Fachkräftemangel und Lohngefälle in Ostdeutschland
Vom homo ausbildicus zum homo abwanderus

Der Anteil der Jungen nimmt in einigen Regionen in Ostdeutschland dramatisch ab. In Südbrandenburg verlassen nach der Schule oder Ausbildung viele ihre Heimat, weil sie dort keine Perspektive sehen. Gegen den Teufelskreis macht die IG Metall mit der Roadshow vor Ort mobil.

23. August 201223. 8. 2012


„Die Abwanderung hier ist hoch, viele junge Leuten packen dauerhaft ihre Koffer, weil sie keine Zukunftschancen sehen“, klagt der IG Metall-Bevollmächtigte von Südbrandenburg, Ralf Köhler. „Der Anteil junger Menschen an der Bevölkerung nimmt dramatisch ab. Wenn der Trend anhält, wird 2030 wird nur noch ein Viertel der Menschen hier 40 Jahre und jünger sein. Der Fachkräftemangel wird zum Standortproblem der Region, die an Attraktivität und Innovationspotenzial verliert.“ Um dieses Schreckensszenario abzuwenden, mobilisiert Köhler die Öffentlichkeit. So wie diese Woche in Finsterwalde mit der Roadshow der IG Metall. Motto: „Zukunft für die Metallregion – Ein Herz für Azubis“.

Aussterbende Spezies

Die Veranstaltung in Finsterwalde fügt sich in die bundesweite Kampagne der IG Metall „Gemeinsam für ein gutes Leben – Arbeit sicher und fair“. Auf dem Marktplatz der südbrandenburgischen Stadt dreht sich ein Riesen-Dart. Ein Boden-Scrabble breitet sich zu Füßen der Passanten aus. Im Mittelpunkt steht der IG Metall-Stand mit dem Infomobil. Und eine Präsentation der besonderen Art zeigt das, was der IG Metall in der Region besonders am Herzen liegt: die Junge Generation.



Wie in einem Museum ist der „homo ausbildicus“ als aussterbende Spezies zu bestaunen. Vom „Menschen in Ausbildung“ gibt es in Südbrandenburg nicht mehr viele. Die Ausbildungsquote sinkt, viele Lehrstellen bleiben unbesetzt. Eine Schautafel erklärt dazu: „Wichtig für den homo ausbildicus ist eine sichere Zukunft, um zum homo unbefristus jungfacharbeitus aufzusteigen. Der sogenannte homo befristus facharbeitus wird meist schnell zum homo abwanderus und verschwindet in andere Regionen.“

Der witzige Text zur Aktion in Finsterwalde hat einen ernsten Hintergrund. Wegen der niedrigen Löhne wandern viele junge Leute dauerhaft ab. Die geringe Vergütung zwischen 8 und 12 Euro pro Stunde und prekäre Beschäftigung für ausgelernte junge Menschen sind an der Tagesordnung. Das Lohngefälle zu anderen Regionen schieben die Unternehmen Südbrandenburgs häufig auf schwierige Wettbewerbspositionen und niedrige Renditen. Wer kann, der geht weg von hier.

Wandel zu echter Sozialpartnerschaft

Die IG Metall kämpft für bessere Arbeitsbedingungen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. „Wir brauchen endlich gute und faire Arbeit in der Metallregion, auch für junge Menschen“, sagt Köhler. Für die Attraktivität sind positive Standortfaktoren notwendig: Das sind gute und faire Ausbildung, Übernahme von Azubis. „Auch die Etablierung der betrieblichen Mitbestimmung und die Anwendung von Tarifverträgen gehört dazu. Südbrandenburg braucht eine echte Sozialpartnerschaft“, sagt Köhler. Nur so kann man dem Ausbluten der Region wirksam begegnen.

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