Beschäftigung: Transfergesellschaften helfen bei der Jobsuche
Zeit gewinnen

Wenn nichts anderes mehr geht. Wenn alle anderen Instrumente zum Arbeitsplatzerhalt ausgereizt sind, dann bleibt der IG Metall und ihren Betriebsräten oft nur noch ein Mittel, um Entlassungen abzufedern: ein Sozialplan und eine Transfergesellschaft.


Stephan Hormann hat gekämpft. Mehr als drei Monate hat der 25-jährige Energieelektroniker Transparente gemalt, bei Warnstreiks mitgemacht und ist sogar bis zur Siemens-Zentrale nach München gefahren, um dort zu protestieren. Er hatte gehofft, die Geschäftsleitung würde es sich nochmals anders überlegen. Stephan Hormann hatte geglaubt, das vorgelegte Sanierungskonzept der IG Metall würde Gehör finden. Doch die Manager bei Mdexx in Bremen, einer ehemaligen Siemenstochter, blieben stur. 200 der 500 Arbeitsplätze werden nach Tschechien verlagert. Punkt. Ende. Aus.

„Mit dieser Ankündigung wurden die Metallerinnen und Metaller bei Mdexx erst so richtig sauer“, erinnert sich Betriebsratsvorsitzender Herbert Strosetzky. Im Herbst 2009 ging der Kampf um einen Sozialplan los.Wenn schon die profitablen Transformatoren künftig in Tschechien gebaut werden sollen und wenn dafür Kündigungen drohen, dann ja wohl bitte mit einem anständigen Sozialplan. Darin waren sich Beschäftigte, Betriebsrat und die Bremer IG Metall einig. „Siemens hatte Mdexx verkauft, um sozusagen unbequeme Altlasten los zu werden. Mdexx aber war und bleibt ein von Siemens völlig abhängiger Zulieferer. Das konnte ja wohl nur heißen, dass der große Münchner Konzern tief in die Tasche greifen musste“, erklärt Peter Stutz von der Bremer IG Metall. Für ihn und Betriebsrat Strosetzky steht auch fest: „Die Beschäftigten bei Siemens schauen auf Mdexx, denn was hier passiert ist, kann auch anderen Siemens-Beschäftigten blühen.“


Arbeitskampf

In einer Nacht-und-Nebel- Aktion wurden die Kündigungen in die Briefkästen geworfen. Wieder Transparente, Flugblätter, Warnstreiks, Trillerpfeifen. Die Belegschaft kämpfte nun solidarisch für jeden, den es treffen sollte.

„Das war Nervenkrieg auf beiden Seiten“, erinnert sich Betriebsrat Strosetzky. Schließlich griff Siemens im Dezember dann doch sehr tief in die Tasche: Mehr als 17 Millionen Euro erstritten die Mdexx-Beschäftigten. Ein Sozialplan, der sich sehen lassen kann: Für alle, die in den nächsten Monaten gehen müssen, gibt es zwei Optionen: Entweder mit etwas mehr Abfindung direkt in die Arbeitslosigkeit. Oder sie entscheiden sich für ein Jahr bei der Transfergesellschaft Küste, der „TGK Mdexx“. Die AGS, die „Agentur für Struktur und Personalentwicklung“, ist auf Zeit mit dem Management der Transfergesellschaft beauftragt. Und die TGK organisiert die Qualifizierungsmaßnahmen in Kooperation mit zertifizierten regionalen Bildungsträgern. Die IG Metall Küste hat dazu mit der AGS Mindestbedingungen vereinbart. „Der Vertrag regelt gewerkschaftliche Qualitätsstandards wie beispielsweise die Tarifbindung“, sagt AGS-Geschäftsführer Oliver Fieber. Bezahlt wird das Jahr in der Transfergesellschaft zum Teil vom Arbeitsamt und zum größten Teil aus dem Sozialplan. Damit auch alles korrekt läuft, kontrollierte ein Beirat aus Betriebsräten und IG Metall- Beschäftigten die TGK Mdexx.


Tranfergesellschaft gibt Zeit, sich zu orientieren

Jeder, der schon mal arbeitslos war, weiß: Auch hohe Abfindungen sind schnell aufgebraucht. BisHartz IV ist es nur ein kurzer Weg. Und das Arbeitsamt nervt mehr als das es berät oder gar hilft. Genau hier setzt die Tranfergesellschaft an: Sie gibt Zeit, sich zu orientieren, neue Perspektiven zu suchen oder sogar mal was Risikoreiches auszuprobieren. „Wer einen neuen Job findet, nimmt das Angebot an und sein Vertrag mit uns ruht. Falls der neue Job nix ist, kommt er wieder zu uns zurück“, erklärt AGS Geschäftsführer Fieber.

Zeit gewinnen Zeit nutzen ist das Gebot der Stunde. Sehr gute Argumente. „Fast alle, die bei Mdexx eine Kündigung bekamen, wollen lieber ein Jahr lang in die Transfergesellschaft, um nicht sofort in der Arbeitslosigkeit oder nach der psychischen Belastung der letzten Zeit sofort bei einer Leiharbeitsfirma mit ungewisser Zukunft zulanden“, betont Strosetzky. Im Fall Mdexx gilt außerdem: Wer sich für die Transfergesellschaft entscheidet, erhält eine Abfindung und für zwölf Monate 85 Prozent des alten Gehalts. „Und oben drauf gibt es bei uns persönliche Beratung, Bewerbungstraining und Weiterbildungskurse“, erklärt Fieber. Das alles ist freiwillig, zu den Angeboten wird keiner gezwungen. „Aber die meisten merken schnell, dass es was bringt“, sagt Stephan Hormann. Wie zum Beispiel Claas Pofahl, 27 Jahre alt. Er war Montierer und Wickler bei Mdexx. Erst vor gut 18 Monaten schaffte er den Sprung aus der Leiharbeit in die Festanstellung. Und dann kam die Kündigung. Seit Februar ist er bei der AGS. Bewerbungstraining und Beratung haben ihm was gebracht: „Meine Bewerbungsmappe war danach so gut, dass ich nun eine Stelle im Bereich Windkraft in Aussicht habe“, freut er sich.


Erfolgreiche Zahlen

Claas Pofahls Geschichte ist kein Einzelfall. Während er von den vielen Perspektiven in seiner Transfergesellschaft schwärmt, präsentiert Oliver Fieber auf einer Pressekonferenz im Nachbarraum konkrete Zahlen. Im vergangenen Jahr ging die Schichau Seebeck Shipyard in Bremerhaven in Insolvenz. 277 Beschäftigte kamen in eine Transfergesellschaft. Über die Hälfte war über 50 Jahre alt. Dennoch konnten 66 Prozent vermittelt werden. „Das ist ein großer Erfolg“, freut sich Oliver Fieber. „Nicht nur die Arbeitnehmer profitieren vom Transferprojekt. Auch ist es gelungen, das Knowhow der Beschäftigten in der Seestadt zu halten“, betont Karsten Behrenwald von der IG Metall in Bremerhaven. Ob bei der Schichau Seebeck Shipyardo der Mdexx: Am Anfang stand der Kampf um einen anständigen Sozialplan. „Klar habe ich jetzt meinen alten Job verloren. Das ist sehr traurig. Aber wir haben es dem Arbeitgeber nicht leicht gemacht, Stellen zu verlagern. Mit dem Sozialplan hat die Belegschaft Mdexx in die Verantwortung genommen“, betont Stephan Hormann.

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