Ehrenamtliche Arbeitsrichter
„Wir stärken Vertrauen in gerichtliche Entscheidungen“

Ob auf gesellschaftlicher oder betrieblicher Ebene -- Die IG Metall bietet vielseitige Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren. Eine davon ist das Amt des ehrenamtlichen Arbeitsrichters.

21. Mai 201521. 5. 2015


Streit bei der Gehaltsverhandlung, Kündigung, Abmahnung oder Mobbing: Gründe für Klagen vor dem Arbeitsgericht gibt es viele. Eines aber sollten alle Prozesse gemein haben: die ausgewogene Berücksichtigung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberperspektive bei der Urteilsfindung.

Damit das in der gerichtlichen Praxis gelingt, sitzen in den Kammern der Arbeits- und Landesarbeitsgerichte, ebenso wie beim Bundesarbeitsgericht neben dem Berufsrichter zwei ehrenamtliche Richter – und zwar jeweils aus Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Einer von ihnen ist Tino Reinhardt. Vorgeschlagen von seiner IG Metall-Verwaltungsstelle, engagiert sich der 27-Jährige seit rund zwei Jahren als ehrenamtlicher Arbeitsrichter am Arbeitsgericht in Göttingen. „Als mich mein Kollege angesprochen hat, dachte ich: Warum eigentlich nicht? Rechtsthemen fand ich schon immer spannend. So kann ich das Gericht mit meinen Erfahrungen aus dem betrieblichen Alltag unterstützen und lerne selbst auch noch dazu.“

 

Die Sicht des Arbeitnehmers einnehmen

Und genau dieser Austausch ist wichtig. Denn neben juristischem Fachwissen ist gerade bei Auseinandersetzungen im Job Praxiswissen aus den Betrieben gefragt. „Als Beschäftigter bringe ich meine Sicht der Dinge ein. Zum Beispiel wenn Vertragsverstöße verhandelt werden, die sich auf Auftrags- oder Leistungsdruck zurückführen lassen. In solchen Fällen sehe ich es als meine Aufgabe, Verständnis für die Situation der Beschäftigten zu haben und auch den anderen Richtern einen Perspektivwechsel zu ermöglichen“, sagt Reinhardt, der als Versuchsmechaniker in der Entwicklung bei Bosch in Göttingen arbeitet. „Egal ob für die Prozessparteien oder für die Öffentlichkeit – ein Urteil bekommt eine andere Legitimation, wenn Leute aus der Praxis mitreden können. Das stärkt das Vertrauen in die gerichtlichen Entscheidungen“, findet der gelernte Industriemechaniker.

Die drei Richter – haupt- wie auch ehrenamtliche – haben die gleichen Rechte und Pflichten: Sie dürfen den Parteien, Zeugen und Sachverständigen in den Sitzungen Fragen stellen, um sich ein umfassendes Bild vom Sachverhalt zu machen. Das Urteil beraten sie gemeinsam. Das bedeutet aber nicht, dass es auch immer einstimmig gefällt wird. Am Ende entscheidet die Mehrheit. „Es wird auch mal diskutiert, in aller Regel kommt man aber schon auf einen Nenner“, berichtet Tino Reinhardt aus seiner bisherigen Erfahrung.

 

Berufserfahrung ist von Vorteil – aber nicht alles

Drei bis vier Verhandlungen pro Jahr sind für ehrenamtliche Richter die Regel. Der Arbeitgeber stellt die Amtsträger für diese Zeit frei. Ein Mindestalter von 25 Jahren, die deutsche Staatbürgerschaft und ein angemeldeter Wohnsitz im jeweiligen Gerichtsbezirk sind Voraussetzungen für Beschäftigte, die sich als ehrenamtliche Richter am Arbeitsgericht engagieren wollen.

„Berufs- und Lebenserfahrung sind für das Amt von Vorteil, aber genauso wichtig ist es, sich immer wieder auf Neues einlassen zu können. Denn jeder Fall ist eigen und fordert andere Lösungswege“, sagt Peter Pfend. Auch er ist seit 2012 als ehrenamtlicher Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Offenbach tätig. Mehr als 20 Jahre war er im Betriebsrat bei Manroland in Offenbach. „Ob beim Durchsetzen von Urlaubsansprüchen, Lohnklagen oder betriebsbedingten Kündigungen – das Wissen, das ich mir in dieser Zeit aneignen konnte und der routinierte Umgang mit Konflikten innerhalb eines Betriebs, kommen mir nun auch im Ehrenamt zugute.“

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