Zeitschrift Gute Arbeit – Juni 2010
Automobilbeschäftigte zwischen den Mühlsteinen

Bei der Jahrestagung der Automobil-Schwerbehindertenvertretungen (Auto-SBVen), die in Reutlingen beim Autozulieferer Bosch stattfand, war ein Trend bei nahezu allen vertretenen Unternehmen erkennbar: Die Quote der schwerbehinderten und gleichgestellten Menschen steigt, während die ...


... Beschäftigtenzahlen nach unten weisen. Der Grund: Das belastende Arbeitsleben fordert seinen gesundheitlichen Tribut. Die Branche steht vor der drängenden Zukunftsaufgabe, mit Guter Arbeit den demografischen Wandel zu bewältigen.

In der Automobilbranche haben sich die Existenzängste der Beschäftigten fürs Erste gelegt. Doch jetzt geraten in der Krise geschrumpfte Belegschaften schwer unter Druck. Während die Produktion in einigen Betrieben rasant ansteigt, werden Personallücken spürbar, die unter anderem auf Entlassungen von Leiharbeitnehmern und nicht wieder besetzte Stellen zurückgehen. „Das Arbeitstempo steigt, der Autobau ist erneut von extremer Arbeitsverdichtung betroffen“, bilanzierte Bernhard Grunewald, Arbeitskreis-Vorsitzender der Auto-SBVen, auf der Jahrestagung in Reutlingen.

Der Export als Treiber
Aufträge, Umsätze und Gewinne sprudeln aus China, USA und anderswo in Übersee. In einigen Autoschmieden droht bereits wieder Kurzarbeit, weil Zulieferer nicht mit der Auftragsbearbeitung nachkommen oder ein Vulkan den Nachschub von Bauteilen abschneidet. Naturgewalten hat das globalisierte Wirtschaftsystem nicht eingeplant. Antriebsteile, Schrauben und Fahrzeugtextilien werden weltweit transportiert. Fallen Transportwege aus oder stimmt die Qualität der gelieferten Produkte nicht, gerät das sensible System rasch ins Wanken.

Volldampf voraus
Die Unternehmen, die sich zurzeit mit neuen Aufträgen aus der Krise herausarbeiten, ignorieren in der Regel die Grundsätze der nachhaltigen Personalwirtschaft: Es gibt kaum Personalpuffer, auch die kürzeste Abwesenheit von Beschäftigten reißt Lücken, mit (falscher) Rücksicht auf das Team bleibt kaum jemand zu Hause, wenn er oder sie erkrankt ist. Die Arbeitszeiten und Überstunden nehmen wieder zu, die Arbeitnehmer haben immense Lasten zu schultern.

Altern in der Leistungsgesellschaft
Es bleibt kaum noch Zeit, über Konzepte alternsgerechter Arbeit zu diskutieren. Seit 50 Jahren ist bekannt, dass die geburtenstarken Jahrgänge auf dem Plan stehen. Erst verstopften sie – aus der Perspektive überforderter Bildungspolitiker – Schulen und Hochschulen, dann überschwemmten sie zur Freude der Arbeitgeber den Arbeitsmarkt, die sich die Rosinen herauspickten.

Beschäftigungsfähigkeit
Trotzdem bleibt die ernüchternde Einsicht: Noch mehr Menschen werden künftig den Ruhestand nicht in einem einigermaßen sozial abgesicherten Beschäftigungsverhältnis erreichen, wenn die Weiterbildung, die Prävention und der Gesundheitsschutz nicht kräftig gepuscht werden. Deshalb lautet ein wesentliches Ziel: Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit durch Qualifizierung für neue Aufgaben und Berufsfelder.

Weitere Informationen
Der Arbeitskreis Schwerbehindertenvertretungen der deutschen Automobilindustrie (Auto-SBVen) gehören Schwerbehindertenvertretungen (SBVen) von knapp 30 Herstellern an. Er vertritt die Interessen von rund 25 000 schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten sowie weiteren 50 000 Beschäftigten, die (werks-)ärztlichen Einsatzeinschränkungen (Attestierungen) unterliegen. An den Jahrestagungen nehmen auch SBVen der Zulieferindustrie und der Zeitarbeit teil. Bernhard Grunewald, Konzern- und Gesamtschwerbehindertenvertretung der Adam Opel GmbH, ist seit elf Jahren Vorsitzender des Arbeitskreises.

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