Acht freie Tage sind der Hit 2019

Bericht aus Bezirk Niedersachen und Sachsen-AnhaltMit dem Tarifabschluss vom Februar 2018 in der Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall die Wahloption mehr freie Tage oder mehr Geld durchgesetzt. Rund 36 500 Beschäftigte wollen die acht freien Tage statt dem sogenannten tariflichen Zusatzgeld.

1. Januar 20191. 1. 2019


Der Industriemechaniker Arne Sundermeyer ist begeistert: Seit dem 1. Januar hat er einen Tag die Woche frei. „Immer montags bleibe ich zu Hause“, sagt er ― und freut sich über das auf drei Tage verlängerte Wochenende.

 

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Arne Sundermeyer, 35, Industriemechaniker bei KSM in Hildesheim, war beim 24-stündigen Warnstreik vor einem Jahr mit dabei. (Foto: Annette Vogelsang)

 

Vor knapp einem Jahr war der 35-Jährige dafür auf die Straße gegangen: Am 31. Januar 2018 schirmte die Warnstreikkette das Werksgelände von KSM Castings in Hildesheim ab ― und hielt 24 Stunden stand. Der Hersteller von Gussprodukten aus Leichtmetall gehörte zu den 15 Betrieben im Bezirk, die erstmals in der Tarifgeschichte einen 24-stündigen Warnstreik durchzogen.

Ob bei KSM, Zollern BHW in Braunschweig, Renk und Kraus-Maffei Berstorff in Hannover, Wabco in Gronau, Miele in Lehrte, VW in Osnabrück, Meyer in Salzgitter-Bad, Demag Cranes & Components in Uslar, Haendler & Natermann in Hann. Münden, Renold in Einbeck, MAN in Salzgitter, Essex und Nexans in Bramsche und Federal Mogul in Beckedorf bei Hannover ― die ganztägigen Warnstreiks waren ein großer Erfolg.

Bei KSM hat sich die Aufregung der Arbeitgeberseite längst gelegt. Von den 945 Beschäftigten haben 312 einen Antrag auf kürzere Arbeitszeiten gestellt: 7 für die „kurze Vollzeit“, 36 für die Kinderbetreuung, 12 für die Pflege von Angehörigen und 264 Anträge von Frauen und Männern in Schichtarbeit. „Ich habe die 28-Stunden-Woche zunächst für ein Jahr gewählt“, sagt Arne Sundermeyer, „und sie wurde bewilligt.“ Für ihn steht fest: „Ein Traum geht in Erfüllung. Das ist der beste Tarifabschluss, seit ich in der IG Metall bin, denn bisher war Teilzeit ein rotes Tuch. Ich kann meine Arbeitszeit reduzieren, ohne Repressalien und sogar mit einem Rückkehrrecht.“


Zeit für die Angehörigen

Auch Annette Heise, 59, von Renold in Einbeck war beim 24-Stunden-Warnstreik dabei. „Ich beteilige mich seit 40 Jahren an Warnstreiks. Diesmal war die Solidarität überwältigend und hat uns noch mehr zusammengeschweißt.“

Die Kauffrau im Vertrieb beim Kettenhersteller Renold hat große Sorgen: Sie kümmert sich seit zwei Jahren um ihren 93-jährigen Vater und ihre 83-jährige Mutter. „Mein Vater ist dement, meine Mutter hat Pflegegrad 5“, sagt sie. „Da sind acht freie Tage eine wichtige Entlastung.“

Sie kann die freien Tage auch kurzfristig nutzen. Bei Renold hat der Betriebsrat den Wunsch nach freien Tagen schon früh in drei Betriebsvereinbarungen gegossen: Von den 415 Beschäftigten haben 114 Anträge gestellt: Vier wollen die verkürzte Vollzeit, 28 die freien Tage für Kindererziehung und Pflege sowie 78 Schichtarbeitende weitere Atempausen neben dem Urlaub. Betriebsratsvorsitzender Achim Wenzig: „Unsere Betriebsräte haben sich auf Schulungen der IG Metall gut vorbereitet und sich schon früh mit der Personalabteilung geeinigt.“

Bei Renk in Hannover hat der Betriebsrat die Wahloption in eine Betriebsvereinbarung für Urlaub integriert, um sicherzustellen, dass alle Anträge genehmigt werden. Beim Hersteller von Gleitlagern und Kupplungen wählen von den 357 Beschäftigten 68 lieber statt des tariflichen Zusatzgeldes die freien Tage des neuen Tarifvertrags: 50 Beschäftigte aus der Schichtarbeit sind darunter, 17 wollen mehr Zeit für die Kinder und ein Antrag lautet auf Pflege.


Freie Tage statt Zusatzgeld

Der Schichtarbeiter Marcel Rutetzki, 32, möchte acht freie Tage für die Kinder. Der Zerspaner im Bearbeitungszentrum war auch beim 24-stündigen Warnstreik dabei, hat 2011 seinen Meister gemacht und erst vor kurzem bei Renk angeheuert. „Ich will mehr Zeit für meine Familie haben und durch mehr Freizeit fit bleiben. Die Kinder sind ein und drei Jahre alt“, sagt er. So will er vier Tage im Sommer und vier Tage zu Weihnachten nutzen.

Auch Wabco in Gronau gehörte am 1. Februar 2018 zu den Betrieben, die 24 Stunden vor dem Tor warnstreikten. Heute haben 110 der 256 Beschäftigten freie Zeit beantragt, allein 98 der rund 200 Frauen und Männer in der Schichtarbeit.

„Ich arbeite in Wechselschicht“, sagt Brigitte Treis, 56, Montiererin in der Hydraulikmontage. „Ein Wochenende reicht bei der Leistungsverdichtung nicht mehr aus, um den Akku aufzuladen.“ Treis, die seit 1994 bei Wabco schafft, hat als Schichtarbeiterin die acht freien Tage gewählt: „Die Erholung ist für mich wichtiger als das tarifliche Zusatzgeld.“

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