Konferenz Zukunft mobil in Augsburg
Autoindustrie: Mitten im Strukturwandel

Mobilität ändert sich. Damit der Strukturwandel in der Autoindustrie gelingt, sind Gute Arbeit und die Beteiligung der Beschäftigten eine wichtige Voraussetzung – so das Fazit der gemeinsamen Automobilkonferenz der IG Metall-Bezirke Bayern und Baden-Württemberg am 8. und 9. Juli in Augsburg.

12. Juli 201312. 7. 2013


Der europäische Anteil am weltweiten Fahrzeugabsatz ist von 27 Prozent im Jahr 2007 auf aktuell 18 Prozent gefallen. Diese Entwicklung hat weitreichende Folgen. „Die Mobilität wird sich nachhaltig verändern“, stellte Berthold Huber, Erster Vorsitzender der IG Metall fest. Um die Abwanderung der Produktion aufzuhalten, müssten die Beschäftigten stärker beteiligt und qualifiziert werden, forderte er. Dazu seien klare Regeln erforderlich: „Produktionsverschiebungen dürfen nicht zu Lasten der Stammwerke in Deutschland gehen. Die Automobilkonferenz “Zukunft mobil„ am 8. und 9. Juli in Augsburg repräsentierte das Zentrum der Autobranche mit mehr als 500 000 Beschäftigten der Hersteller Audi, BMW, Daimler und Porsche sowie ihren Zulieferern von Bosch bis Schaeffler und ZF. Eingeladen hatten die IG Metall-Bezirke Bayern und Baden-Württemberg.

In Europa schrumpft der Automarkt und wächst auf anderen Kontinenten stark. Im Jahr 2000 wurden in China 600 000 Autos verkauft. 2012 waren es dort mit 13 Millionen erstmals mehr als in ganz Westeuropa zusammen. „Wir werden dort Produktion aufbauen, wo die Märkte wachsen“, das kündigte Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger an und BMW-Personalchefin Milagros Caiña-Andree bestätigte diese Aussage: „Die Produktion folgt dem Markt.“

Gute Arbeit bleibt Maßstab

Auch wenn die BMW-Managerin auf ein „ausgewogenes Wachstum“ setzt, das „zwischen den Standorten eine Balance hält“ – die rund 275 Konferenzteilnehmer forderten einen neuen Marshall-Plan von der Politik, um den Menschen in Europa eine Perspektive zu geben, sowie die wirtschaftliche Basis und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Die beiden Bezirksleiter – Jörg Hofmann für Baden-Württemberg und Jürgen Wechsler für Bayern – forderten eine beschäftigungswirksame Umsetzung der anstehenden technologischen Neuerungen an den deutschen Standorten. Statt Arbeitsbedingungen zu verschlechtern sollten die Unternehmen eine nachhaltige Personalpolitik betreiben. Nur so könne Europa seine Spitzenstellung bei der Mobilität und seine industriellen Kernstrukturen erhalten und weiterentwickeln.

Technologische Innovationen

Die EU-Vorgaben bei der CO2-Reduzierung zwingen Hersteller und Zulieferer dazu, bis spätestens 2020 abgasfreie Antriebe zu entwickeln. Prof. Thomas Bauernhansl, Leiter des Instituts für industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) an der Universität Stuttgart, erläutert die Konsequenzen für Beschäftigte und Unternehmen:

  • Elektrifizierung und Leichtbau vergrößern die ohnehin hohe Komplexität im Automobilbau weiter.
  • Die Qualifikationsanforderungen werden zunehmen.
  • Der Wettbewerb um die Wertschöpfung wird sich verschärfen.
  • Der vernetzte und hoch kompetente Mitarbeiter findet sich in einem dezentralen, sich selbst organisierenden System (Industrie 4.0, smarte Fabrik).
  • Die traditionell getrennten Bereiche von Arbeitern und Angestellten werden weiter miteinander verschmelzen.

Wie wirkt sich die Elektrifizierung der Fahrzeugantriebe auf die Arbeitsplätze in einem idealtypischen Produktionswerk aus? Das hat der Gesamtbetriebsrat des Autobauers Daimler untersuchen lassen. Erich Klemm, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Daimler kommt aufgrund der Forschungsergebnisse zu dem Fazit, dass sich die Zahl der Jobs halten lasse, „wenn die neuen Techniken auch im Werk gefertigt werden“. Das erfordere jedoch ganz neue Kompetenzen und damit die Qualifizierung der Beschäftigten.

Flexibilisierung und Demografie

Flexibilität bleibt weiter ein wichtiger Faktor der Produktionsarbeit in Deutschland. BMW hat dazu einen „Flexibilisierungsbaukasten“ entwickelt, den Manfred Schoch, BMW-Betriebsratsvorsitzender, vorstellte. Der Baukasten enthalte zwölf Bausteine zur Flexibilität, der auch kurzfristige Produktionsschwankungen berücksichtige. Unter anderem können Beschäftigte im Krisenfall bis zu zwei Monaten bei fortlaufendem Grundentgelt zuhause bleiben. Zeitarbeit sei jedoch nicht die richtige Antwort auf Flexibilität, so Schoch. Mit einem Ergänzungstarifvertrag seien die Leiharbeiter bessergestellt worden. „Als nächste große Herausforderung gehen wir die Werkverträge an“, kündigte Schoch an.

Bei Audi hat der Betriebsrat einen Instrumentenkasten Demografie entwickelt, da der Altersdurchschnitt bei fast 42 Jahren liegt. Arbeitsgestaltung, Gesundheit, Personalentwicklung, Führung und Wissenstransfer seien dort geregelt. Peter Mosch, Gesamtbetriebsratsvorsitzender: „Die Fähigkeiten der Beschäftigten werden mit zunehmendem Alter nicht schlechter, sie verändern sich.“


Ein besonderes Qualifizierungsprogramm wurde beim Automobilzulieferer Bosch entwickelt. Beschäftigte ab 40 erhalten eine zweite Chance – so der Titel des Programms, das alle Beschäftigtengruppen einschließt. Facharbeiter werden mit einem Förderprogramm an ingenieursnahe Tätigkeiten herangeführt, erläutert Alfred Löckle, der Vorsitzende des Konzernbetriebs. Das Stipendienprogramm spreche nicht nur Hochschulabsolventen an, sondern auch Un- und Angelernte, die damit die Chance auf einen Berufsabschluss erhalten.


Industriepolitik

Die IG Metall fordert einen nationalen Branchenrat „Zukunft der Mobilität“ unter Beteiligung von Politik, Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Umwelt- und Verbraucherverbänden. Ein positives Beispiel, wie Zusammenarbeit funktionieren kann, sei die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE). Die Vorhaben und Entscheidungen in Politik und Verbänden setzen Rahmenbedingungen fu?r die Zukunft der Betriebe und Arbeitsplätze. Christian Brunkhorst, IG Metall stellte daher fest: „Ein fru?hzeitiges Erkennen und Einflussnahme bei wichtigen Vorhaben sichert uns deshalb Handlungsspielräume.“


In einer Erklärung forderten die Teilnehmer von der Politik einen neuen Marshall-Plan, um die Spitzenstellung Europas bei der Mobilität der Zukunft und seine industriellen Kernstrukturen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Mit dem Marshallplan soll den Menschen in Europa wieder eine Perspektive gegeben, die wirtschaftliche Basis und die Wettbewerbsfähigkeit Europas gestärkt werden.

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