„Corona wirkt wie ein Brennglas“

Klimaschutz, Digitalisierung, Globalisierung: Das sind die drei zentralen Herausforderungen dieser Zeit. Und sie werden es bleiben – auch unter den Bedingungen von Corona, sagt Uwe Meinhardt, Leiter der IG Metall-Grundsatzabteilung.

1. Juni 20201. 6. 2020
Interview: Simon Che Berberich


Die Corona-Krise wird irgendwann vorbei sein. Wie wird die Welt danach aussehen?

Uwe Meinhardt: Wenn ich das wüsste! Klar ist: Die Krise verschärft bestehende Herausforderungen. Corona wirkt wie ein Brennglas, etwa bei den Wertschöpfungsketten. Internationale Arbeitsteilung ist wichtig. Aber: Nicht jede Lieferbeziehung über Zehntausende Kilometer ist sinnvoll und schon gar nicht jede Standortverlagerung über Billiglohngrenzen hinweg.


Was heißt das konkret?

Dass Wertschöpfungsketten und Arbeitsbedingungen nicht auf den höchstmöglichen Profit ausgerichtet werden dürfen. Noch ziehen in den meisten Betrieben Geschäftsführung und Betriebsrat an einem Strang, vor allem beim Arbeits- und Gesundheitsschutz. Aber spätestens im Herbst erwarten wir eine mörderische Aufholjagd und manche Politiker stimmen bereits ein: Sie wollen die gesetzliche 48-Stunden-Woche auch für tarifgebundene Betriebe.


Welche Schlussfolgerung ziehst Du daraus?

Corona darf nicht für einen Irrweg in die Vergangenheit missbraucht werden. Das gilt für Kinderbetreuung ebenso wie für den Klimaschutz. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wir brauchen massive Investitionen in Kitas, Schulen und Pflegeheime, aber auch für die klimafreundlichen Technologien von morgen. Wir müssen die arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt stellen – nicht nur in Sonntagsreden, sondern jeden Tag und in jedem Betrieb. Die Digitalisierung wird weitergehen, noch schneller als bisher. Wir müssen sie nutzen, um die Produktion humaner zu machen, und wir brauchen mehr Demokratie in den Betrieben, damit die Beschäftigten über den Kurs der Arbeitswelt mitbestimmen können.


Was erwartest Du von der Politik?

In der akuten Krise muss sie über Liquiditätshilfen und Kurzarbeit Betriebe und Arbeitsplätze sichern. Dafür haben wir Metallerinnen und Metaller uns erfolgreich eingesetzt. Sie muss aber auch den digitalen und ökologischen Wandel vorantreiben und die Krisenkosten fair verteilen. Dazu gehört, dass sich die Reichen mehr als bisher beteiligen, und dazu gehört auch, dass wir den Zusammenhalt in Europa neu beleben.


Wie?

Zum Beispiel mit einem europäischen Wiederaufbaufonds, mit einer gemeinsamen Steuer- und Finanzpolitik, mit Hilfen für besonders von Corona gebeutelte Länder. Solidarität in Europa hilft allen. Denn ohne Zulieferteile aus der Europäischen Union wird in Deutschland kein einziges Auto gebaut. Ich bleibe dabei: Vom Betrieb bis nach Europa – unser Ziel heißt: „FairWandel“.

 


Uwe Meinhardt leitet seit dem Jahr 2019 die Grundsatzabteilung der IG Metall in Berlin, die sich mit den Zukunftsfragen der Gewerkschaft befasst. Davor führte er die IG Metall-Geschäftsstelle in Stuttgart.

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