Mehr als 60 Nationen, aber ein Team

Die Maschinenbauingenieurin Xiaoling Shen-Türk sorgt bei MAN in Augsburg dafür, dass alle Beschäftigten Wertschätzung und Achtung erfahren. Die Förderung von Integration im Betrieb durch das Projekt WELCOME ist ihr ein Herzensanliegen.

1. Juni 20211. 6. 2021
Martina Helmerich


Wenn man das Gebäude von MAN in Augsburg betritt, fällt im Eingangsbereich eine große Weltkarte ins Auge. Bunte Fähnchen markieren über 60 Staaten auf dem Globus. Das sind die Heimatländer der Beschäftigten: von A wie Argentinien bis U wie Ukraine. Die Weltkarte war auch die Idee von Xiaoling Shen-Türk und sie steht symbolisch für eine bestimmte Art des Umgangs miteinander. „Die Karte soll die Vielfalt unserer Belegschaft zeigen und signalisieren: Jeder in der Belegschaft wird gesehen mit seiner individuellen Herkunft. Seine Persönlichkeit ist eine Bereicherung für unsere Gemeinschaft.“

Auch Xiaoling hat eine besondere Geschichte, die erklärt, warum sie sich im Betrieb mit viel Engagement für Integration und eine Willkommenskultur einsetzt. Vor 20 Jahren kam sie nach Deutschland. Xiaoling war ausgebildete Ärztin und hatte in ihrer Heimatprovinz Shaanxi schon mehrere Jahre in einem Krankenhaus gearbeitet. In Deutschland waren ihr Medizinstudium und Examen plötzlich nichts mehr wert. Die Behörden wollten ihre Zeugnisse nicht anerkennen.

Das war natürlich erst einmal ein Schock. Sie machte aber das Beste draus und sattelte um auf Maschinenbau. Ihr Studium finanzierte sie sich mit Aushilfsjobs, etwa bei Burger King. In der Zeit lernte sie ihren späteren Mann Severin kennen. Die beiden heirateten. Xiaoling schrieb noch an ihrer Diplomarbeit, da kam ihr Sohn Felician auf die Welt. Drei Jahre später Valerian.

Irgendwie schaffte es Xiaoling, alle Hürden zu meistern und auch eine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeit zu finden, mit zwei kleinen Kindern. Deutsch lernte sie beim Praktikum in der Mittagspause mit den Kollegen. Bei MAN in Augsburg fing sie 2011 an. Dort ist sie im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Xiaoling ist für Baugruppen von Viertaktmotoren zuständig, die bis zu mehrere Hundert Tonnen wiegen und Schiffe antreiben.  2015 wurde sie Mitglied im Betriebsrat, in dem Jahr, als viele Geflüchtete nach Deutschland kamen. „Für mich war es selbstverständlich, mich dafür einzusetzen, dass Geflüchtete bei uns eine Chance bekommen.“ Ein Kollege, der damals aus Syrien fliehen musste, und einen Ausbildungsplatz bei MAN fand, ist heute der Jugend- und Auszubildendenvertreter. Für Xiaoling gibt es kaum ein besseres Beispiel dafür, wie Integration gelingen kann. Auch sie hat in Deutschland und in der IG Metall eine Heimat gefunden. „Ich habe das Gefühl, dass ich willkommen bin.“


Einsatz für Geflüchtete im Betrieb

Willkommen oder WELCOME. Das ist der Schlüsselbegriff für ihr Engagement im Betrieb und auch der Name eines Projekts der IG Metall und des Europäischen Sozialfonds (ESF). Die Initiative unterstützt Unternehmen etwa aus der Metall- und Elektrobranche. Die Teilnehmenden lernen die verschiedenen Werkzeuge zur Integration kennen und übertragen sie auf ihre betriebliche Situation. Das Projekt vermittelt Kompetenzen in Personalentwicklung, Antidiskriminierung und Kultursensibilität und zeigt Wege auf, wie man sie in der Praxis anwenden kann. Dabei geht es darum, die Chancengleichheit von Migrantinnen und Migranten nicht nur zu fordern, sondern auch betrieblich aktiv zu fördern und den Betrieb fit zu machen für Diversity und die Einbindung von Menschen aus anderen Herkunftsländern.

Berufsbegleitend nimmt Xiaoling seit Januar im Rahmen des WELCOME-Projekts an mehreren Modulen teil. „Mir ist klar geworden, dass wir Dinge im Betrieb bewusst ändern müssen, zum Beispiel in der Personalplanung und in der Weiterbildung. Bei WELCOME geht es darum, Fachkräfte unterschiedlicher Herkunft zu gewinnen, zu qualifizieren und betrieblich zu integrieren mit dem Ziel, dass alle ebenbürtig sind und sich auf Augenhöhe begegnen.“


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