Fachkräftebindung junger Frauen in technischen Berufen
Weibliches Potenzial nicht einfach ziehen lassen

Wenn gut ausgebildete junge Frauen nach der Abschlussprüfung nicht im gelernten Beruf bleiben, ist das verlorenes Potenzial. Betriebsrat und Geschäftsleitung von Ford in Köln wollten dem nicht länger zusehen. Gemeinsam haben sie sich in der Produktion auf Ursachenforschung begeben.

8. November 20138. 11. 2013


Gerade zurück nach einer Woche Urlaub sitzt Katharina von Hebel in ihrem hellen Büro im vierten Stock. Zwischen Kakteen und Orchideen und mit Blick auf das Gelände der Ford-Werke GmbH in Köln. Das E-Mail-Postfach hat ausnahmsweise noch ein paar Bytes Kapazität. Gut, fünf Tage frei ist auch nicht übermäßig viel. Trotzdem ist wie immer einiges an Arbeit aufgelaufen. Für ein Thema macht die stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats aber gern eine halbe Stunde Gesprächszeit frei: „Wie nur können wir unsere jungen Frauen nach der Ausbildung im Unternehmen halten?“

Diese Frage treibt den Betriebsrat schon seit Längerem um. Denn in der gewerblich-technischen Ausbildung der Ford-Werke GmbH machen junge Frauen einen Anteil von 20 Prozent aus. Insgesamt sind dort aber nur neun Prozent der ausgelernten Beschäftigten weiblich. Viele scheinen also nicht in ihren gelernten Berufen wie Verfahrensmechanikerin oder Energieanlagenelektronikerin zu bleiben. Dank eigener und guter Ausbildungspolitik sei der viel diskutierte Fachkräftemangel bei Ford bis auf wenige Ingenieurstätigkeiten zwar noch kein Problem. Aber das könne sich schnell ändern, und auch der große Nutzen von Diversity verleiht dem Thema Bedeutung.


Von der EU gefördertes Projekt der IG Metall

Als die Arbeitnehmervertreter vom IG Metall-Projekt „Arbeitsorientierte Innovationspolitik zur Sicherung und Förderung der Frauenbeschäftigung in industriellen Branchen“ erfuhren, war der Entschluss zum Handeln schnell gefasst. Nicht, weil der Name des von der EU geförderten Projekts so gelenkig klingt. Vielmehr beweist das noch laufende Konzept mit 25 beteiligten Betrieben seit drei Jahren Treffsicherheit und hat bereits diverse gleichstellungspolitische Ziele erreicht. Die beteiligten Unternehmen gehören wie Ford zu den Automobilherstellern, aber auch zu deren Zulieferern, ITK-Konzerne sind darunter und Unternehmen aus der Elektroindustrie.

Zunächst galt es, die Ursachen des Problems zu identifizieren. „Dazu haben wir als erstes eine Steuerungsgruppe aus unseren internen Expertinnen und Experten ins Leben gerufen“, erklärt von Hebel. Dazu zählen der Betriebsrat, die Koordinationsstelle „Frauen in technischen Berufen“, außerdem die Trainingskoordination und das Diversity Management – womit auch Arbeitgeber Ford tatkräftig am Projekt mitarbeitet. Eine Beraterin der „Wert.Arbeit GmbH“, eine Gesellschaft für Chancengleichheit, moderiert die Experten-Gruppe und gibt Impulse.


Das Team hat verschiedene Fragen zu Papier gebracht. Diese Fragen thematisierten beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Arbeitszeiten, Perspektiven im Unternehmen und die Umgangsformen. Auszubildende und Beschäftigte haben ihre Meinung gesagt, auch Männer. An den Arbeitsbedingungen der gewerblich-technischen Arbeitsplätze sei insgesamt wenig Kritik geübt worden. Nur die Monotonie sei ein größeres Problem für rund 40 Prozent der Befragten. „Vor allem die Frauen scheinen sich damit nicht abfinden zu wollen“, sagt die 47-Jährige. Daneben würden viele die Stressbelastung als zu hoch ansehen.


An den Entwicklungsmöglichkeiten übten Frauen dagegen schon mehr Kritik. Ebenso wie an den starren Arbeitszeiten. Letztere ließen sich beispielsweise nur schwer mit der Kinderbetreuung vereinbaren. „Das ist natürlich auch für viele Männer ein Problem“, stellt von Hebel klar. Dieser Knackpunkt sei zwar auch schon zuvor bekannt gewesen, weiß die Betriebsrätin. Aber die Befragung habe unmissverständlich aufgezeigt, wie dringend das Unternehmen handeln muss.


Übergang von Ausbildung in die Produktion besser begleiten

Ein anderer identifizierter Stolperstein betrifft die Unternehmenskultur. In der Lehre haben die jungen Frauen ihre Ausbilder als Ansprechpartner. „Danach werden sie in eine riesige, anonyme Halle mit 300 Leuten eingefüttert“, bemängelt von Hebel. „Das führt zu einem Bruch.“ Nicht zuletzt, weil im Produktionsbereich ein rauer Ton herrsche, den die jungen Frauen bis dahin nicht gewöhnt seien. Das ist freilich eine Hürde bei der Fachkräftebindung junger Frauen, mit der sich viele Unternehmen auseinandersetzen müssten. Diverse Arbeitssoziologen weisen seit Jahren auf dieses und andere die Unternehmenskultur betreffenden Probleme hin und warnen eindringlich vor den wirtschaftlichen Folgen.

Eine Besprechung mit der Personalabteilung, eine weitere mit der Marketingabteilung, zwei Gespräche mit Beschäftigten und, und, und: Auch an diesem Tag stehen für Katharina von Hebel und ihre Betriebsratskollegen und Kolleginnen zahlreiche Termine an. Vor Beginn des hier nur stark zusammengefassten aber in Wirklichkeit komplexen Projekts fragte sie ein Kollege: „Willst du das wirklich auch noch übernehmen?“ Den Ausschlag gab, dass die Probleme aufgrund fehlender Untersuchungen bisher schwer zu fassen waren, was endlich der Vergangenheit angehören sollte. Zu oft hätten andere Diskussionen im hektischen Alltag den Vorzug erhalten, weil sie gegenwärtiger erschienen. Nun sei durch die gewonnen Daten auch die Crux der Fachkräftebindung junger Frauen sehr viel greifbarer. In Kürze werden die Arbeitnehmervertreter mit der Geschäftsleitung über konkrete Schritte beraten. „Ich bin zuversichtlich, dass wir einen großen Nutzen aus dem Projekt ziehen werden“, freut sich die Betriebsrätin.

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