Koalitionsvertrag: Mitbestimmung bleibt, Schutzschirm für Arb...
Koalition zieht aus der Krise keine Lehren

Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP ist unterzeichnet. Das 124 Seiten umfassende Werk birgt für die Arbeitnehmer in Deutschland einige Vorteile, aber auch einige Nachteile. Wir benennen beides.

28. Oktober 200928. 10. 2009


Als IG Metall vertreten wir die Interessen der Arbeitnehmer in Deutschland – vor allem die unserer Mitglieder – und setzen uns für eine gerechte Gesellschaft ein. Nach diesen Kriterien beurteilen wir auch den Koalitionsvertrag. Und daran werden wir ebenfalls die Arbeit der neuen Regierung messen. Der Vertrag selbst enthält keine konkreten Maßnahmen, wie durch die Krise gefährdete Arbeitsplätze weiter gesichert werden. Er enthält auch keine Aussage dazu, wie Unternehmen gestützt werden können, die durch die Krise in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sind.
Zu einer konstruktiven Zusammenarbeit, die arbeitnehmerfreundliche Lösungen voran bringt, sind wir jederzeit bereit.

Was der Koalitionsvertrag den Arbeitnehmern bringt
Die betriebliche Mitbestimmung und auch die Unternehmensmitbestimmung bleiben unangestastet. Bundeskanzlerin Angela Merkal hatte das bereits kurz nach der Wahl zugesagt. Und zumindest nach dem nun unterzeichneten Koalitionsvertrag sieht es so aus, als halte sie ihr Versprechen. Die FDP-Pläne zur Lockerung des Kündigungsschutzes wurden bisher nicht umgesetzt. Ebenso wenig die Idee, Betriebsräte erst in Unternehmen ab 20 Beschäftigten zuzulassen.

Der Arbeitnehmerdatenschutz soll gestärkt werden: Datensammlungen über außerdienstliches Verhalten und nicht dienstrelevante Gesundheitsdaten werden ausgeschloissen. Arbeitnehmer können so gegen Bespitzelung am Arbeitsplatz geschützt werden.

Mit der Idee einer „Chancengerechtigkeit am Start“ hat sich die Koalition ein ambitionierts Ziel für die Bildungspolitik gesetzt. Eingelöst wird das im Koalitionsvertrag noch nicht. Das Zukunftskonto mit einem Startguthaben von 150 Euro pro Kind etwa geht in die falsche Richtung und ist eigentlich eine verkappte Mittelstandförderung. Für die geplante höhere Durchlässigkeit des Ausbildungssystems und eine Verbesserung der Studienqualität fehlen bisher Vorschläge zur Umsetzung. Das duale Ausbildungssystem wird ausdrücklich bestätigt und soll weiter gestärkt werden. Allerdings sollen die Berufsbilder schneller an die Bedürfnisse der Wirtschaft angebpasst werden. Ein Weiterbildungsgesetz sieht die Koalition bisher nicht vor.

Die geplante Neuordnung von Vorstandsgehältern ist sinnvoll: eine Koppelung der Gehälter an langfristigen Unternehmenserfolg und auch eine Festlegung der Höhe durch Hauptversammlungen schaffen mehr Anreize für nachhaltige Unternehmenspolitik.

Die Aussage „in Zukunft darf es kein Finanzmarktprodukt, keinen Finanzmarktakteur und keinen Finanzmarkt mehr geben, die nicht reguliert und beaufsichtigt sind“ teilen wir als IG Metall. Auch eine effektivere und stringentere Regulierung sowohl im nationalen, als auch im internationalen Rahmen tragen wir mit.


Wo der Koalitionsvertrag ungerecht ist
Aus der Krise scheinen Union und FDP keine Lehren gezogen zu haben: ein zentraler Gedanke im Koalitionsvertrag ist, dass der Staat einen Rahmen zur Steuersenkung schafft und der Markt es dann schon regeln wird. Das hat sich bisher nicht als erfoglsversprechend erwiesen. Die Krise hat hier eindeutig das Gegenteil bewiesen. Entlastet werden durch die geplanten Steuersenkungen vor allem Großkonzerne. Der Mittelstand dagegen kann keine Entlastungen erwarten.

Auch wenn sich die neue Regierung grundsätzlich zur Tarifautonomie bekennt, lehnt sie einen einheitlichen Mindestlohn jedoch komplett ab. Und auch an die bestehenden Mindestlohnvereinbarungen will die Koalition ran: sie sollen „überprüft“ werden. Was sich dahinter verbirgt und nach welchen Kriterien sie bewertet werden sollen, bleibt unklar. Das Gesetz zum Verbot von sittenwidrigen Löhnen ist daher ebenfalls eine Mogelpackung.

Auch in der Altersvorsorge haben die Arbeitnehmer das Nachsehen: die Rente mit 67 steht nicht einmal zur Diskussion im Papier und auch die Verlängerung der geförderten Altersteilzeit wird abgelehnt. In der aktuellen Krise, die sich zunehmend am Arbeitsmarkt bemerkbar macht und vor allem junge Menschen besonders hart trifft, ist das die falsche Maßnahme.

Im Bereich Gesundheit und Pflege will die neue Regierung vor allem mehr Wettbewerb. Dass daraus auch Unterschiede und damit auch Ungerechtigkeiten in der Versorgung entstehen, lässt sie unberücksichtigt. In der Pflegeversicherung etwa soll die Kapitaldeckung die Kostensteigerungen auffangen, was angesichts der benötigten Beiträge zu sehr hohen Prämien führt. Das System wird damit den Verwerfungen am Kapitalmarkt ausgesetzt und das Solidaritätsprinzip wird untergraben.

Die Gleichstellung von Männern und Frauen hat die Koalition sich nicht explizit zum Ziel gesetzt. Gesetzliche Regelungen sind nicht vorgesehen, statt dessen wir auf Freiwilligkeit gesetzt.

Was die gesamteuropäische Entwicklung betrifft, zeigen Union und FDP wenig Weitsicht: es ist nicht geplant, einen europäischen Sozialraum mit sozialen Mindeststandards oder Schutz vor Lohn- und Sozialdumping zu etablieren.

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