Als 2015 viele Menschen nach Deutschland flüchteten, spürte Michael Hellriegel: „Da sind viele gefordert, um das zu bewältigen.“ Der Betriebsrat sammelte Spenden und überlegte, wie sie geflüchteten Menschen bei einem Neuanfang helfen können. Da die meisten keine Arbeitserlaubnis haben, kamen reguläre Jobs nicht infrage, Praktika schon.
Der Betriebsrat fragte in allen Abteilungen, wer Praktika für Geflüchtete anbieten kann. Die Antwort: sehr viele. Die Unternehmensleitung zog mit und die Agentur für Arbeit schickte Bewerber. 2016 bekamen elf Geflüchtete Praktika im Leipziger Werk und Mindestlohn. „Bezogen auf die Beschäftigtenzahl sind wir damit Spitzenreiter im Konzern“, sagt Hellriegel. Nach dem Praktikum versucht der Betriebsrat, den jungen Menschen eine Ausbildung zu vermitteln. Ein junger Mann lernt Elektroniker im Werk, zwei weitere beginnen im August eine Ausbildung als Industrieelektriker. Die nächsten Praktikanten sind schon da.
Für Hellriegel braucht es drei Dinge, um Geflüchteten zu helfen. „Guten Willen, eine Betriebsleitung, die es unterstützt, und einen Buddy.“ Bei Siemens in Leipzig hat jeder Praktikant einen Betreuer. Buddy-System nennt es der Betriebsrat. Auch Michael Hellriegel begleitet einen jungen Mann. Er half ihm, sich für einen Schulabschluss anzumelden, und ging mit ihm zur Ausländerbehörde. Das Projekt nutzt nicht nur Geflüchteten. „Wo lernt man sonst im Alltag geflüchtete Menschen kennen?“, fragt Hellriegel. „Bei uns können sich Beschäftigte selbst ein Bild machen, wer diese Menschen sind und was sie erlebt haben.“
Siemens Valeo: Ohne den Betriebsrat ändert sich keine Schicht
Ohne den Betriebsrat geht bei Valeo Siemens in Sachen Schicht nichts. Ändert sich etwa die Auftragslage und will der Arbeitgeber für ein halbes Jahr auf 18 Schichten hochfahren, bestimmt der Betriebsrat mit. Er prüft, ob tatsächlich so viele Schichten gebraucht werden und ob das vorhandene Personal ausreicht oder zusätzliche Kräfte eingestellt werden müssen. Für Betriebsrätin Nadine Knauff ist es das Besondere an der Vereinbarung, die der Betriebsrat Anfang des Jahres abgeschlossen hat. „Wir haben kein völlig neues Schichtsystem erfunden. Wir haben eine Mantelbetriebsvereinbarung entwickelt, die festhält, dass der Betriebsrat jeder neuen Schichtphase zustimmen muss.“
„Der Übergang von einem Industriebetrieb zu einer Automobilgesellschaft war nicht ganz einfach. Da wurde auf einmal viel mehr Flexibilität von uns verlangt“, sagt Nadine Knauff. Gleichzeitig zog die Auftragslage an, so dass fünf Tage pro Woche nicht ausreichten, um die Arbeit zu schaffen, und der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat über eine 6-Tage-Woche verhandeln wollte.
Viele Beschäftigte fühlten sich von dem Vorstoß überrumpelt. Der Betriebsrat bildete zunächst Arbeitsgruppen und wollte wissen, was sich die Beschäftigten für ihre Arbeitszeit wünschen. Heraus kam ein Schichtbaukasten, aus dem je nach Auftragslage ein Modell gezogen werden kann und der auch den Beschäftigten Selbstbestimmung und Flexibilität einräumt.
„Eine 6-Tage-Woche ist nicht schön, aber wenn es die Auftragslage erfordert, wollen wir möglichst viele Wünsche unserer Kolleginnen und Kollegen berücksichtigen“, sagt Nadine Knauff. Zurzeit testen sie zwei Modelle bei Valeo Siemens: eine 6-Tage-Woche mit 6 Stunden pro Tag und eine 6-Tage-Woche mit 8 Stunden pro Tag und einer freien Woche im Monat. Jetzt möchte der Betriebsrat wissen, welches Modell die Beschäftigten besser finden.