Zeitschrift Gute Arbeit – Mai 2011
Vorrang für präventiven Arbeitsschutz

Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen sind in vielen Betrieben gängige Praxis. Doch Vorsicht: Solche Untersuchungen dienen in erster Linie nicht dem Arbeits- und Gesundheitsschutz, sondern vielmehr der selektiven Personalauslese. Die vorrangige Aufgabe von Betriebsärzten ist jedoch, ...


... Gesundheitsschäden zu vermeiden anstatt eingetretene Schäden festzustellen.

Der Arzt im weißen Kittel, der im Untersuchungszimmer Patienten empfängt, untersucht und berät. Dieses Bild hält sich hartnäckig – selbst unter Medizinern. Nur allzu oft wird die Arbeitsmedizin als Untersuchungsmedizin unterfordert. Hinzu kommt, dass viele Untersuchungen in den Betrieben sich nicht unbedingt von der Aufgabe der Arbeitsmedizin ableiten lassen und zu menschengerechter Arbeit beitragen.

Selektion statt Arbeitsschutz
Selbst wenn in vielen Betrieben Einstellungsuntersuchungen üblich sind, stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage die Betriebsärzte diese eigentlich durchführen. Denn oft untersucht der Betriebsarzt eines Unternehmens Bewerber – unabhängig von dem konkreten Arbeitsplatz, den sie zukünftig besetzen sollen. Weder das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) noch die Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) bieten für solche Untersuchungen die rechtliche Grundlage.

Mit solchen Untersuchungen wollen sich Betriebe in erster Linie von dem Risiko entlasten, kranke beziehungsweise gesundheitlich beeinträchtigte Menschen einzustellen. Eine solche Selektion hat mit Arbeitsschutz nichts im geringsten zu tun. Deshalb sollten Betriebsräte darauf pochen, dass der bestellte Betriebsarzt solche Untersuchungen nicht ausführt.

Aber auch Tauglichkeits- oder Eignungsuntersuchungen sind nicht Aufgabe eines Betriebsarztes gemäß ASiG und ArbMedVV. Denn sie dienen ebenfalls der Personalauslese. Nur wenn der Gefährdungsschutz tatsächlich nicht anders machbar ist, sollten Betriebsräte diesen Untersuchungen zustimmen.

All’ diese genannten Gesundheitschecks haben mit Arbeits- und Gesundheitsschutz nichts zu tun. Für Unternehmen sind sie Teil einer selektiven Personalpolitik. Denn sie betrachten nicht die Arbeitsplätze, sondern die Menschen, die für den Job gesund und fit sein sollen.

Kriterien für Pflichtuntersuchungen
Als Mittel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bedarf es generell verbindlicher Kriterien für die Untersuchungen:

  1. Sie müssen ein diagnostisches Potenzial haben. Das heißt, es muss möglich sein, tatsächlich Erkenntnisse über mögliche Erkrankungen zu erzielen.
  2. Sie dürfen die Untersuchten nicht zusätzlich körperlich belasten.
  3. Es muss möglich sein, frühzeitig einen Gesundheitsschaden zu erkennen, eine Heilung einzuleiten und präventiv tätig zu werden. Dies ist eine wesentliche Aufgabe der Untersuchungen im Betrieb gegenüber anderen klinischen Untersuchungen: die Rückwirkung auf die Arbeitsplätze. Denn es geht darum, mithilfe der Untersuchungen die Verhältnisse an den Arbeitsplätzen zu verbessern.


Die Autorin
Petra Müller-Knöß ist Gewerkschaftssekretärin im Ressort Arbeits- und Gesundheitsschutz beim IG Metall Vorstand und dort u. a. zuständig für betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsmedizin.

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