software herzustellen zu können.“ Für die von den Auslagerungsplänen betroffenen Beschäftigten bei Hewlett Packard fordert die IG Metall daher eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung über 5 Jahre. Und auch allen anderen HPE-Mitarbeiter muss die Geschäftsführung eine verlässliche Perspektive bieten. Eine Voraussetzung, an der sich in Zeiten des digitalen Wandels die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheidet.

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen