Bundestagswahl 2017: Was Beschäftigten wichtig ist
Arbeitszeiten, die zum Leben passen

Über 96 Prozent der Befragten sagen, Beschäftigte brauchen auch in Zukunft ein Arbeitszeitgesetz, das der Arbeitszeit Grenzen setzt. Weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet jetzt schon länger, als es ihre vertragliche Arbeitszeit vorsieht.

13. Juni 201713. 6. 2017


Ausufernde Arbeitszeiten und immer mehr Arbeit, die in der gleichen Zeit erledigt werden soll: Darüber stöhnen viele Beschäftigte. 57,3 Prozent arbeiten länger, als ihre vertragliche Arbeitszeit es vorsieht. Nahezu zwei von drei Beschäftigten würden ihre tatsächliche Arbeitszeit gern verkürzen. Dagegen wollen nur 4,8 Prozent der Beschäftigten eine längere oder deutlich längere Arbeitszeit – vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Teilzeit arbeiten. Besonders unzufrieden mit ihrer Arbeitszeit sind diejenigen, die überlange Arbeitszeiten haben.

 

Zu viel Arbeit macht krank

Rund 27 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und sogar mehr als jede beziehungsweise jeder dritte Beschäftigte in Schichtarbeit fühlt sich bei der Arbeit gehetzt und unter ständigem Zeitdruck. Vor diesem Hintergrund fordern die Beschäftigten vom Gesetzgeber klare gesetzliche Leitplanken. Das Arbeitszeitgesetz dient dem Gesundheitsschutz – und ist dringend erforderlich. „Die Gesundheit verschlechtert sich mit zunehmender Länge der Arbeitszeit“, heißt es im Arbeitszeitreport 2016 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

 

Verstöße gegen gesetzliche Ruhezeiten

Wer besonders lange arbeitet, klagt überdurchschnittlich häufig über körperliche Erschöpfung, Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit. Statt Schutzvorschriften wie das Arbeitszeitgesetz aufzuweichen, muss sichergestellt werden, dass sie auch eingehalten werden: Elf Prozent der Befragten klagen über eine Verletzung der gesetzlichen Ruhezeit, jeder Fünfte sagt, die gesetzliche Höchstarbeitszeit werde überschritten.

 

Teilzeitbeschäftigte wollen mehr arbeiten

Während für die Mehrzahl der Beschäftigten die gewünschte Arbeitszeit unter der tatsächlichen Arbeitszeit liegt, wollen viele Teilzeitbeschäftigte ihre Arbeitszeit gern aufstocken. Übrigens: Nicht einmal einer von fünf Teilzeitbeschäftigten ist von Beginn an in Teilzeit tätig. Aber nur eine kleine Minderheit derjenigen, die ihre Arbeitszeit auf Teilzeit reduziert haben, hat auch vereinbart, auf Vollzeit zurück zu wechseln. Dagegen sind über 60 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne eine solche Vereinbarung in Teilzeit gewechselt.


Gefangen in der Teilzeitfalle

Und genau daran hapert es: 29 Prozent der Teilzeitbeschäftigten würden gerne ihre Arbeitszeit erhöhen, aber der Arbeitgeber verwehrt es ihnen. Deswegen fordern die Beschäftigten auch Unterstützung durch die Politik. Neun von zehn Befragten sagen: Wer seine Arbeitszeit auf Teilzeit reduziert, braucht das (gesetzlich garantierte) Recht, auf Vollzeit zurückkehren zu können. Aber obwohl genau dieses Rückkehrrecht auch im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode steht, ist es bis heute nicht umgesetzt worden.

 

Wer seine Arbeitszeit reduziert braucht einen Entgeltausgleich

Rückkehrrecht ist das eine. Doch müssen es sich die Beschäftigten auch leisten können, ihre Arbeitszeit zu reduzieren – etwa für die Pflege von Angehörigen, für Kindererziehung und Weiterbildung. Zwar existiert mit dem Elterngeld eine Lohnersatzleistung insbesondere für die erste Zeit nach der Geburt des Kindes, und das Elterngeld Plus ermöglicht die Verbindung von Elternzeit und Teilzeit. Doch das reicht nicht.

 

Pflege auf Pump will keiner

Gerade für Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit zugunsten der Pflege von Angehörigen reduzieren, fehlt bis auf das Pflegeunterstützungsgeld für ein paar Tage in Akut-Situationen der Entgeltausgleich komplett. So verwundert es nicht, dass zwar mehr als zwei Millionen Pflegebedürftige zu Hause von Angehörigen versorgt werden, aber bis Juni 2016 nur 39 000 Personen in Deutschland Pflegezeit oder Familienpflegezeit in Anspruch genommen haben, also den Anspruch auf Freistellung oder befristete Teilzeit für Pflege.

Übrigens: Der Bund bietet denen ein zinsloses Darlehen an, die ihre Arbeitszeit für Pflege reduzieren. Doch diese „Pflege auf Pump“ ist ein Ladenhüter. Im Jahr 2015 und bis Ende Mai 2016 haben gerade einmal 210 Personen ein Darlehen für eine Freistellung nach dem Familienpflegezeitgesetz beantragt. Die Menschen wollen keine Schulden für die Pflege von Angehörigen machen müssen, sie wollen einen Entgeltausgleich. Das ist auch das Ergebnis der Beschäftigtenbefragung 2017. 84 Prozent der Befragten fordern einen Entgeltausgleich für diejenigen, die für Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder Weiterbildung die Arbeitszeit reduzieren.

 

Was Beschäftigte konkret brauchen

  • Ein Rückkehrrecht aus Teilzeit in Vollzeit, damit insbesondere Frauen nicht in der Teilzeitfalle gefangen bleiben.
  • Einen steuerfinanzierten Entgeltausgleich bei Reduzierung der Arbeitszeit wegen Kindererziehung, Pflege oder Weiterbildung.
  • Ein Recht auf Abschalten (Ruhezeit) im Arbeitszeitgesetz.

 

Über die Befragung: Die IG Metall hat Beschäftigte in mehr als 7000 Handwerks-, Dienstleistungs-, und Industriebetrieben befragt. Insgesamt haben sich 681.241 Beschäftigte an der Befragung beteiligt. Mitmachen konnten alle Beschäftigten – Gewerkschaftsmitglieder und Nichtmitglieder. Der Fragebogen konnte schriftlich oder online ausgefüllt werden. Befragungszeitraum war vom 16. Januar bis 26. Februar 2017. Die Zahlen sind gerundet.

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