Dritter Jahrestag des Textilunglücks Rana Plaza
Auswirkungen einer gewaltigen Tragödie

Vor drei Jahren stürzte eine Textilfabrik in Bangladesch ein und begrub viele Näherinnen an ihrem Arbeitsplatz. Gewerkschaften haben seitdem mehr Sicherheit und bessere Löhne für Textilarbeiter durchgesetzt. Doch noch immer gibt es zu viele Billigtextilien, an denen im übertragenen Sinn Blut klebt.

25. April 201625. 4. 2016


Am 24. April 2013 stürzte in Bangladesch die Fabrik Rana Plaza ein. Dabei starben 1138 Menschen, zerquetscht zwischen den Trümmern. 2500 wurden verletzt, sie überlebten zum Teil verstümmelt und für immer gezeichnet. Nach dem Unglück kam es zu großen Protesten der Arbeiter in Bangladesch. Eine Streikwelle legte jede fünfte Fabrik des Landes lahm. Als Reaktion wurde der Mindestlohn auf 68 Dollar angehoben und damit fast verdoppelt.



Die Arbeiterinnen des Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch demonstrieren mit den schockierenden Bildern der Opfer gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Foto: IndustriAll global


Die Katastrophe rüttelte die Menschen auch in den westlichen Industrieländern auf. Denn der Einsturz von Rana Plaza wäre vermeidbar gewesen. Risse in dem Gebäude waren eindeutige Vorboten eines drohenden Kollapses. Doch den Näherinnen war untersagt worden, die Fabrik zu verlassen, weil ein Auftrag fertig werden musste. Nach dem Unglück war schnell klar, dass es so nicht weitergehen kann. Der Einsturz der Rana Plaza-Fabrik steht in einer langen Reihe von Unglücken, Bränden und ausbeuterischer Kinderarbeit in den textilproduzierenden Ländern Asiens.

Noch lange nicht zufriedenstellend
Auf Betreiben von Menschenrechtsorganisationen und Internationalen Gewerkschaften wurde der sogenannte Bangladesch Accord geschlossen. Mit diesem Abkommen soll Brandschutz und Gebäudesicherheit verbessert werden. Drei Jahre nach der Gründung des Accord lassen sich erste Ergebnisse beobachten. Bisher wurden fast alle Fabriken überprüft und entsprechende Sanierungspläne aufgestellt, aber die allerwenigsten Hersteller haben ihre Gebäude vollständig modernisiert. In einigen Fällen verweigern Hersteller und Auftraggeber die Kooperation komplett. Ein paar Dutzend Fabriken wurden wegen gravierender Mängel geschlossen.

„Die Sicherheit von Fabrikgebäuden hat sich insgesamt verbessert, ist aber noch lange nicht zufriedenstellend“, erklärt das geschäftsführende IG Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Lemb. Die IG Metall ist über den Zusammenschluss Industriall Global am Bangladesch-Abkommen maßgeblich beteiligt. Ein Entschädigungsfonds für die Opfer und Hinterbliebenen, in den die großen Textilketten 30 Millionen Dollar eingezahlt haben, ist durch gewerkschaftlichen Druck zustande gekommen. Die großen Ketten wie Wal-Mart, Primark, KIK und H&M konnten sich dem Fonds nicht verschließen.

Viele Gewerkschaften gegründet
In Deutschland wurde außerdem das Bündnis für Nachhaltige Textilien gegründet. Initiator ist das Bundesministerium für Zusammenarbeit und Entwicklung. Dieses Textilbündnis richtet sich an Unternehmen der Textilwirtschaft, an Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Zertifizierungsunternehmen, Verbraucherverbände und Nichtregierungsorganisationen (NRO). Viele beteiligte NRO sind, genau wie die IG Metall, Mitglieder der Kampagne Saubere Kleidung (CCC). Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschenrechte innerhalb der globalen textilen Lieferkette entscheidend zu verbessern. „Wir brauchen eine Stärkung der Gewerkschaften in den Produktionsländern, echte Tarifverhandlungen, höhere Löhne für Arbeiterinnen und Arbeiter, weniger Frauendiskriminierung, am besten keine, und mehr Sicherheit am Arbeitsplatz“, sagt Lemb.

Anfang zögerten die Unternehmen noch, inzwischen sind aber 143 Mitglied im Textilbündnis geworden. Das heißt, die Hälfte des deutschen Textil- und Bekleidungsmarktes sind im Bündnis für nachhaltige Textilien vereint. „Es ist für uns wichtig, dass möglichst viele deutsche Textilunternehmen dem Bündnis noch beitreten, um ernsthaft an einer Verbesserung der weltweiten Textilproduktion zu arbeiten“, sagte Lemb.

Negative Folgen der Handelsliberalisierung
Auch in Bangladesch hat sich einiges getan. In den Textilbetrieben des Landes wurden viele Gewerkschaftsvertretungen gegründet. Ihre Zahl wuchs laut der Internationalen Arbeitsorganisation ILO von 132 am Ende des Jahres 2012 auf 437 im April 2015. Dies ist sicherlich auf die Vorschrift zur Gründung der Arbeitsschutzkomitees zurückzuführen und wurde durch eine allgemeine Arbeitsrechtsreform unterstützt, die Bangladesch nach dem Unfall unter dem Druck großer Handelspartner wie den USA durchgeführt hat. Es wurden also manche Verbesserungen erreicht.

Doch die Rahmenbedingungen auf dem globalen Textil- und Bekleidungsmarkt bleiben schwierig. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung untersucht die Folgen von zehn Jahren Handelsliberalisierung. Die Arbeitsbedingungen der Näherinnen und Näher, die für Hungerlöhne die Kleidung der großen Textilmarken herstellen, zeigten, dass Freihandel in der Regel nicht zum Nutzen aller Beteiligten funktioniert. „Wohlstand ist für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den meisten Produktionsländern weiter eine Illusion“, lautet der ernüchternde Befund der OBS-Studie. Gleichzeitig sei der Widerstand von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft gegen unzumutbare Arbeitsbedingungen gestiegen. Ohne dieses Engagement wären die Löhne in den Herstellerländern wie Bangladesch, China, Indien, Indonesien, Kambodscha, Türkei und Vietnam noch niedriger und die Arbeitsplätze noch unsicherer als ohnehin schon.

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