Klimakonferenz in Paris
Warum nur Technik das Klima retten kann

In Paris diskutiert die Welt über die Klimarettung. Der Schlüssel dazu heißt nicht: „Alles abschalten!“. Er heißt: Energieeffizienz. Deutsche Industrieunternehmen arbeiten längst an den nötigen Technologien – und erzielen oft enorme Effekte.

1. Dezember 20151. 12. 2015


Wer mit Volker Consoir spricht versteht was es heißt, ein Imageproblem zu haben. Consoir ist Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Düsseldorf-Neuss. Er ist zuständig für das rheinische Aluminium-Dreieck zwischen Neuss und Grevenbroich. Die Branche stellt hier rund 5000 Arbeitsplätze. Doch sie hat mit viel Misstrauen zu kämpfen.

„Die Aluminiumindustrie wird in der Öffentlichkeit oft negativ dargestellt, weil sie energieintensiv ist“, sagt Consoir. „Über die vielen Anstrengungen zum Energiesparen wird dagegen kaum gesprochen“, beklagt er. Dabei gäbe es einiges zu berichten.

Zum Beispiel über Aluminium Norf, eines der größten Alu-Schmelz- und Walzwerke der Welt. Rund 1,5 Millionen Tonnen gewalzte Alu-Bänder verlassen pro Jahr die Fabrik am linken Rheinufer. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen einen wichtigen Produktionsschritt grundlegend umgestellt.

Und zwar so: Bisher walzte AluNorf die Aluminiumbänder bei 190 Grad. Danach mussten sie auf circa 60 Grad abkühlen – nur um sie erneut einer Wärmebehandlung bei 480 Grad zu unterziehen. Aufheizen, abkühlen, aufheizen: Das kostet viel Energie, war aber technisch nicht anders zu lösen. Dachte man.

45 Prozent weniger Energie

Tatsächlich geht es doch: AluNorf hat einen neuen Ofen mit digitaler Mess- und Regeltechnik errichtet. Dort können die Alu-Rollen nun ohne vorheriges Abkühlen bearbeitet werden. Die Restwärme wird genutzt. Der Energieverbrauch sinkt um 45 Prozent.

Dem Bundesumweltministerium war das Projekt eine Förderung von 1,5 Millionen Euro wert. Das Geld ist gut investiert. Im Abschlussbericht heißt es: „Das Vorhaben zeigt in exemplarischer Weise, welche Optimierungspotenziale in langjährig etablierten, vermeintlich durchoptimierten, großindustriellen Prozessen gehoben werden können.“

Für Volker Consoir ist der Fall ein Paradebeispiel dafür, wie man mit innovativer Technik das Klima schützen kann. Der Metaller unterstützt die Investitionen in Energieeffizienz bei AluNorf, genau wie die beim benachbarten Walzwerk Hydro Aluminium: „Wir sitzen im Aufsichtsrat, wir stimmen mit ab“, sagt er. „Uns ist wichtig, dass in Richtung Energieeffizienz und Erhöhung des Recyclinganteils viel unternommen wird.“

Was Consoir nicht will, sind Klimaschutz-Vorgaben, die ein Unternehmen wie AluNorf in die Knie zwingen, eine Produktion in Deutschland praktisch unmöglich machen.


Kalt gepresst

Ortwechsel: Im sächsischen Städtchen Oelsnitz hat der Autozulieferer Allgaier ein neues Werk errichtet. Seit August läuft die Produktion. Mit einer riesigen Presse werden sogenannte Strukturteile hergestellt. Sie kommen im Automobilbau zum Einsatz, verleihen der Karosserie Steifheit.

Werden solche Teile aus extrem festen Stahl gefertigt, können sie dünner sein und erreichen trotzdem die gleiche Festigkeit. Allerdings wird hochfester Stahl bislang meist erhitzt, damit man ihn formen kann. Das kostet viel Energie. Hier setzt Allgaier an. Das Unternehmen hat ein neues Verfahren entwickelt. Es nennt sich „Variotempo“. Damit können in Zukunft viele Stahl-Bauteile kalt geformt werden. Allgaier-Chef Helmar Aßfalg sprach von einem „Quantensprung in der Umformtechnik“.

Mit der neuen Technik lassen sich Stahl und Aluminium auch zu Formen verarbeiten, die bislang kaum denkbar waren. Das eröffnet neue Anwendungen im Leichtbau. Leichtere Autos verbrauchen weniger Kraftstoff. Außerdem können mit dem „Variotempo“-Verfahren Bauteile an einem Stück geformt werden, die bislang aus mehreren Teilen zusammengefügt werden mussten. Das spart Material und verringert den Ausschuss. Ein weiterer ökologischer Vorteil. Im Frühjahr 2016 wird Allgaier in Oelsnitz die erste Presse in Betrieb nehmen, die extra für das neue Verfahren gebaut ist.

„Beachtliches Potenzial“

Ob Allgaier oder Aluminium Norf: Die ökologischen Effekte, die sich mit konsequenter Innovation erzielen lassen, sind enorm. Und die Möglichkeiten sind noch längst nicht ausgereizt.

Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, formuliert es so: „Wir begreifen die Klimapolitik auch als Innovations- und Modernisierungsprogramm. So gut wie alle Branchen der IG Metall haben hier beachtliche Entwicklungspotenziale.“

Dass sich diese Perspektive durchsetzt, hofft auch Volker Consoir von der IG Metall Düsseldorf-Neuss. Er müsste dann als Betriebsbetreuer für die großen Aluminium-Werke nicht mehr ständig gegen den Ruf des „Umwelt-Sünders“ kämpfen.

Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen