Siemens-Aktionstag: Protest gegen geplanten Stellenabbau
Metaller kämpfen wie die Löwen

Die Siemens-Manager beugen sich dem Druck der Finanzmärkte und wollen in Deutschland tausende Arbeitsplätze streichen. IG Metall, Beschäftigte und Betriebsräte fordern stattdessen ein Zukunftskonzept. Wie sehr sie zum Kämpfen entschlossen sind, zeigen sie bei einem bundesweiten Aktionstag.

10. Juni 201510. 6. 2015


Wenn Andreas Raabe über seine Arbeit spricht, mischt sich ein bitterer Unterton in seine tiefe Stimme. „Die Siemens-Familie – das war einmal“, sagt der 44-jährige Metaller. „Du denkst, du hast einen sicheren Job. Aber dann kommen die Einschläge immer näher – und jetzt hat es voll eingeschlagen.“

Raabe hat sein gesamtes bisheriges Berufsleben lang für Siemens in Mülheim gearbeitet, dort schon seine Ausbildung gemacht. Mittlerweile ist er Qualitätsprüfer. Doch jetzt hat er Angst um seine Existenz. Deshalb ist er mit seinen Kollegen nach Duisburg gefahren, zum Siemens-Aktionstag der IG Metall.

Was den Metaller wütend macht, sind die neuesten Hiobsbotschaften aus der Führungstage. Vorstandschef Joe Kaeser will 4500 Arbeitsplätze streichen, 2200 davon in Deutschland. Damit sollen einmal mehr die Beschäftigten ausbaden, was das Management verschlafen hat. Die Reihe der als „Restrukturierung“ verkauften Abbauprogramme ist lang: von „Effizienzprogramm Siemens 2014“ über „1by16“ bis zum aktuellen „PG 2020“. Außer Kürzungen und Stellenabbau scheint dem Management wenig einzufallen.


Entschlossener Protest

Die Beschäftigen wollen das nicht hinnehmen. An Siemens-Standorten in der ganzen Republik gehen sie an diesem Dienstag auf die Straße. Allein nach Duisburg sind mehr als 3000 Siemensianer gekommen. In einem langen Demonstrationszug marschieren sie durch die Stadt, vorbei an der Regattastrecke und dem Stadion des MSV Duisburg. Viele tragen ihre dunkelblauen Arbeitsanzüge, auf dem Rücken das Siemens-Logo.

Auf großen Plakaten zeigen die Kollegen, was ihnen wichtig ist: „Standort D stärken – Margenwahn stoppen“, steht da. Und: „Kampf um jeden Arbeitsplatz“. Eine Gruppe der IG Metall Jugend hat ein abgenagtes Fischgerippe als Motiv gewählt. Darüber die Zeile: „Firmenpolitik bei Siemens“.

Pietro Bazzoli kennt die Wut der Siemens-Beschäftigten. Er ist Betriebsratsvorsitzender im Siemens-Werk Mülheim. Der Standort ist besonders stark von Stellenabbau bedroht, rund 900 Beschäftigte sollen gehen.

„Glaubt der Vorstand, das hat etwas mit Respekt zu tun?“, ruft Bazzoli bei seiner Rede auf der IG Metall-Bühne. „Die Belegschaft in Mülheim ist innovativ.“ Stellenabbau sei „geschäftsschädigendes Verhalten.“ Die Beschäftigten würden das nicht mitmachen. „Wir werden kämpfen wie die.“, ruft Bazzoli immer wieder. „.Löwen“, rufen die versammelten Metaller zurück, jedes Mal ein bisschen lauter.

Im Video – der Siemens-Aktionstag in Berlin:

 


Standort Deutschland stärken

Nicht minder kämpferisch fällt die Rede von Jürgen Kerner aus, IG Metall-Vorstandsmitglied und Aufsichtsrat bei Siemens. Er kritisiert Siemens-Chef Joe Kaeser – für dessen Aussage, aus Deutschland kämen keine neuen Aufträge und Siemens müsse deshalb Produktion ins Ausland verlagern. „Nur noch dort produzieren, wo viel Nachfrage ist? Wer das sagt, der verabschiedet sich vom Standort Deutschland“, stellt Kerner klar.

Kerner setzt dagegen auf die seit langem erhobenen Forderungen der IG Metall: Neue, bessere Produkte und Technologien müssen her. Investitionen in Forschung und Entwicklung und ein langfristiges Konzept für den deutschen Markt. „Wer auf der Autobahn fährt und nur Gegenverkehr hat, sollte die Ursache bei sich selbst suchen“, sagt Kerner.

Robert Kensbock, stellvertretender Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, sieht es genauso: „Das Management hat viele Fehler gemacht, aber schuld sollen immer die anderen sein“, ruft er von der Aktionstag-Bühne. Beispiel: Kürzungen bei Forschung und Entwicklung. „Dadurch ist die Technologieführerschaft verloren gegangen.“

Und auch Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW, attackiert das Siemens-Management: Wer statt an langfristige Konzepte nur an Stellenabbau denke, sei „ideenlos“; wer Beschäftigten nahelege, doch einfach mit ihrem Arbeitsplatz in die USA umzuziehen, den könne man nur „weltfremd“ nennen.


Zeichen der Solidarität

Beim Aktionstag in Duisburg wird klar: Siemens hat motivierte und engagierte Beschäftigte, die wissen, dass sie sehr gute Arbeit leisten. „Wir sind Siemens“, ist auf dem Kundgebungsgelände immer wieder zu hören.

Die Botschaft dieses Aktionstages ist deshalb trotz allem eine hoffnungsvolle: Die Siemens-Beschäftigten stehen solidarisch zusammen. Und sie haben sich noch längst nicht mit den Plänen zum Stellenabbau abgefunden. Der Tag hat viele in ihrem Motto bestärkt: „Wir werden kämpfen wie die Löwen.“

Im Video – der Siemens-Aktionstag in Nürnberg:

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