Aktionstag Brückenstrompreis
Tausende Metaller demonstrieren für Zukunft der Industrie

Die Lage wird immer dramatischer: Ohne Entlastung beim Strompreis drohen in der energieintensiven Industrie Verlagerungen und der Verlust vieler Arbeitsplätze. Tausende Metallerinnen und Metaller machen deshalb erneut Druck auf der Straße – für einen Brückenstrompreis und Zukunftsinvestitionen.

24. November 202324. 11. 2023


Regierungsviertel Berlin, Freitagvormittag: Vor dem Bundesfinanzministerium demonstrieren 2000 Beschäftigte mit Fahnen und riesigen Transparenten. Viele in voller Montur, mit Schutzhelmen.

Ihre Forderung: Die Ampel-Koalition soll die energieintensiven Betriebe endlich wirksam bei den Strompreisen entlasten. Und: Sie muss Zukunftsinvestitionen ermöglichen – trotz der aktuellen Haushaltskrise. Stahlkocher, Aluhütten, Gießereien und Chemiefirmen: Sie alle ächzen unter den hohen Energiepreisen. Die Beschäftigten fürchten um ihre Jobs.

Viele Unternehmen drosseln bereits ihre Produktion. Eine aktuelle Befragung der IG Metall Bayern zeigt: Acht Prozent der dort befragten Betriebe haben schon Produktion verlagert – als Reaktion auf die hohen Energiepreise. Die IG Metall Küste sieht allein in Norddeutschland 100 000 bestehende oder geplante neue Arbeitsplätze in Gefahr.

Es geht um den Fortbestand der Industrie in Deutschland.

Quer durchs Land sind deshalb heute Mitglieder der IG Metall und der IG BCE auf die Straße gegangen. Neben Berlin war Duisburg ein Zentrum des Protests. Dort steht Deutschlands größtes Stahlwerk. Insgesamt beteiligten sich weit über 10 000 Beschäftigte an dem Aktionstag.


Paket ohne Wumms

Den energieintensiven Betrieben läuft die Zeit davon. Das Strompreispaket der Bundesregierung greift viel zu kurz und wird die energieintensiven Betrieb nicht retten.

Außerdem sind Teile des Pakets betroffen von der Haushaltssperre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Teile davon werden nun womöglich nicht umgesetzt – was die ohnehin zu geringe Wirkung nochmals schmälern würde.

Der Prozess von Betriebsschließungen, Produktionsverlagerungen und Insolvenzen in der energieintensiven Industrie könnte sich noch beschleunigen.


Fatale Folgen

„Die Folgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt sind fatal für eine klimaneutrale Zukunft“, sagt Christiane Benner, Erste Vorsitzende IG Metall. Mehr denn je brauche es jetzt ein klares Signal für einen grünen Wandel, ein klares Signal für die Zukunft der Industrie.

„Die Beschäftigten brauchen klare Perspektiven für die Transformation hin zu einer grünen, digitalen Wirtschaft. Sie schaffen einen beträchtlichen Teil unseres immer noch bestehenden Wohlstands, ihre guten Arbeitsplätze dürfen nicht politischem Zank und Zögern zum Opfer fallen“, so Benner, die bei dem Aktionstag vor Beschäftigten in Duisburg sprach.

Ein gezwungenes Festhalten an der Schuldenbremse sei wie in einem maroden Haus mit kaputtem Dach zu wohnen, nur um keine Kredite für die Renovierung aufzunehmen. „Geld sparen und am Ende in einer Ruine zu wohnen, kann nicht die Lösung sein. Die Schuldenbremse muss jetzt ausgesetzt und investitionsförderlich reformiert werden.“


Historischer Wendepunkt

Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, nahm an der Demonstration in Berlin teil. Er sieht Deutschland an einem „historischen Wendepunkt“ und sagt: „Jetzt entscheidet sich, ob Deutschland ein starkes Industrieland bleibt oder im internationalen Wettbewerb zurückfällt.“

Damit letzteres nicht passiere, brauche es jetzt schnell einen zeitlich begrenzten Brückenstrompreis.

„Nur so kann die Grundstoffindustrie weiter in Deutschland produzieren und gleichzeitig in ihren Umbau hin zur Klimaneutralität investieren. Und nur so erhalten wir geschlossene Wertschöpfungsketten und damit gute Arbeitsplätze weit über die Grundstoffindustrie hinaus.“


Zu große Last

Die Strompreise in Deutschland haben sich durch die Energiekrise im Zuge des russischen Angriffskriegs vervielfacht und sind bis heute von einer Normalisierung weit entfernt.

Energieintensive Branchen trifft das besonders hart und gleich zweifach: Aufgrund ihrer Produktionsprozesse ist der Energiebedarf hoch und die Produktionskosten somit teuer. Gleichzeitig stehen die Unternehmen im internationalen Wettbewerb mit Ländern, in denen Strom deutlich günstiger zu haben ist. Ein reduzierter Brückenstrompreis kann diese Probleme lösen.

Zum Konzept der IG Metall gehört zwingend, dass die Preisdeckelung an Bedingungen geknüpft ist: Profitieren dürfen nur Unternehmen mit Tarifbindung, Standort- und Beschäftigungssicherung sowie Investitionen in die Transformation.

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