Das Jobpaket der IG Metall
Fakten und Hintergründe

Die Krise ist nicht überwunden. Mit ihrer Initiative „Keine Entlassungen in der Krise“ hat die IG Metall den Erhalt von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt der vorgezogenen Tarifrunde in der Metall- und Elektrobranche gerückt. Wir dokumentieren die wichtigsten Informationen zu den Verhandlungen

18. Februar 201018. 2. 2010


Derzeit fehlt es Betrieben immer noch an über 20 Prozent Auslastung. Ohne Gegensteuern durch zusätzliche Instrumente der Beschäftigungssicherung wären bis Ende 2012 bis zu 700 000 Arbeitsplätze im Organisationsbereich der IG Metall gefährdet. Vor diesem Hintergrund hat die IG Metall nach intensiven regionalen Sondierungsgesprächen in den Tarifgebieten Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit den Arbeitgeberverbänden die Verhandlungen über ein Jobpaket aufgenommen.


Die Ergebnisse

Ergebnisse sind der Tarifvertrag „Kurzarbeit, Qualifizierung und Beschäftigung“ in Baden-Württemberg sowie der Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ (TV ZiA) in Nordrhein-Westfalen. Die Vereinbarungen umfassen neben Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung auch eine Nachfolgeregelung für den Ende April auslaufenden Entgelttarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie und sollen bis zum 30. Juni 2012 laufen. Der Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ kann in Betrieben anwendet werden, die seit mindestens zwölf Monaten kurzarbeiten. In diesen Fällen bietet der Vertrag für zwölf Monate Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Der Einstieg in den TV ZiA ist für die Betriebe freiwillig. Die bisherigen Instrumente (Kurzarbeit nach Manteltarifvertrag und Arbeitszeitabsenkung nach TV Besch) bleiben insoweit unverändert gültig.


Die Entgelterhöhung

Die in NRW getroffene Vereinbarung zur Entgelterhöhung hat zwei Komponenten: Für Mai 2010 bis März 2011 erhalten die Beschäftigten eine Einmalzahlung von 320 Euro. Auszubildende erhalten 120 Euro. Die Auszahlung kann in zwei Teilbeträgen zum 1. Mai 2010 und 1. Dezember 2010 erfolgen. Die zweite Komponente ist eine Entgelterhöhung um 2,7 Prozent ab dem 1. April 2011. Diese Anhebung kann um zwei Monate vorgezogen oder verschoben werden. Der Entgelttarifvertrag hat eine Laufzeit von 23 Monaten bis zum 31. März 2012. IG Metall und Südwestmetall haben sich darauf verständigt, den in NRW geschlossenen Entgelttarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg zu übernehmen.


Das Jobpaket

Wichtigstes Ziel des Jobpakets, das den Kern beider Einigungen bildet, ist die Sicherung von Beschäftigung und die Übernahme Ausgebildeter. Bei der Beschäftigungssicherung soll zum einen der gesetzlichen Kurzarbeit Vorrang vor tariflichen Regelungen eingeräumt werden. Zum anderen sollen zusätzliche tarifliche Regelungen helfen, Jobs zu erhalten. Das Jobpaket der IG Metall besteht aus fünf Elementen:

  1. Gesetzliche Kurzarbeit voll ausschöpfen
  2. Tarifliche Beschäftigungssicherung ausweiten (tarifliche Kurzarbeit)
  3. Übernahme Ausgebildeter sichern
  4. Regelung zur Altersteilzeit über den Tarifvertrag Flexibler Übergang in die Rente (TV FlexÜ) durchfinanzieren
  5. Leiharbeit begrenzen

 



1. Gesetzliche Kurzarbeit

Gesetzliche oder auch konjunkturelle Kurzarbeit ermöglicht es Betrieben, auf einen konjunkturell bedingten Auftragsseinbruch zu reagieren. Dazu wird im Betrieb oder in organisatorisch abgrenzbaren Teilen eines Betriebes vorübergehend die betriebliche Arbeitszeit nach Maßgabe des Produktionsausfalls abgesenkt. Gegenwärtig arbeiten rund 650 000 Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie kurz. Die ausgefallene Arbeitszeit beträgt im Durchschnitt rund ein Drittel der Regelarbeitszeit. Damit werden rechnerisch rund 220 000 Arbeitsplätze gesichert.

Das Kurzarbeitergeld (KuG) wird von der Bundesagentur für Arbeit (BA) in der Regel gewährt, wenn mindestens ein Drittel der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer mit einem Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent von dem vorübergehenden Arbeitsausfall betroffen sind. Mit dem Konjunkturpaket II sind bis Ende 2010 befristete Sonderregelungen eingeführt worden. Das gilt auch für die betrieblichen Voraussetzungen. Kurzarbeit ist bis dahin auch dann möglich, wenn weniger als ein Drittel der Beschäftigten betroffen sind. Die Höhe des KuG beträgt 60 Prozent (Beschäftigte ohne Kinder) beziehungsweise 67 Prozent (Beschäftigte mit Kindern) des ausgefallenen Nettoeinkommens.

Einmalzahlungen werden beim Kurzarbeitergeld ebenso wenig berücksichtigt wie steuer- und sozialversicherungsfreie Zulagen oder Mehrarbeitsvergütung. Für Feiertage und Urlaub gibt es kein Kurzarbeitergeld. In diesen Fällen bleibt der Arbeitgeber zur Entgeltzahlung verpflichtet. Er muss außerdem die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Ausfallstunden allein tragen. Die Beiträge machen etwa 40 Prozent des Arbeitsentgelts aus. Zurzeit bekommt der Arbeitgeber wiederum aufgrund der bis Ende 2010 befristeten Sonderregelungen die Sozialbeiträge in den ersten sechs Monaten zur Hälfte erstattet, in voller Höhe wenn er Qualifizierungsmaßnahmen durchführt. Noch bis Ende 2010 erstattet die BA die Sozialversicherungsbeiträge ab dem siebten Monat in vollem Umfang. Dies trägt zu einer Senkung der so genannten Remanenzkosten bei.

Für Kurzarbeit, die noch in 2009 beantragt und eingeführt wurde, beträgt die maximale Dauer 24 Monate. Ab 2010 kann Kurzarbeit für 18 Monate beantragt werden. IG Metall und Metall-Arbeitgeber fordern gemeinsam von der Politik, die gegenwärtig bis Ende 2010 befristeten Sonderregelungen an die maximale Bezugsdauer von 18 Monaten für in 2010 gestellte Anträge anzupassen (Synchronisierung).

Ergänzend zur gesetzlichen Kurzarbeit gibt es in der Metall- und Elektroindustrie einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung (TV Besch). Der Tarifvertrag lässt lediglich eine Absenkung der Arbeitszeit um bis zu fünf Stunden pro Woche zu. Bei Kurzarbeit ist der Umfang des Arbeitsausfalls gegenüber der Anwendung des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung nicht begrenzt. Möglich sind bei Kurzarbeit auch längere Phasen mit vollständigem Arbeitsausfall (Kurzarbeit Null).

Gegenüber der Anwendung des TV Besch ist Kurzarbeit wegen der verbleibenden Remanenzkosten für Arbeitgeber die teurere Alternative. Die Kosten der Betriebe für nicht geleistete Arbeit werden mit rund 26 Prozent je Ausfallstunde veranschlagt. Trotz Kurzarbeit bleiben nämlich die Ausgaben für Weihnachts- und Urlaubsgeld oder die Feiertagsvergütung bestehen. Beim TV Besch sinken diese Ausgaben proportional zur abgesenkten Arbeitszeit.

Der TV „Kurzarbeit, Qualifizierung und Beschäftigung“ ermöglicht ein Absenken der Remanenzkosten nach 24 Monaten Kurzarbeit. Dazu werden die beiden Sonderzahlungen Weihnachts- und Urlaubsgeld auf die zwölf Monate eines Jahres umgelegt und in die Berechnung des Kurzarbeitergeldes einbezogen. Im Gegenzug erhalten die Beschäftigten einen erweiterten Kündigungsschutz.

Die in Baden-Württemberg tarifvertraglich verankerte Aufzahlung bei konjunktureller Kurzarbeit bleibt überdies bestehen. Zudem können Betriebsräte weiterhin die konjunkturelle Kurzarbeit in ihren Betrieben erzwingen – gegebenenfalls über eine tarifliche Schlichtungsstelle.



2. Tarifliche Kurzarbeit

Sind alle Möglichkeiten der gesetzlichen Kurzarbeit ausgeschöpft, kommt eine über den bisherigen TV Besch hinausgehende Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit mit Teilentgeltausgleich – die so genannte tarifliche Kurzarbeit – in Betracht. Bisher kann nach TV Besch die wöchentliche Arbeitszeit betrieblich ohne Entgeltausgleich von 35 auf 30 oder auch 29 Stunden (Bayern, Niedersachsen) im Westen und von 38 auf 33 beziehungsweise 32 Stunden (Sachsen-Anhalt) im Osten abgesenkt werden. Im Gegenzug erhalten die Beschäftigten für die Zeit der Anwendung dieser Tarifverträge einen erweiterten Kündigungsschutz.

Die im Tarifvertrag „Kurzarbeit, Qualifizierung und Beschäftigung“ für Baden-Württemberg vereinbarte Regelung zur tariflichen Kurzarbeit sieht eine Absenkung der Wochenarbeitszeit auf eine Bandbreite zwischen 31,5 und 28 Stunden bei einem Teillohnausgleich von 15,33 Prozent je Ausfallstunde vor. Die Berechnung der Ausfallstunden erfolgt im Monatsdurchschnitt. Für die Zeit der tariflichen Kurzarbeit haben die Beschäftigten einen erweiterten Kündigungsschutz
Unternehmen, die Kurzarbeit zur Beschäftigungssicherung bereits länger als 24 Monate einsetzen, können im Rahmen des neuen Tarifvertrages ihre Remanenzkosten senken, indem sie die tariflichen Einmalzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) der Kurzarbeiter entsprechend der Intensität der Kurzarbeit kürzen.

Der im Pilotbezirk Nordrhein-Westfalen verhandelte Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ unterteilt die tarifliche Kurzarbeit in zwei Phasen: In der ersten Phase von mindestens sechs Monaten werden Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld auf das monatliche Entgelt aufgeteilt. Dadurch steigt das Kurzarbeitergeld, während die Kosten für den Arbeitgeber sinken. Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung reduzieren sich proportional zum Anteil der Kurzarbeit, da sie bei Kurzarbeit nur anteilig für geleistete Arbeitszeit gezahlt werden.
In einer zweiten Phase von weiteren sechs Monaten kann die wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden abgesenkt werden. Ab der 31. Stunde erhalten die Beschäftigten einen Teilentgeltausgleich. Bei einer Absenkung auf 28 Stunden pro Woche sind 29,5 Stunden zu bezahlen. Mit einer freiwilligen Betriebsvereinbarung soll die Wochenarbeitszeit in einzelnen Unternehmen zudem auf bis zu 26 Stunden reduziert werden können.



3. Ausgebildete / Weiterbildung und Qualifizierung

Bei der Übernahme sieht der Tarifvertrag schon heute eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung von Ausgebildeten für mindestens zwölf Monate vor. Davon kann in Ausnahmefällen abgewichen werden. Die IG Metall strebt an, die Verpflichtung für die Arbeitgeber zu verschärfen und die Möglichkeiten zur Übernahme um zusätzliche flexible Instrumente zu erweitern. Der für Baden-Württemberg geschlossene Tarifvertrag „Kurzarbeit, Qualifizierung und Beschäftigung“ sieht zum Beispiel die Möglichkeit vor, zwischen Ende der Ausbildung und der Weiterbeschäftigung persönliche Weiterbildungsmaßnahmen oder den Wehrdienst zu absolvieren – ohne dass dadurch der Anspruch auf die zwölf Monate geschmälert wird.

Mit dem Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ haben IG Metall und Arbeitgeber Voraussetzungen dafür geschaffen, dass alle Ausgebildeten die Chance auf eine zwölfmonatige Übernahme erhalten. Der bisherige Übernahmeanspruch wurde deutlich klarerer und verbindlicher gefasst. Künftig erhalten Auszubildende die Gelegenheit, einmal während ihrer Ausbildungszeit an einer Qualifizierungswoche zu verschiedenen Themen teilzunehmen.

Neu eingeführt wurde zudem der Tarifvertrag „Zukunft in Bildung“, der einen verbindlichen Rahmen für die neue Qualifizierungsteilzeit schafft. Ähnlich der Altersteilzeit wird es künftig möglich sein, geblockte Qualifizierungszeiten zu nutzen – unter Fortzahlung der Bezüge und mit Arbeitsphasen verbunden.
Beispiel: Wer zwei Jahre mit zwei Dritteln des Entgelts arbeitet, schafft die Möglichkeit, ein Jahr etwa zur Meisterschule zu gehen oder sich zur Fremdsprachenkorrespondentin weiterbilden zu lassen und während dessen weiterhin Einkommen zu beziehen.



4. Regelung zur Altersteilzeit

In Nordrhein-Westfalen garantiert der ausgehandelte Entgelttarifvertrag die weitere Finanzierung der Altersteilzeit mindestens bis zum Ende seiner Laufzeit am 31. März 2012.

Mit Abschluss des Tarifvertrages „Flexibler Übergang in die Rente“ (TV FlexÜ) vereinbarten IG Metall und Arbeitgeberseite, aus dem Entgelterhöhungsvolumen der folgenden Tarifrunde 0,4 Prozent als Finanzierungsanteil der Beschäftigten zu reservieren. Die Übernahme des in NRW geschlossenen Entgelttarifvertrages sichert dabei die Durchfinanzierung der tariflichen Altersteilzeit.



5. Leiharbeit

Bei der Begrenzung der Leiharbeit konnten die Tarifparteien in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg kein Ergebnis erzielen. Die Arbeitgeberseite hat die von der IG Metall angestrebten Korrekturen hartnäckig abgelehnt. In dieser Frage gilt es nunmehr, in den einzelnen Betrieben zu Besserregelungen zu kommen. Das Motto der IG Metall bleibt dabei: Leiharbeit fair gestalten.


Die Politik ist gefragt

Die Politik kann bei der Sicherung von Jobs nicht außen vor bleiben. Deshalb fordert sie die IG Metall auf, die Bemühungen der Tarifvertragsparteien, Arbeitsplätze in der Metall- und Elektroindustrie zu sichern, zu unterstützen. Zum einen sind, befristet für die Laufzeit neuer tariflicher Regelungen zur Beschäftigungssicherung (Baden-Württemberg bis Mitte 2012), die derzeit bis Ende 2010 befristeten Sonderregelungen, wie etwa die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber mit der maximal möglichen Dauer von Kurzarbeit zu synchronisieren. Ferner fordert die IG Metall die Bundesregierung auf, den Teillohnausgleich sozialabgabenfrei zu stellen, um die Position der Beschäftigten beim Nettoentgelt zu verbessern.


Gute Gründe

Für die Begleitung der tariflichen Beschäftigungssicherung durch die Politik sprechen gute Gründe: Die Metall- und Elektroindustrie zählt zu den am stärksten von der Wirtschaftskrise betroffenen Branchen. Gleichzeitig ist sie sowohl nach Beschäftigung als auch nach Wertschöpfung eine der für die gesamte Volkswirtschaft bedeutendsten Branchen. Zudem wäre die Unterstützung auf die Dauer der akuten Krisenbewältigung befristet.


Arbeitslosigkeit keine Alternative

Die Alternative zur Beschäftigungssicherung ist eine deutliche und für die öffentlichen Hände kostspieligere Erhöhung der Arbeitslosenzahlen. So würden allein die unmittelbaren Unterstützungsleistungen für einen Arbeitslosen, die die Bundesagentur für Arbeit zu tragen hätte, um rund ein Drittel höher ausfallen als die Förderung der neuen tariflichen Modelle zu Beschäftigungssicherung.


Keine Subventionen zu Lasten Dritter

Hinzu kämen weitere Einnahmeverluste der öffentlichen Hände durch ausbleibende Sozialabgaben und Steuereinnahmen und gesamtwirtschaftliche Nachfrageausfälle. Schließlich handelt es sich bei den beanspruchten Sozialversicherungsbeiträgen um Versicherungsbeiträge von Beschäftigten und ihren Arbeitgebern. Deshalb kann von öffentlichen Subventionen oder von Regelungen zu Lasten Dritter gar keine Rede sein.

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