Die Produktion in Corona-Zeiten

Bericht aus Bezirk Niedersachen und Sachsen-AnhaltNach fünf Wochen Zwangspause startete im Stöckener Werk am 27. April der Anlauf der Produktion. Der Gesundheitsschutz steht dabei an erster Stelle. Der Ausschuss für Arbeitssicherheit und Gesundheit organisiert und koordiniert zusammen mit den 140 Vertrauensleuten und der IG Metall die Maßnahmen.


In der Halle brummt es wieder. Montagewerker Manfred Eckert, 47, trägt anfangs noch eine bunte Maske. Seit 1. Mai wird sie von VW gestellt. Eckert hat die Teams koordiniert, die nach Ostern in den Bereichen streng die neuen Hygienevorschriften umsetzen. Normalerweise arbeiten in der Triebwerksmontage 180 Beschäftigte in einer Schicht. „Im Moment sind es 44“, sagt Eckert, „aber erst mussten wir die Hallen, Pausenräume und Büros umrüsten.“

Am Boden sind Abstandsmarkierungen angebracht. Hygieneplakate warnen. Trennwände schützen. An den Wänden hängen Desinfektionsspender. Alle tragen Masken, die VW zur Verfügung stellt. Jeder kommt in Arbeitskleidung, fährt damit wieder nach Hause. In Pausenräumen ist nur Platz für fünf Personen, das Essen wird mitgebracht, es gibt 40 mobile Waschbecken, Snacks und Getränke nur aus Automaten. Die Schichten sind entzerrt, die Arbeitszeiten reduziert. Während der Schicht werden 25 Minuten zum Desinfizieren genutzt. Die Minuten zahlt der Arbeitgeber.

„Selbst in den Pausenräumen, bei den Getränkeautomaten und den Wasserspendern sind die Bereiche genau eingeteilt“, sagt Jens Schmidt, 53. „Falls wir einen Coronafall haben, müssen wir durch die Trennung nicht die gesamte Produktion herunterfahren.“ Sofort könnte der „Patient Null“ identifiziert und die Infektionskette nachvollzogen werden. „Dann gäbe es mindestens 14 Tage Quarantäne.“

Schmidt ist Betriebsrat und Sprecher des Ausschusses für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (AUG), zusammen mit sieben Kollegen betreut er 3500 Beschäftigte in der Montage. Nach vier Tagen Anlauf ist die Stimmung noch gut. Es wird gelacht und gescherzt. „Wir lernen, mit den Augen zu kommunizieren.“ Nach dem Startschuss lief alles wie ein Uhrwerk. Rund 100 Maßnahmen hat der Konzern zum Schutz der Beschäftigten erarbeitet, geregelt in einer Konzernbetriebsvereinbarung. Sie gilt für alle deutschen Standorte, wird ständig mit den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts abgeglichen. Stavros Christidis, 46, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von VWN, ist auch Mitglied im zentralen Hannoveraner Krisenstab. Er kennt sich aus, war zuvor auch Sprecher der Montage. Punkt halb neun treffen sich im Stöckener Werk jeden Morgen Betriebsrat, Vertrauensleute und Meister: „Wir müssen jeden Tag neu entscheiden, alles auf Hygiene und Abstände kontrollieren.“

„Die Zusammenarbeit klappt prima“, sagt Dirk Schulze, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Hannover. Die enge Verzahnung mit den 140 Vertrauensleuten hilft dabei enorm. Schulze gibt Tipps, was in anderen Betrieben läuft. „Wir müssen kontinuierlich voneinander lernen. Bei uns in der Geschäftsstelle laufen die Fäden zusammen, denn Gesundheitsschutz ist mitbestimmungspflichtig. Die Arbeitgeber sind verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Belegschaften vorzunehmen.“

3800 der 14700 Beschäftigten in Stöcken sind Angestellte. „Rund 80 Prozent arbeiten im Homeoffice“, sagt Betriebsrätin Regina Bardt, 59, zuständig für Angestellte. Die Gleitzeit wurde von 6 bis 19 Uhr entzerrt. „Wir sammeln jetzt enorme Erfahrungen für die Digitalisierung.“ Jeder Arbeitsplatz wird überprüft. Doch eines wird jetzt schon deutlich: „Ohne Präsenz geht es nicht. In einer Webkonferenz kann man nicht richtig diskutieren. Gute Ideen entstehen vor allem, wenn wir uns treffen.“

Das sehen Montagearbeiter ähnlich. „Mit der Maske kann ich nur schwer atmen und die Verständigung ist schwierig“, sagt Celal Zararsiz, 57. „Die Arbeit hat sich völlig verändert“, meint Vertrauensmann Christian Kirst, 37. „Mir fehlen die Teambesprechung, das gemeinsame Frühstück am Freitagmorgen und der menschliche Austausch.“ Corona entschleunigt, aber das soziale Miteinander ist wichtiger denn je.

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Fotos: Jelca Kollatsch
Abstand halten: Vertrauensmann Christian Kirst am Flachband in der Montage. Die Corona-Guides mit der gelben Weste sind überall im Werk unterwegs und überprüfen die Abstände.
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Gesundheitsschutz ist mitbestimmungspflichtig (v.l.): Stavros Christidis, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, Dirk Schulze, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Hannover, und Betriebsrat Jens Schmidt, Sprecher des Ausschusses für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.
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Maskenpflicht bei zu viel Nähe: Vertrauensmann Manfred Eckert (links) ist einer von drei Multiplikatoren, die die Kollegen für den Anlauf des neuen T7 schulen. In der Triebwerksmontage arbeiten normalerweise 180 Beschäftigte, beim Anlauf nur 44 in einer Schicht.
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