Schwerbehinderung
Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung

Der Arbeitgeber muss die Zustimmung des Integrationsamts einholen, bevor er einen schwerbehinderten Menschen kündigen kann. Missachtet der Arbeitgeber diese Vorschrift, kann eine rechtswidrige Benachteiligung vorliegen. Für einen Anspruch auf Entschädigung bedarf es aber konkreter Anhaltspunkte.

6. Februar 20236. 2. 2023


Der Anspruch auf eine Entschädigung nach Paragraf 15 Absatz 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) setzt einen Verstoß gegen das in Paragraf 7 Absatz 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Davon erfasst sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Das Benachteiligungsverbot, untersagt eine Benachteiligung wegen eines der in Paragraf 1 AGG genannten Gründe, unter anderem wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber auch nach Paragraf 164 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch IX (SGB) schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Diese Bestimmung findet nach Paragraf 151 Absatz 1 SGB IX auch auf gleichgestellte behinderte Menschen Anwendung.

Nach Paragraf 168 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Hat der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung die Zustimmung nicht eingeholt, kann dieser Umstand im Streitfall vor Gericht eine Beweisvermutung begründen, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch durch die Kündigung erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte.

Das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte behinderte Menschen setzt grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Kündigungszugangs entweder die Schwerbehinderung festgestellt oder eine Gleichstellung erfolgt ist oder die Stellung des Antrags auf Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch oder auf Gleichstellung mindestens drei Wochen zurückliegt.
 

Kein Nachweis bei offensichtlicher oder offenkundiger Schwerbehinderung

Der Erbringung des Nachweises der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch im Wege der behördlichen Feststellung bedarf es nicht, wenn diese entbehrlich ist, weil dieser Umstand sich „gleichsam aufdrängt“. Das ist der Fall, wenn die Schwerbehinderung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung „offensichtlich“ bzw. „offenkundig“ ist. Für eine offenkundige Schwerbehinderung muss dabei nicht nur das Vorliegen einer oder mehrerer Beeinträchtigungen offenkundig sein, sondern auch, dass der Grad der Behinderung in einem Feststellungsverfahren auf wenigstens 50 festgesetzt würde. Eine Schwerbehinderung ist demnach „offensichtlich“ bzw. „offenkundig“, wenn sie unzweifelhaft für jede/n ersichtlich besteht.

Hier geht es zum Volltext der BAG-Entscheidung vom 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21.