Da geht was: Dagro
Mit Vollgas von 17 auf 230

Dagro, das größte Werk in Gera, war 2009 pleite. Jetzt müssen die 500 Beschäftigten Überstunden schieben. Bei der Rettungsaktion mischte die IG Metall kräftig mit – und überzeugte die meisten Beschäftigten, der IG Metall beizutreten.

11. Juni 201011. 6. 2010


An die 1990er-Jahre erinnert sich Matthias Beer von der IG Metall Gera ungern, wenn er an die Autozulieferfirma Dagro denkt. Es herrschten „autoritäre Strukturen“, Tarifverträge gab es nicht. Prämien und Löhne wurden nach Willkür gezahlt. Arbeitsschutz war ein Fremdwort. Beer erinnert sich an Klebstoffe, von deren Ausdünstungen die Arbeiter in den 1990er- Jahren „reihenweise umfielen“.

Mit der Krise kam das Interesse
Die IG Metall konnte dagegen wenig ausrichten. Sie bekam bei Dagro „kein Bein an den Boden“. Das änderte sich 2009 – in der Krise, als die Commerzbank Dagro keine Kredite mehr geben wollte. Bevor Dagro in die Insolvenz geriet, fing die IG Metall an, den Betrieb intensiv zu betreuen. Sie initiierte eine Betriebsratswahl und stellte sich auf Betriebsversammlungen vor.

Metaller bei Dagro mit BR-Vorsitzenden Stephan Rothe (rechts). Foto: Thomas Härtrich /transit
Metaller bei Dagro mit dem Betriebsratsvorsitzenden Stephan Rothe (ganz rechts). Foto: Thomas Härtrich /transit



Der Betriebsrat wurde gewählt. Seine Mitglieder sind inzwischen allesamt in der IG Metall. Auf dem Höhepunkt der Firmenkrise zogen 400 Beschäftigte, von der Gewerkschaft unterstützt, vor die Bank, prangerten sie an und forderten sie auf, den Betrieb nicht sterben zu lassen. Das erzeugte so viel öffentlichen Wirbel, dass die Bank sich mit der Geschäftsführung, der IG Metall und Vertretern der Landesregierung an den Tisch setzte. Die Firma wurde gerettet.

Den Betrieb gerettet
„Wenn die IG Metall nicht gewesen wäre, hätten sie uns über den Tisch gezogen und den Betrieb zerstückelt“, ist Stephan Rothe überzeugt. Der 37-Jährige ist der Betriebsratsvorsitzende. Inzwischen läuft der Betrieb wieder so gut, dass über 150 Leute eingestellt werden konnten. Betriebsrat und IG Metall verhinderten, dass Leiharbeitnehmer engagiert wurden. Die Neuen haben befristete Verträge.

Unzufrieden
Die IG Metall hatte 2009 bei Dagro 17 Mitglieder. Inzwischen sind 230 Beschäftigte in der Gewerkschaft. Sie kamen nicht alle von allein – die Metaller haben systematisch und offensiv um sie geworben und sie überzeugt, dass es Vorteile bringt, sich gemeinsam für bessere Verhältnisse im Betrieb zu engagieren.

Anerkennungstarifvertrag
„Alle waren unzufrieden mit der Lohnsituation“, berichtet Stephan Rothe. Über die schlechte und willkürliche Bezahlung vor allem, aber auch über die ungesunden Arbeitsbedingungen. Der neue Eigentümer, die schwäbische Firma Eissmann, ist nicht tarifgebunden. Aber die IG Metall verhandelt über einen Anerkennungstarifvertrag. Die Entgelte sollen stufenweise steigen und in fünf Jahren auf Tarifniveau sein. Ein Erfolg würde für die Beschäftigten bedeuten, künftig 200 bis 400 Euro brutto mehr im Monat zu haben.
Neu auf igmetall.de

Newsletter bestellen