Tarifrunde Metall und Elektro 2015
In Trippelschritten zur Lösung?

In Sindelfingen endete gestern die dritte Verhandlung für Baden-Württemberg mit „kleinen Trippelschritten“ der Arbeitgeber. „Langsam wird’s eng“, so der IG Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Obwohl bereits bundesweit eine halbe Million Warnstreikende eindrucksvoll für die Forderungen ...

12. Februar 201512. 2. 2015


... demonstriert haben, ist weiterer Druck nötig. Für Baden-Württemberg wird am 23. Februar in Böblingen weiterverhandelt.

Mindestens ein Dutzend Mal haben IG Metall und Arbeitgeber inzwischen verhandelt – addiert man alle Verhandlungen in den Tarifgebieten seit Anfang diesen Jahres. Auch in der dritten Runde in Baden Württemberg bewegten sich die Arbeitgeber kaum.


Südwestmetall, der Arbeitgeberverband Baden Württemberg, konkretisierte zwar das bisherige Angebot zur Altersteilzeit, doch beim Thema Bildung lehnen die Arbeitgeber den von der IG Metall geforderten Anspruch auf finanzielle Förderung von Weiterbildung nach wie vor ab. Und das bisherige Arbeitgeber-Angebot von 2,2 Prozent Entgelterhöhung für zehn Monate besserten die Arbeitgeber nicht nach. Die Verhandlung für die Beschäftigten im Südwesten wurde auf den 23. Februar in Böblingen vertagt. „Südwestmetall macht nach wie vor nur Trippelschritte statt mal einen Sprung zu wagen – so erreichen wir die Ziellinie nie“, erklärte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter für Baden Württemberg.


Eindrucksvolle Aktionen und Warnstreiks gab es inzwischen viele – bereits zu Beginn der Warnstreikphase. Auch die gestrige Verhandlung in Sindelfingen wurde von bunten und lauten Protesten der Jugend begleitet. Unter dem Motto „Keine Angst vorm bösen Wolf“ veranstalteten rund 2000 junge Metallerinnen und Metaller in Anlehnung an den gleichnamigen Arbeitgeberpräsidenten von Südwestmetall einen Demonstrationszug zum Verhandlungslokal. Und am 14. Januar drängten sich in der Augsburger Altstadt etwa 2500 Beschäftigte aus ganz Bayern. Dort war an diesem Tag die erste Tarifverhandlung für Bayern. Lautstark, mit Trommeln und Trillerpfeifen, empfingen die Beschäftigten die Arbeitgeber. Auf Transparenten standen Sätze wie: „Ohne Bildung keine Zukunft“. Die vielen Menschen machten klar, dass sie hinter den Tarifforderungen stehen und entschlossen sind, gemeinsam dafür zu kämpfen.

Bereits schon nach den ersten Verhandlungen war den Metallerinnen und Metaller klar, dass massive Warnstreiks notwendig sind, um Bewegung in die Verhandlungen zu bringen.
Das Angebot der Arbeitgeber in der zweiten Runde kam einer Provokation gleich: 2,2 Prozent für zehn Monate, 2 Monate für keinen Cent mehr. Die Altersteilzeit wollen sie nur für besonders Belastete und den Anspruch von vier auf zwei Prozent halbieren. „Die Arbeitgeber wollen Menschen billig loswerden, die krank und kaputt sind“, sagt dazu Jörg Hofmann, zweiter Vorsitzender der IG Metall. Und die „unverbindlichen Erklärungen und Gespräche über Bildungsteilzeit für Un- und Angelernte“ kritisiert Hofmann als „verantwortungslos“. Die Arbeitgeber „machen sich ’nen schlanken Fuß, wenn es darum geht, Verantwortung in unserer Gesellschaft zu übernehmen!“

Ob in Aschaffenburg, Mülheim oder wie gestern in Sindelfingen: Die Arbeitgeber bewegen sich nur minimal. „Unsere Geduld ist endlich“, sagte Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter für Baden Württemberg nach der dritten Verhandlung in Sindelfingen. Die Metallerinnen und Metaller haben das Signal verstanden: Ohne verstärkten Druck ist offensichtlich ein besseres Angebot nicht zu haben.


Bildungsinvestitionen im Promillebereich

Eine Bildungsteilzeit bewerten die Unternehmen ohnehin als „überflüssig“. Die Betriebe, so Rainer Dulger, Präsident von Gesamtmetall, „investieren schon jährlich acht Milliarden Euro in Aus- und Weiterbildung.“ Und bei der Altersteilzeit müsse man „hinterfragen, ob es überhaupt einen Anspruch geben sollte.“ Ihr Kommentar zur Lohnforderung: „Es gibt nicht viel zu verteilen. 2,2 Prozent müssen reichen.“ Die Fakten sehen anders aus. Beispiel Bildung: Die vier Milliarden für Weiterbildung landen weitgehend in Anpassungsqualifizierungen an neue Maschinen und Abläufe. Nur zehn Prozent fließen in längerfristige Maßnahmen, die Beschäftigten Rüstzeug für die Arbeitswelt von morgen vermitteln. Im Verhältnis zum Umsatz der Metallbranchen – eine Billion Euro – entspricht das gerade 0,4 Promille.

„Schon jetzt ändern sich die Bedingungen an unseren Arbeitsplätzen ständig und so stark, dass alle sich permanent weiterbilden müssen. Besonders die Jungen“, sagt Eva Wohlfahrt, 25, beschäftigt bei Bosch Rexroth in Schweinfurt. Beispiel Altersteilzeit: Noch im Juni 2014 waren von den Arbeitgebern dazu andere Töne zu hören. Sie erklärten, sie wollten sie langfristig weiterführen. Jetzt stellen sie sie in Frage. „Damit provozieren sie den Konflikt“, sagt Jörg Hofmann, der Zweite Vorsitzende der IG Metall.

Berechtigt und durchdacht

Denn der Bedarf wird immer größer, da die Belegschaften älter werden. Altersteilzeit ist zudem ein wichtiges Instrument für eine ausgewogene Altersstruktur. „Wir brauchen verlässliche flexible Ausstiegsmöglichkeiten – zu Bedingungen, nach denen jeder und jede sie sich leisten kann,“ sagt Jörg Hofmann. Ob Bildungs- oder Altersteilzeit: Weder das eine noch das andere darf zum Willkürakt des Chefs werden. Die IG Metall setzt sich für verbindliche tarifliche Regelungen ein. Alle drei Forderungen der IG Metall sind berechtigt, durchdacht und finanzierbar.

Das gilt auch für die 5,5 Prozent Entgeltforderung. Die Wirtschaft wächst. Die Metall- und Elektrofirmen haben 2014 rund 52 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Würden die Entgelte um die kompletten geforderten 5,5 Prozent steigen, würde das die Firmen gerade mal 12Milliarden Euro kosten. Das sind, gemessen am Umsatz, 1,2 Prozent. Seit September haben sich die Rahmenbedingungen in der Gesamtwirtschaft verbessert. Für 2015 und 2016 rechnen die Experten mit einer positiven Entwicklung. „Die Arbeitgeber müssen spüren, dass wir hinter allen Forderungen stehen“, sagt Eva Wohlfahrt. Die Beschäftigten müssen ihre Forderungen mit Aktionen und massiven Warnstreiks unterstützen. Nur so lässt sich die Ablehnungsfront der Arbeitgeber durchbrechen. „Je mehr Menschen die Tarifrunde zu ihrer Sache machen und sich beteiligen“, sagt Jörg Hofmann, „desto stärker sind unsere Argumente“.
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