Aktiv gegen Rassismus: 1 206 306 Schritte für mehr Respekt
Weit mehr als eine Million Schritte für Respekt und Toleranz

Eine Million Schritte waren das Ziel. Das erwanderten die 90 Metallerinnen und Metaller am letzten Wochenende im thüringischen Oberhof nicht nur mühelos, sondern toppten es sogar. Doch das eigentliche Ziel war, ein klares Zeichen zu setzen. Ein Zeichen gegen Rassismus und Intoleranz und für ein ...

28. August 201328. 8. 2013


... friedvolles und respektvolles Miteinander.

Aus dem ganzen Bundesgebiet waren sie nach Oberhof angereist – nicht nur, um sich auszutauschen, sondern auch, um ein gemeinsames Zeichen zu setzen: nämlich eine Million Schritte erwandern für mehr Respekt und gegen Rassismus. Dazu hatte die IG Metall mit der Initiative Respekt vom 23. bis 25. August in den Thüringer Wald am Rennsteig eingeladen.

In drei Gruppen wurden die 90 Metallerinnen und Metaller am Samstag von geschulten Wanderführern zu den weltbekannten Oberhofer Sportstätten geführt. Mit dabei waren auch Sandra Minnert, Respekt-Schirmfrau und ehemalige Fußballnationalspielerin sowie Bertin Eichler, Schirmherr und IG Metall-Hauptkassierer.

Wandern für mehr Respekt. Mit dabei: Schirmfrau Sandra Minnert (zweite von links) und Schirmherr Bertin Eichler (erster von links). Foto: Manfred Scherbaum
Wandern für mehr Respekt. Mit dabei: Schirmfrau Sandra Minnert (zweite von links) und Schirmherr
Bertin Eichler (erster von links). Foto: Manfred Scherbaum

Bei der ganztägigen Tour am Samstag war aber nicht nur sportlicher Einsatz gefordert. Bei einer gemeinsamen Vesper-Rast waren auch fünf junge Menschen zugegen, die den Teilnehmenden von ihrem Engagement in Thüringer Bündnissen und Initiativen gegen Rechts erzählten (rechte Box).

Am Ende ihrer Wandertour hatten die Metallerinnen und Metaller das Ziel mehr als erreicht und kamen auf genau 1 206 306 Schritte, die mit Hilfe von Schrittzählern ermittelt wurden.

Wandern für mehr Respekt. 90 Metallerinnen und Metaller erwandern in drei Gruppen über eine Million Schritte. Foto: respekt.tv
Respekt! 90 Metallerinnen und Metaller erwandern in drei Gruppen über eine Million Schritte. Foto: respekt.tv

Literarischer Auftakt am Freitagabend

Zum Auftakt des Respekt-Wander-Wochenendes gab der Schriftsteller Landolf Scherzer im Oberhofer Haus des Gastes eine literarische Kostprobe aus seinem Buch „Die Fremden – Unerwünschte Begegnungen und verbotene Protokolle“. Daraus las Scherzer dem Publikum kleine Anekdoten von Menschen und ihrem Umgang mit Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit – sowohl in der DDR als auch in der heutigen Zeit – vor. „Ich bin gekommen aus Respekt vor ’Respekt!’“, sagte Scherzer. Denn die Dinge seien nicht immer so wie sie scheinen. Und dass, „was sich jemand auf die Fahne schreibt“, sei nicht zwangsläufig auch im Herzen.

Wie sich für einen Afrikaner zum ersten Mal Schnee anfühlt und wie er deutsche Ordnung und Regeln erlebt hat – darüber erzählte im Anschluss Teodoro Cordeiro. Mitte der 80er Jahre kam Cordeiro als Vertragsarbeiter von Mosambik in die DDR und versuchte in Leipzig Fuß zu fassen. Eine gemeinsame Sprache sei sehr wichtig für die Integration. Er selbst habe seinerzeit in der DDR in einem halben Jahr Deutsch gelernt. Heute lebt Cordeiro in Landshut und kümmert sich unter anderem um Integration.

Diskussion zum NSU-Prolzess am Freitagabend: Landolf Scherzer, Yavuz Narin, Teodoro Cordeiro, Gerlinde Sommer, Bernd Lösche, Katharina König, Benjamin Ortmeyer. Foto: respekt.tv
Diskussion zum NSU-Prozess am Freitagabend: Landolf Scherzer, Yavuz Narin, Teodoro Cordeiro, Gerlinde Sommer, Bernd Lösche, Katharina König, Benjamin Ortmeyer. Foto: respekt.tv

NSU-Prozess offenbart notorisches Versagen

In der anschließenden Podiumsdiskussion (rechte Box) stellte Professor Benjamin Ortmeyer sein Konzept für eine Lehrerbildungsanstalt gegen Rassismus vor.

Wie mit Aufklärung und Bildung Vorurteilen und Jobverlustängsten im Betrieb entgegengewirkt werden kann sowie Respekt und ein solidarisches Miteinander möglich sind – das veranschaulichte der Betriebsratsvorsitzende Bernd Lösche am Beispiel von polnischen Arbeitern im Opel-Werk Eisenach.

Der Münchner Opferanwalt Yavuz Narin und Katharina König, die für die Linken im Thüringer NSU-Ausschuss sitzt, gaben tiefgründige Einblicke in den NSU-Prozess. Beide befassen sich mit der Aufklärung der NSU-Morde und offenbarten dem Publikum ein Verfahren, das schockierte und betroffen machte. Yavuz Narin sprach von „dreister und unverschämter Irreführung vor allem durch das Bundesinnenministerium“. Das Hauptproblem sei vor allem das System der V-Leute, welches vom Staat gedeckt wird – mit einem Freibrief zum Radikalismus. In Deutschland gebe es einen systematischen Behördenrassismus, konstatierten beide. Es werde verschleiert, vertuscht, geschwiegen und Verbrechen geduldet. Gefordert sei hier nicht nur, rechtsstaatliche Grundsätze durchzusetzen, sondern auch zivilgesellschaftliches Engagement.

Bertin Eichler: „Ein gelungener Auftakt ... Wir sind stolz darauf, mit diesem Abend hier in Thüringen ein Zeichen zu setzen.“ Foto: respekt.tv

Sowohl Narin als auch König versprachen, jede Chance zu ergreifen, um über den NSU-Fall transparent aufzuklären. Beide werden ihre Arbeit fortsetzen und nicht eher ruhen, bis die Ungereimtheiten aufgedeckt sind.

Am Ende der Podiumsdiskussion waren sich alle Teilnehmenden einig: Das notorische Versagen vor allem der Verfassungsschützer lasse sich nicht mehr mit individuellem Unvermögen erklären.

Für Schirmherr Bertin Eichler war der Abend „ein außerordentlich gelungener Auftakt. Wir haben sehr beeindruckende aber auch schockierende Informationen erhalten und sind stolz darauf, mit diesem Abend hier in Thüringen ein Zeichen zu setzen“.
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