„Schwarz-Gelb nimmt den falschen Kurs.“
„Ein Weiter so darf es nicht geben“

Der Erste und der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber und Detlef Wetzel, im Gespräch.


Die IG Metall steuert dagegen – mit vielen Aktionen vor Ort. Vor allem für junge Menschen will die IG Metall ein gutes Leben erreichen. „Der Einsatz von uns allen ist gefordert. Vor allem in den Betrieben. Diskutiert die Themen, beteiligt Euch an den Aktionen. Setzt Zeichen, macht mit“, fordern Huber und Wetzel alle Metallerinnen und Metaller auf.

Die Wirtschaft wächst wieder. Die Finanzkrise, die vor fast zwei Jahren begann, scheint überwunden. Jetzt geht wieder alles so weiter wie bisher. Nach der Krise ist wieder vor der Krise?

Berthold Huber:
Genau das ist das Problem. Auf dem Höhepunkt der Finanzmarktkrise waren wir uns einig: Ein „Weiter so“ darf es nicht geben. Genau das geschieht aber derzeit. Das Sparpaket der Bundesregierung trifft die Falschen. Von einer grundlegenden Regulierung der Finanzmärkte sind wir meilenweit entfernt. Und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung wird zwar in Festreden beschworen, aber effektive Schritte erfolgen wenig.
Detlef Wetzel: Noch mehr Beispiele gefällig? Die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke sollen verlängert werden, obwohl dies zu Lastender erneuerbaren Energien geht. Die öffentlichen Haushalte werden auf Kosten des Sozialstaats saniert. Umverteilung geschieht -wenn überhaupt – nur von unten nach oben. Eine Wende in der Wirtschaftspolitik zur Stärkung der Binnennachfrage ist nirgendwo zu erkennen.


Eine Bertelsmann-Studie sagt, dass über 80 Prozent der Bevölkerung unser Wirtschaftssystem kritisch sehen.

Wetzel: Solche Umfrageergebnisse zeigen deutlich: Die Menschen akzeptieren die aktuelle Politik nicht. Und das wissen wir auch aus den Betrieben. Aber es ist ja auch kein Wunder, dass die Bevölkerung unzufrieden ist. Auf der einen Seite stehen der Anstieg von prekären Beschäftigungsverhältnissen und der Abbau der sozialen Sicherungssysteme. Auf der anderen Seite befinden sich die Subventionierung von Banken und Unternehmen, Kürzungen bei den ärmsten Familien, Steuersparmodelle für Gutverdiener sowie ein rasanter Anstieg der Managergehälter.
Huber: Die Politik muss eine gerechte Gesellschaft zum Ziel haben, Chancengleichheit und sozialen Ausgleich organisieren. Die aktuelle Politik – an diesen Maßstäben gemessen – erreicht genau das Gegenteil.
Wetzel: Und deshalb fordern unsere Mitglieder jetzt: Macht endlich Politik für die Mehrheit der Menschen. Die Beschäftigten wollen einen Kurswechsel für ein gutes Leben.


Welche Themen stehen denn bei „Kurswechsel für ein gutes Leben“ im Vordergrund?

Huber: Wir fordern, dass die Finanzmärkte endlich reguliert werden. Wir sind gegen prekäre Arbeitsverhältnisse. Und wir geben der jungen Generation eine Stimme, die unter den aktuellen Missständen am meisten zu leiden hat. Die Jungen dürfen nicht die Verlierer der Krise werden.
Wetzel: Die Zahl der Leiharbeitnehmer hat inzwischen die Dimensionen von vor der Krise überschritten: Mehr als 850 000 Menschen sind davon betroffen. Da ist ja wohl Handlungsbedarf gegeben. Und dabei lassen wir uns nicht mit einem Gesetzesentwurf der Bundesarbeitsministerin von der Leyen abspeisen, der wieder nur die Unternehmer hofiert und die Leiharbeit sogar noch ausweiten will. Wir wollen „Gleichen Lohn für Gleiche Arbeit“.


Vor allem junge Menschen erhalten befristete Arbeitsverträge oder werden als Leiharbeitnehmer beschäftigt.

Wetzel: Es ist Aufgabe der Politiker und der Unternehmer, die Zukunftschancen der Jungen zu verbessern. Und die IG Metall wird bessere Zukunftschancen nicht nur einfordern. In den Betrieben und in der Tarifpolitik nutzen wir unsere Gestaltungsmöglichkeiten für die jungen Beschäftigten. Die Auszubildenden werden übernommen. Leiharbeit und Befristung in feste Arbeitsverhältnisse umgewandelt.
Huber: Die deutsche Bildungsmisere und das einseitige Sparen trifft junge Menschen in mehrfacher Hinsicht: über die eigene Ausbildung aber auch durch die schlechteren Chancen, die ihre Kinder deshalb künftig haben werden. Ein weiterer Punkt: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir brauchen mehr Krippen und Kindergartenplätze sowie Ganztagsschulen. Dadurch wird die berufliche Entfaltungsmöglichkeit vor allem der jungen Frauen deutlich eingeschränkt.


Ein Thema, das sehr viele Menschen bewegt, ist die geplante Rente ab 67.

Huber: Rente ab 67 ist eine Sackgasse, aus der wir schnell raus müssen. Alle Zahlen belegen: Das ist ein Rentenkürzungsprogramm. Etwa 80 Prozent der Beschäftigten schaffen es ja nicht einmal bis zum aktuellen Renteneintrittsalter von 65 Jahren zu arbeiten, weil die Bedingungen für altersgerechtesArbeiten fehlen.


Die Menschen interessieren sich immer weniger für Politik, wird es da nicht schwierig, die Mitglieder der IG Metall zu mobilisieren?

Huber: Wir glauben, dass es uns gelingt, Beschäftigte in unserem Organisationsbereich für einen Kurswechsel auf die Straße zu bringen. Es geht uns darum, Zusammenhänge deutlich zu machen und Veränderungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Leiharbeit beispielsweise geht nicht nur die Betroffenen etwas an. Leiharbeit unterspült Stück für Stück die tariflich geregelten Arbeitsbeziehungen. Wenn die jungen Menschen immer mehr über Zeitverträge, Leiharbeit oder Praktika in die Betriebe kommen, wird das auch Konsequenzen für die Stammbelegschaften haben. Wenn sich die festangestellten Beschäftigten an unseren Aktionen beteiligen, sichern sie ihr eigenes Arbeitsverhältnis und üben zugleich praktische Solidarität.
Wetzel: Kurswechsel für ein gutes Leben wird vor allem Thema in den Betrieben: Wir werden mit den Kollegen reden, sie informieren und diskutieren. Wir werden dazu auffordern, sich an den Aktionen zu beteiligen. Dazu wird es in jeder IG Metall-Verwaltungsstelle Angebote geben. Denn: Die IG Metall war und ist immer dann besonders erfolgreich, wenn sie sich auf ihre starke betriebliche Verankerung und Anerkennung stützt. Das ist auch immer unser bestes Argument in der politischen Auseinandersetzung. Je mehr Kolleginnen und Kollegen sich jetzt beteiligen, desto stärker sind unsere Argumente für einen Kurswechsel.


Was sollen die Aktionen im Herbst erreichen?

Wetzel: Politik zu verändern und Mitglieder zu gewinnen. Die IG Metall-Bezirksleitungen und Verwaltungsstellen haben tolle Vorschläge gemacht, wie wir die Beschäftigten in unsere Kampagne für ein gutes Leben einbeziehen. Jetzt liegt es an jedem Einzelnen, dafür zu sorgen, dass wir diese Ziele erreichen. Das heißt handeln, Zeichen setzen und Mitglieder werben.
Huber: Ich bin zuversichtlich. In der Krise haben wir unsere politischen Ziele durchgesetzt. Dafür werden wir heute gelobt. Das motiviert uns, weiter für den Kurswechsel und ein gutes Leben zu kämpfen.
 
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