Brexit – Was kommt da auf uns zu?
Negative Folgen für die Mitbestimmung

Am 23. Juni 2016 stimmen die Briten über den Verbleib ihres Landes in der EU ab. Britische Gewerkschaften werben seit Wochen für die EU. Aus Sicht der Beschäftigten spricht einiges für den Verbleib – auf beiden Seiten des Kanals, wie Rolf-Dieter Dreyer am Beispiel von Rolls-Royce erklärt.


Die Entscheidung der Briten, ob sie in der Europäischen Union (EU) bleiben, und Oberursel im Taunus haben nur scheinbar nichts miteinander zu tun. In Oberursel produziert Rolls-Royce, ein britischer Hersteller von Flugzeugtriebwerken, Teile, die in England etwa in den Airbus A-380 eingebaut werden. 1200 Menschen arbeiten dort. Betriebsratsvorsitzender, Rolf-Dieter Dreyer, schaut besorgt auf den 23. Juni. „Wenn Großbritannien aus der Europäischen Union austritt, bekommen wir massive Probleme“, sagt Dreyer. Zölle und Einfuhrbeschränkungen könnten die Lieferbeziehungen zwischen den Auslandsniederlassungen und dem Mutterkonzern erheblich belasten.

Seit Wochen werben die britischen Gewerkschaften für den Verbleib ihres Landes in der EU. Sie sehen Arbeitnehmerrechte bedroht. Denn die ironische Frage: Was hat die EU uns jemals gebracht, können sie sehr ernst beantworten: Verbesserungen für Beschäftigte beim Mutterschutz, bei der Arbeitszeit, beim Urlaub und vielem mehr. Nach Schätzungen des britischen Gewerkschaftsbunds wären vier Millionen Arbeitsplätze in Großbritannien durch einen Brexit gefährdet.

Die Notenbank befürchtet im Falle eines Ausstiegs eine Rezession und steigende Arbeitslosigkeit in Großbritannien. Deutschland würde ebenfalls zu den Verlierern zählen. Großbritannien ist für Deutschland der drittgrößte Exportmarkt. Waren im Wert von 90 Milliarden Euro wurden 2015 auf die Insel geliefert. Wie eng die beiden Länder wirtschaftlich verflochten sind, zeigen einige Zahlen: Rund 2500 deutsche Unternehmen verfügen über Niederlassungen in Großbritannien und beschäftigen rund 370 000 Mitarbeiter. In Deutschland sind rund 3000 britische Unternehmen engagiert.


Einschnitte bei der Mitbestimmung


Die IG Metall befürchtet als Folge eines Austritts von Großbritannien negative Auswirkungen für die Mitbestimmung und für die Beschäftigten. Die IG Metall unterstützt deshalb die Kampagne der britischen Schwestergewerkschaften, die Mitglied im europäischen Industriegewerkschaftsverband IndustriAll Europe sind. Auf dem Kongress von IndustriAll Europe am 8. und 9.Juni 2016 in Madrid wurden die Folgen eines Brexit intensiv diskutiert. Die britischen Gewerkschaften Unite, Community und GMB wie auch der Dachverband TUC haben eine Kampagne gegen den Brexit gestartet. IndustriAll Europe unterstützt die britischen Gewerkschaften mit einem Initiativantrag. Ein Brexit würden nicht nur für die britischen, sondern auch für die Beschäftigten und Gewerkschaften in ganz Europa eine Gefahr darstellen, heißt es darin.

Die EU-Richtlinie zum Europäischen Betriebsrat und die Richtlinie zur Europäischen Aktionsgesellschaft SE ermöglichen die Beteiligung britischer Beschäftigter bzw. ihrer Gewerkschaftsvertreter in diesen grenzüberschreitenden Gremien. Ohne Mitgliedschaft in der EU hätten die britischen Kollegen kein Recht auf die Mitarbeit im EBR und im SE-BR. Die übrigen Mitglieder dieser Gremien hätten keinen Anspruch auf Informationen und Konsultationen zu Maßnahmen, die die Konzernleitung in Großbritannien plant. Somit wäre dieses wichtige Industrieland außerhalb der Reichweite der europäischen Arbeitnehmervertretungen. Es gibt insgesamt rund 1100 Europäische Betriebsräte und SE-Betriebsräte. Davon sind etwa 400 EBRs und SE-EBRs im Organisationsbereich der IG Metall, von denen 120 durch die IG Metall koordiniert werden.

„Ein Abschied Großbritanniens aus der Europäischen Union käme nicht nur die deutsche Wirtschaft teuer zu stehen“, sagt IG Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. „Durch einen Brexit wären auch fundamentale Rechte der britischen Beschäftigten und hunderttausende Jobs auf der Insel gefährdet. Ein Nein zum Verbleib in Europa macht weder das Vereinigte Königreich noch Europa in seiner Gesamtheit besser und sozialer ― im Gegenteil.“

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