Autoproduktion in Ungarn
Testlabor der deutschen Autoindustrie

Ungarn entwickelt sich zunehmend zum Testlabor für die deutsche Autoindustrie. Hier sind große Werke von Audi, Daimler und Opel entstanden. IG Metall und die ungarische Metallgewerkschaft VASAS rücken näher zusammen, denn überall brauchen Beschäftigte starke Gewerkschaften.

15. Januar 201615. 1. 2016


Die deutschen Autobauer haben ihre globalen Wertschöpfungsketten spürbar ausgeweitet. So auch in der Industriestadt Györ im Westen Ungarns. Dort hat Audi einen großen Standort. In der Stadt Kecskemét lässt Daimler fertigen, und Opel hat sich in nahe der Grenze zu Österreich angesiedelt. Der Grund sind oft die niedrigeren Lohnkosten im Ausland und die im Vergleich zu Deutschland schwachen Rechte für Betriebsräte und Gewerkschaften.

Auch deutsche Zulieferer und Dienstleister haben sich in Ungarn niedergelassen: Dazu gehören namhafte Unternehmen wie Bosch, ZF, Continental, Schaeffler, Knorr Bremse, ThyssenKrupp Automotive, Kromberg und Schubert, Dräxlmaier. Aber auch Firmen der Logistik- und Diensleistungsbranche wie Rudolph, Syncreon, Kühne & Nagel, Voith und EDAG tummeln sich in Ungarn. Diese Branche steht für 20 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt Ungarns und ist somit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Leider ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den Betrieben meist gering. Bei vielen Zulieferern und Dienstleistern gibt es gar keine Gewerkschaften. Die Gewerkschaftslandschaft ist zersplittert. Gewerkschaften und Betriebsräte haben wenig Mitbestimmungsrechte.

 

Enge Kontakte mit Ungarn

„Die Unternehmen finden in Ungarn für sich hervorragende Bedingungen“, sagt IG Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. Die Firmen können andere Arbeitsbewertungssysteme und Arbeitszeitmodelle einführen, die von Gewerkschaften und Betriebsräten kaum verhindert werden können. Kostendruck wird oft an die Zulieferer weitergereicht. Es wird Arbeit ausgelagert, um Gewinnmargen zu steigern. Die Arbeitsbedingungen geraten unter Druck, mit Verlagerung ins Ausland wird gedroht. Das alles kann eine Abwärtsspirale in Gang setzen, die dann auch in Deutschland Jobs gefährdet.

Deshalb haben IG Metall und die ungarische Metallgewerkschaft ein gemeinsames Projekt, die sogenannte Transnationale Partnerschaftsinitiative, angestoßen. Die Kooperation kommt nicht von ungefähr. IG Metall und VASAS arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen. Insbesondere die IG Metall Bayern pflegt sehr enge Kontakte nach Ungarn. VASAS ist in Ungarn mit rund 30 000 Mitgliedern der einzige relevante Branchenverband für die Metallindustrie. Ansonsten gibt es unabhängige Betriebsgewerkschaften, die sich keinem landesweiten Verband anschließen wollen. VASAS und IG Metall wollen jetzt neue partnerschaftliche Wege beschreiten.

 

Kooperation mit Partnergewerkschaften

Hintergrund der Transnationalen Partnerschaftsinitiative ist die Entwicklung bei der PKW-Produktion in Deutschland. Seit 2007 hat sich das Produktionsvolumen im Ausland nahezu verdoppelt, während es in Deutschland stagniert. Mit Investitionen in Milliardenhöhe werden Produktionskapazitäten im Ausland weiter ausgebaut. Die Errichtung von internationalen Standorten deutscher Autobauer übt eine Sogwirkung auf die deutsche Zulieferindustrie aus. Kleine wie große Unternehmen schließen sich den Automobilherstellern an, wenn diese ins Ausland gehen.

Die Transnationale Partnerschaftsinitiative der IG Metall wird in Projektregionen in Ungarn und den USA erprobt. Ende vergangenen Jahres wurde in Spring Hill, Tennessee, ein Projektbüro eröffnet. Im Zentrum beider Projekte in Ungarn und den USA steht die unternehmensbezogene Kooperation mit den Partnergewerkschaften vor Ort. Ziel ist, dass parallel zur Wertschöpfungskette der Unternehmen eine Interessenvertretungskette der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entsteht. Die IG Metall und ihre Partnergewerkschaften erkennen den hohen Stellenwert von Sozialpartnerschaft und betrieblicher Mitbestimmung an und wollen diese Prinzipien auch in den Arbeitsbeziehungen an Standorten deutscher Unternehmen im Ausland verankern. Die Büros in den Projektregionen unterstützen diesen Ansatz.

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