Standpunkt von Bernhard Ebner, Betriebsrat bei BMW in Landshut
Fachkräfte selbst gemacht

Arbeitgeber missbrauchen die Debatte um Fachkräftemangel, um alten Forderungen etwa nach längeren Wochen- und Lebensarbeitszeiten oder dem Abbau von arbeitsrechtlichen Errungenschaften neuen Schwung zu geben. Dabei zeigt das Beispiel von BMW in Landshut, dass die Lösung ganz woanders liegt.

24. November 201424. 11. 2014


In Landshut ist der Arbeitsmarkt so gut wie leergefegt. Im Oktober lag die Arbeitslosenquote bei 2,8 Prozent. Das ist ein Segen für die Region. Das heißt aber auch: Auf dem Arbeitsmarkt findet BMW kaum Fachkräfte. Wenn überhaupt, dann kommen neue Leute von einem anderen Arbeitgeber – vorausgesetzt, sie haben die richtige Qualifikation. BMW braucht Leute für die Karbonfertigung und den Leichtmetallguss. Nur wenige bringen Erfahrungen in diesem Bereich mit.

Oft reagieren Unternehmen erst, wenn es zu spät ist. In unserem Fall hieße das, wenn die Löcher in der Belegschaft so groß sind, dass sie die Produktion bedrohen. Und sie werden größer. Das Unternehmen wächst und in gerade einmal acht Jahren wird fast ein Drittel unserer Belegschaft altersbedingt ausscheiden. Diese Leute müssen wir ersetzen.

Unsere Antwort: Wenn wir keine Fachkräfte finden, müssen wir selbst ausbilden und qualifizieren. Wir haben eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die uns drei Wege zur Sicherung des Fachkräftebedarfs ermöglicht:

  • Seit 2012 bilden wir mehr junge Menschen aus und haben die Ausbildungszahlen um 55 Prozent erhöht (von 27 auf 42 Auszubildende pro Ausbildungsjahr).
  • Wir rekrutieren externe Fachkräfte und
  • qualifizieren unsere Belegschaft.

Zweimal pro Jahr ermittelt BMW, welche Qualifikationen gebraucht werden, und einmal pro Jahr, welche vorhanden sind. Aus dem Vergleich wissen wir, was wir brauchen. Dann gibt es mehrere Möglichkeiten, den Bedarf zu decken: Spezielle Bildungsprogramme je nach Technologie geben Beschäftigten die Möglichkeit, ihre Qualifikation zu erhalten oder auszubauen. Gut ausgebildete Leiharbeiter oder qualifizierte Leute werden eingestellt. Oder: Leiharbeiter ohne Ausbildung machen neben der Arbeit einen Abschluss.

Durch den Bedarf, den wir für die Zukunft identifiziert haben, erhielten bereits 300 Beschäftigte einen neuen Arbeitsplatz, für den sie individuell qualifiziert wurden. Gut qualifizierte Leiharbeiter mit Berufsabschluss können direkt anfangen. Leiharbeitern ohne Abschluss bietet BMW an, die Ausbildung nachzuholen. Sie bekommen einen befristeten Vertrag, arbeiten tagsüber und lernen abends und am Wochenende. 20 haben im Sommer ihren Abschluss gemacht und fest bei uns angefangen. Die nächste Gruppe ist dabei, ihre Ausbildung nachzuholen, und im Frühjahr 2015 startet eine weitere.


Wissen nimmt Angst

Die Betriebsvereinbarung ist ein Erfolg, und es hängt von uns Betriebsräten ab, so etwas hinzubekommen. Wir dürfen nicht warten, dass andere das umsetzen, sondern müssen es selbst nachhalten. Ein tarifvertragliches Recht auf Bildungsteilzeit würde unsere Arbeit unterstützen. Die Interessen des Betriebs sind nur eine Seite. Die andere sind die Interessen der Beschäftigten, die nicht zu kurz kommen dürfen.

Wichtig ist daher auch, Menschen zu beteiligen. Wir haben alle gefragt: „Welche Qualifikation hast Du und kannst Du Dir vorstellen, Dich zu verändern?“ Wer auf eine andere Stelle wechselt, kann erst einmal Probe arbeiten und herausfinden, ob es das Richtige für ihn ist. Das schafft Vertrauen in einer Zeit, in der sich Arbeitsplätze verändern. Das Unternehmen stellt auf neue Technologien wie Leichtbau und Elektromobilität um. BMW baute den Spritzguss ab und den Leichtbau auf.

Viele hatten Angst, ihren bestehenden Arbeitsplatz zu verlieren. Diese Angst konnten wir ihnen nehmen, weil wir immer mit der Belegschaft gesprochen haben. Dabei kommt es auf zwei Dinge an: Wir dürfen keine falschen Hoffnungen wecken und wir dürfen nicht falsch informieren. Dass wir einiges richtig gemacht haben, sehen wir an der Zustimmung, die wir als Betriebsrat und Gewerkschaft erfahren. Unser Mitgliederanteil in der Belegschaft stieg in den letzten drei Jahren um 50 Prozent.


Attraktiv sein

Unsere Erfahrung zeigt: Unternehmen haben es in der Hand, ihren Bedarf an Fachkräften zu sichern. Der Schlüssel liegt in einem attraktiven Angebot. Gerade junge Menschen wollen Aufstiegsmöglichkeiten. Sie wollen sich qualifizieren und sie wollen Beruf und Familie vereinbaren. Auch darauf haben wir mit unserer Gesamtbetriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit reagiert. Es ist uns gelungen, weil gelebte Mitbestimmung für die Belegschaft Verlässlichkeit schafft, und weil unsere wirtschaftliche Kraft uns vieles ermöglicht.

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