Kfz-Branche in Hessen: Kampf der Tarifflucht
Autohaus-Beschäftigte erstreiten Tarifvertrag

Die Kfz-Branche ist für die IG Metall ein Großkampfgebiet. Immer mehr Arbeitgeber wollen sich aus der Tarifbindung verabschieden. Doch der Trend lässt sich stoppen. Das haben die Beschäftigten in einem Autohaus im hessischen Dieburg bewiesen.

20. Mai 201520. 5. 2015


Wenn ein freier Mercedes-Händler in die Insolvenz schlittert, dann gibt es mehrere Möglichkeiten. Die wohl schlechteste ist: Das Autohaus macht dicht, die Beschäftigten verlieren ihre Jobs.

Eine Alternative: Die Daimler-Tochter mit dem etwas sperrigen Namen „Anota Fahrzeug Service- und Vertriebs GmbH“ übernimmt den Standort. Genau das geschah vor einigen Jahren mit der Mercedes-Niederlassung in der hessischen Kleinstadt Dieburg, südlich von Frankfurt am Main.


Magere Zeiten

Doch die Rettung durch den Konzern hatte für die rund 30 Beschäftigten des Autohauses eine Kehrseite. Ihr neuer Arbeitgeber, die Anota Fahrzeug Service- und Vertriebs GmbH Dieburg, trat aus der Kfz-Innung aus. Damit ging auch die Tarifbindung verloren.

Für die Belegschaft begannen magere Zeiten: Von Tariferhöhungen, die die IG Metall im hessischen Kfz-Gewerbe erzielte, sahen sie nichts. Gleichzeitig wurde die Arbeitszeit angehoben – auf 40 Stunden pro Woche.

„Der Betriebsübergang zog de facto ein Tarifflucht nach sich“, berichtet Helge Thomas, der zuständige IG-Metall-Sekretär aus Darmstadt. „Als ich den Betrieb ins Visier nahm, habe ich dort einen tariflosen Zustand vorgefunden.“

Thomas machte sich an die Arbeit, mobilisierte die Kollegen. Sie ließen sich T-Shirts drucken, mit dem Schriftzug: „Anota – Arbeitnehmer ohne Tarifbindung“. Die trugen sie bei der Arbeit, auch vor den Kunden. Das große Plus dabei: 90 Prozent der Belegschaft war in der IG Metall. „Heute sind wir fast bei hundert Prozent“, sagt Thomas.


Erfolgreicher Kampf

Die deutlich signalisierte Kampfbereitschaft hat sich ausgezahlt. Seit dem 1. April gilt für die Dieburger Anota-Beschäftigten ein neuer Tarifvertrag. Anota hat mit der IG Metall einen Anerkennungs-Tarifvertrag geschlossen.

Darin ist festgeschrieben, dass die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden schrittweise wieder auf 36 Stunden sinkt. Die Entgelte werden in den kommenden drei Jahren an das Niveau des Flächentarifvertrags des hessischen Kraftfahrzeug-Gewerbes angeglichen. Der drei Jahre dauernde Kampf der Metaller war letztlich erfolgreich.

Verhandlungsführer Helge Thomas sagt, dass es auf der Arbeitgeberseite eine grundsätzliche Bereitschaft zum Tarifabschluss gab. Doch er sieht bei den Anota-Managern noch ein anderes Interesse. „Übernommene Autohäuser sollen oft wieder an freie Händler verkauft werden. Das ist schwieriger, wenn dort ein Tarifvertrag gilt.“

Die Tarifflucht bei Anota Dieburg ist deshalb kein Einzelfall. An anderen Anota-Standorten kämpfen die Beschäftigten mit ähnlichen Problemen. Das Beispiel des Dieburger Autohauses zeigt: Wenn viele Kollegen in der IG Metall sind, können sie die Tarifflucht gemeinsam stoppen.

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