Vorwerk
„Wir können uns vor Arbeit nicht retten“

Die Firma Vorwerk steht heute glänzend da. Vor ein paar Jahren sah das noch ganz anders aus. D


Im Jahr 2010 waren bei Vorwerk in Wuppertal die Verkaufszahlen der Staubsauger stark zurückgegangen. Die wirtschaftliche Lage für Vorwerk Deutschland sah in dieser Sparte alles andere als rosig aus. Der Vorstand wollte unter anderem 75 Service-Center und Werkstätten schließen und die dort beschäftigten Mitarbeiter entlassen. Für Vorwerk arbeiteten damals insgesamt 720 Beschäftigte, davon rund 300 in Wuppertal und 420 an verschiedenen deutschen Standorten. „Wir sagten damals: Nur über unsere Leiche akzeptieren wir diese Maßnahme“, so die engagierte Betriebsratsvorsitzende Heidrun Schenk. „Mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, kämpfen wir um die Standorte und die Arbeitsplätze.“

 

Lieblose Schaufenster – schlechte Lagen

Betriebsrat und Belegschaft überlegten fieberhaft, wie man den Vertrieb verbessern könnte. Drei Monate kamen sie regelmäßig zum Aktiventreff in einer Brauerei zusammen, argumentierten, schmiedeten Pläne. Dann entstand die Idee, von den Service-Centern und Standorten Infos zu sammeln und Fotos zu machen. Crowdsourcing würde man das heute nennen. Die Fotos von den Vorwerk-Standorten aus ganz Deutschland präsentierte der Betriebsrat dem Vorstand in der Betriebsversammlung.

Das Ergebnis der Recherche war für Vorwerk entlarvend: Die Service-Center und Werkstätten fristeten ziemlich lieblos, versteckt und ohne Schaufenster in Hinterhöfen und oberen Etagen ein trübes Dasein. Die Belegschaft machte auch gleich Vorschläge, wie es besser laufen kann: Zum Beispiel Umzüge der Service-Center in bessere Lagen wie Fußgängerzonen, Zusammenschlüsse mit anderen Firmen wie etwa der Post, Verkauf von zusätzlichen Geräten, längere Öffnungszeiten und natürlich alle Shops mit dekorativen Schaufenster.
 

 

Gigantische Entwicklung

Die Strategie geht auf: Mit basisdemokratischen Mitteln und den besseren Argumenten wird eine Einigung erzielt. Sechzehnmal verhandelt der Betriebsrat mit dem Vorstand. Er vereinbart mit dem Betriebsrat und der IG Metall, in Inneneinrichtungen und Umzüge zu investieren. Seitdem hat sich bei Vorwerk durch größere Flexibilität der Service-Center und ein Provisionssystem der Fachberater viel getan.

Das Unternehmen hat eine weitere Umstrukturierung hinter sich und die Produktpalette umgekrempelt. Der Umsatzbringer Nummer eins ist heute die Küchenmaschine Thermomix. Das Gerät ist so gefragt, dass Kunden drei Monate auf die Auslieferung warten müssen. „Vorwerk hat eine gigantische Beschäftigungsentwicklung erlebt und ist inzwischen ganz anders aufgestellt“, sagt Torsten Lankau von der IG Metall Wuppertal. Vorwerk hat es geschafft, sowohl den Direktvertrieb zu stärken, als auch im Internet und in Shops zu verkaufen. Der neue Vorstand geht nun sogar bewusst in sehr gute Lagen wie Fußgängerzonen, vermarktet die Vorwerk-Produkte über E-Commerce, und hat einen Flagship-Store in Hamburg.
 

 

Verlagerung verhindert

„Der Betriebsrat war in jeder Situation ein aktiver Begleiter, der die Veränderungen mit vorangetrieben hat und der die Neuausrichtung des Vertriebs ganz maßgeblich beeinflusst hat“, sagt Lankau. Nur durch das Engagement von Betriebsrat und Belegschaft war dieser Erfolg möglich. Den Erfolg betrieblicher Mitbestimmung kann man auch an der Beschäftigungsentwicklung ablesen: Heute arbeiten 822 bei Vorwerk, rund 100 mehr als vor fünf Jahren. Allein in den neu zu eröffnenden Shops sollen bis Ende 2016 etwa 240 Arbeitsplätze entstehen. „Eine eigenständige Retail-Gesellschaft konnten wir als Betriebsrat ebenso verhindern wie die Verlagerung der Reparatur ins Ausland“, freut sich Betriebsratsvorsitzende Heidrun Schenk. „Wir können uns vor Arbeit nicht retten und reden derzeit mit dem Arbeitgeber nur über Einstellungen.“

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