IG Metall bekommt vor Gericht immer wieder Recht
Betriebsrätemobbing bei Hyundai in Rüsselsheim

Im Entwicklungszentrum des koreanischen Automobilherstellers Hyundai haben Beschäftigte und Betriebsrat wenig zu lachen. Das Gesetz gibt der IG Metall aber immer wieder recht und die Geschäftsleitung muss vor Gericht eine Schlappe nach der anderen einstecken.

29. Oktober 201229. 10. 2012


Damit hatte Tobias Wölfle nicht gerechnet. Als er vor ein paar Wochen vor der Firma Hyundai in Rüsselsheim Flugblätter verteilte, kam ein Mann auf ihn zu gerannt, fuchtelte mit den Armen und rief immer wieder: „Gehen Sie weg“, erzählt der Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Darmstadt. Wölfle und sein Kollege Daniel Bremm dachten gar nicht daran und verteilten weiter. Daraufhin habe sich der Mann schließlich auf die andere Seite des Werktors gesetzt und jedem Beschäftigten das Flugblatt wieder abgenommen.


Tobias Wölfle muss lachen, wenn er die Geschichte erzählt. Dabei ist dem Gewerkschaftssekretär alles andere als zum Lachen zumute, wenn es um das Entwicklungszentrum von Hyundai in Rüsselsheim geht. Seit drei Jahren gibt es dort einen Betriebsrat. Doch der hatte von Anfang an keinen leichten Stand. Ob es um Mehrarbeit, Arbeitssicherheit oder um Urlaubstage ging – fast immer musste der Betriebsrat den Rechtsweg einschlagen.


Die Liste der Verfahren ist lang. Große Wirkung zeigte das alles beim Management nicht. Trotz richterlichem Beschluss halte es sich beispielsweise beim Urlaub oder der Mehrarbeit nicht immer an die Regeln. Und: Nachdem das Unternehmen vor Gericht eine Schlappe nach der anderen einstecken musste, tauchte im Sommer ein Aushang am schwarzen Brett auf. Die Initiatoren beschuldigen den Betriebsrat, gegen die Interessen der Belegschaft zu arbeiten, Mitglieder des Betriebsrats hätten sich bereichert und der Betriebsrat verhindere in vielen Fällen, dass eine Einigung zustande komme. Die Initiatoren forderten, den Betriebsrat aufzulösen. Zu dem Brief gehörte eine Liste, auf der jeder unterschreiben konnte, der dem Inhalt zustimmte. Schnell sammelten sich darunter die Unterschriften der leitenden Angestellten der Firma, inklusive des Personalleiters. Letzten Endes unterzeichneten über 100 Beschäftigte. „Zum Teil sind Vorgesetzte mit den Listen durch die Abteilungen gelaufen und haben die Beschäftigten zur Unterschrift aufgefordert“, sagt Wölfle, „zudem wurde gedroht die, Bonuszahlungen und Gehaltsanpassungen zu verweigern, wenn nicht unterschrieben würde. Wenn man gesehen hat wie sich Beschäftigte unsere Flugblätter abnehmen lassen haben, kann man sich bildhaft vorstellen wie die hohe Zahl der Unterschriften zustande kam.“


Betriebsrat erstickt in Verfahren

Die Geschichte klingt wie aus dem Handbuch für Betriebsräte-Mobbing. Wollen Unternehmen ihre Betriebsräte loswerden, empfehlen ihnen einschlägige Berater genau diese Strategie. Zunächst demontiert die Firma den Betriebsrat in Versammlungen, wirft ihm vor, nur noch seine eigenen Interessen zu verfolgen und fordert, ihn aufzulösen. Im nächsten Schritt provoziert sie einen Gerichtsprozess nach dem anderen. Der Betriebsrat erstickt in Verfahren und hat für seine eigentliche Arbeit kaum noch Zeit. Für die Belegschaft bestätigt sich der Eindruck: Der Betriebsrat beschäftigt sich nur mit sich selbst. Dann folgen Abmahnungen und Kündigungen des Betriebsrats.


Soweit kam es in Rüsselsheim bislang nicht. An anderen Standorten ging Hyundai nach Gewerkschaftsberichten aber auch soweit. Sang-Jun Park, Vize-Präsident der koreanischen Metallgewerkschaft, berichtet, dass er bereits dreimal von Hyundai gekündigt und wegen angeblicher wirtschaftlicher Schädigung inhaftiert wurde. Aus Tschechien erfuhren die Koreaner ähnliche Geschichten. Dort sollen Kranke gekündigt und aktive Gewerkschafter versetzt worden sein. Außerdem gab es Anhaltspunkte, dass Sonderschichten nicht vergütet wurden. Als die Koreaner sich vor Ort ein Bild machen wollten, verweigerte Hyundai ihnen den Zutritt, berichtet Park.


In Rüsselsheim wehrte sich der Betriebsrat nun vor Gericht gegen die Vorwürfe. „Bei der ersten Anhörung bestätigte der Richter unsere Ansichten, worauf sich die Repräsentanten der Firma in einem Vergleich verpflichten mussten, ihre unwahren Behauptungen zu unterlassen“, erzählt Wölfle. „Es war ein Erfolg für uns. Aber das Management hat es intern als unsere Niederlage verkauft. Eine Vorgehensweise des Unternehmens, vor dem uns schon unsere Kollegen von der koreanischen Metallarbeitergewerkschaft aus ihren Erfahrungen mit Hyundai gewarnt hatten.“ Für die Betriebsräte ein nervenaufreibender Kampf um die Wahrheit. Inzwischen mischte sich auch der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, in die Auseinandersetzung ein. Mitte August schrieb er an die Unternehmensführung in Seoul und forderte sie auf, den Betriebsrat in Rüsselsheim nicht länger zu behindern. Die Antwort kam zwei Wochen später. Darin sagte das Unternehmen zu, die lokalen Gesetze zu respektieren und die Vorwürfe mit dem örtlichen Management zu prüfen.


Ein Freundschaftsangebot bekamen die Betriebsräte bislang nicht. Dafür tauchte Mitte September eine weitere Unterschriftenliste auf, wiederum getragen von leitenden Angestellten. Diesmal gegen die IG Metall.

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