Psychostress: Erschöpfung bis zum Umfallen
Es reicht!

Wenn nichts mehr geht, die Arbeit über den Kopf wächst und einem Schlaf und Gesundheit raubt, kann das ein Zeichen für ein Burn-out sein. Wie sich das anfühlt, hat Sascha Mitterer aus München erlebt. Er erzählt hier von seinen Erfahrungen mit dem Ausbrennen.

21. September 201121. 9. 2011


Es war kein normaler Betrieb für Sascha Mitterer aus München (Name und Ort geändert), in dem er 2010 anfing. 40 Kunden musste er pro Woche betreuen, alle hatten ein Anrecht auf eine Stunde Gespräch. Seine 40-Stunden-Woche ging immer für die Kunden drauf und dann musste er noch die Berichte schreiben, an Besprechungen teilnehmen und sich um Organisatorisches kümmern. Gib ja nicht Deine Telefonnummer raus, war der Rat von den wenigen offenen Kollegen.

Es gab keine Datenbank für die Kunden, nur selbst gezimmerte Exceltabellen. Die EDV wird umgestellt, hat es geheißen, aber es passierte nie. Doch das war nicht das Schlimmste, erzählt Sascha. Großraumbüro haben sie gesagt, das zeigt offene Atmosphäre und ständige Erreichbarkeit für alle Belange des Kunden. Dabei klingelte ständig das Telefon an einer anderen Stelle, Kunden suchten ihren Ansprechpartner oder hatten sonstige Fragen. „Eine solche Struktur des Büros kann auch gut sein, aber durch den ständigen Kundenverkehr herrschte ein permanenter Lärmpegel“, erinnert sich Sascha.

Die Chefin war nett, die Hierarchie flach, aber die direkten Vorgesetzten waren ihrer Aufgabe nicht gewachsen oder nur auf ihre Karriere aus oder alles zusammen. Die Mitarbeiter waren oft krank. Die Einarbeitung in der ersten Woche bestand aus der Lektüre der sechzigseitigen Paragrafen und Vorgaben des Auftraggebers. Zur Qualifizierung hieß es: „Wir glauben daran, dass du das schon kannst, sonst hätten wir dich nicht eingestellt.“ Von der Chefin wurden immer neue Kunden akquiriert und neue Projekte angelegt. Deshalb brauchte man dringend neue Leute, die den Kundenmassen Herr werden sollten. Heute weiß Sascha, dass die Chefin auch ausbrannte. Bei ihr ging es zwar nicht so schnell, aber auf die Dauer macht so eine Umgebung kaputt. Heute ist er davon überzeugt, dass ihn dieser Arbeitsplatz krank gemacht hat.

Nur Engagierte und Workaholics?

Es muss nicht nur das Umfeld sein, das einen ausbrennen lässt. Es können auch persönliche Charakterzüge sein, die sich ungünstig mit einer Arbeitsbelastung verbinden. Wer kennt die Kurve nicht? Anfangs hoch motiviert, neugierig, für alles offen. Dann weicht die Begeisterung und der Alltag beginnt. Der Entdecker des Burn-out-Syndroms, Herbert Freudenberger, hat soziale Berufe als am stärksten gefährdet herausgefiltert. Davon fühlt sich der „Metaller“ zunächst gar nicht betroffen.

Aber heutzutage stehen selbst manche Jobeinsteiger vor schier unlösbaren Problemen: Die Stelle ist nur befristet, also unsicher. Oft ist sie schlecht bezahlt, aber das akzeptiert man. Praktikanten werden als billige Hilfskräfte ausgenutzt und erhalten selten Anerkennung für ihre Mühen. Selbst im Traumberuf können Faktoren auftauchen, die eine psychische Überlastung auslösen: Hoher Zeitdruck, unklare Zielvorgaben und Erwartungen, dabei zu viele Aufgaben. Wenn dazu noch ständig das Telefon klingelt oder immer der Chef gefragt werden muss, führt das zu Frustration im Job. Die Eigenverantwortung und die Sicherheit fehlt, die Angst, zu versagen, wächst.

Aber auch die andere Seite kann vernichtend sein: Eine ständige Unterforderung, begrenzte Möglichkeiten zur Entfaltung, unverwirklichte Träume und Talente verringern die Motivation. Von eintönigen und wiederkehrenden Tätigkeiten ganz abgesehen. In Anlehnung an das englische Wort für Langeweile heißt diese Art auch Boreout. Oft geht die Entwicklung über mehrere Jahre hinweg.

Ernste Anzeichen

„Mein Arzt hat mir drei Stufen dieser Krankheit erklärt“, berichtet Sascha:

1. Stufe: Man fühlt sich ausgelaugt und frustriert und kann keine Energie für den nächsten Arbeitstag aufbringen. Die Phasen, bis man richtig abschaltet, werden länger. Erst geht nur der Freitagabend drauf, dann verpennt man den gesamten Samstag, bis man den Sonntag nur noch damit verbringt sich daran zu erinnern, dass es morgen wieder ins Hamsterrad geht.

2. Stufe: Eine Entfremdung vom eigenen Ich, man erkennt sich selbst nicht wieder in diesen Situationen. Grundlose Gereiztheit oder aber völlige Gleichgültigkeit kommt dazu. Immer häufiger versucht man Kontakte zu vermeiden, sozialer Rückzug nennen das die Ärzte. Und die Kollegen bemerken auch schon Vermeidungsstrategien: Nichterscheinen, passive Mitarbeit, die Eigeninitiative geht zurück.

3. Stufe: Das ist die Station, bei der die Kollegen und Freunde merken, was los ist. Der Verfall des Selbstvertrauens wird deutlich und absolut nichts ist mehr positiv, selbst Erfolge werden negativ bewertet. Krankschreibungen sind in dieser Phase meist nicht mehr vermeidbar, sagt Sascha dazu. Bei ihm zeigten sich auch körperliche Anzeichen: Husten und Atemstörungen verbunden mit Kopfschmerzen, die er als Bagatelle vor den Kollegen abtat. Außerdem sind auch Herzbeschwerden Magenschmerzen, Blähungen, Engegefühl, Durchfall, häufiges Wasserlassen verbunden mit Schmerzen und Gliederschmerzen häufige Anzeichen. Dies ist dann die Auswirkung der psychischen Belastungen auf den Körper. Die Behandlung hätte schon früher angesetzt werden müssen.

Ausweg aus der Krise

„Wenn die Umstände sind wie in meinem“, rät Sascha: „Sucht Euch Rat durch einen qualifizierten Arzt. Plant mit ihm eine weitere Behandlung oder Vorgehensweise. Auch Mobbingberatungsstellen können Euch bei Burn-out Auskunft geben. Aber auch der Betriebsrat kann Euch weiterhelfen.“ Sascha erzählt, wie er aus der Sache raus kam: „Nach der Krise habe ich mit meinem Arzt eine Erholung und Therapie geplant, meine Ziele neu überdacht und heute bin ich wieder in der Lage, darüber zu reden. Ich achte in meinem neuen Job auf mich und akzeptiere meine Grenzen. Meine Gesundheit ist mir wichtiger geworden, als jeden im Job zufrieden zu stellen. Und das Interessante ist, dass mein Arbeitsumfeld diese Art des Nein-Sagens respektiert.“

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