Schwerbehindertenvertretung: zu Besuch bei Martin Kuckel
Mehr als ein Job

„Auch in der Krise ist es möglich, Arbeitsplätze für Schwerbehinderte zu schaffen“, sagt Martin Kuckel. Er muss es wissen. Denn er ist der der Vertrauensmann der Schwerbehinderten im Ford-Ersatzteilzentrum in Köln.


In Kuckels Büro hängt ein berühmtes Gemälde von Michelangelo: Es zeigt zwei ausgestreckte Hände, deren Zeigefinger sich fast berühren. „Die Hand zu reichen, um zu helfen, ist eine schöne Geste“, findet Martin Kuckel. Der 55-Jährige, von Beruf Meister für Lagerwirtschaft und Logistik, ist seit 2006 Schwerbehinderten-Vertrauensmann. 100 der 1300 Beschäftigten im Ersatzteilzentrum von Ford in Köln-Merkenich sind schwerbehindert. Er selbst nicht. Er versucht, dieses Wort zu vermeiden, spricht lieber von „Menschen mit anderer Gesundheit“.

 

Normale Kollegen

Martin Kuckel betont die Normalität: „Schwerbehinderte sind Kollegen. Wir müssen sie nicht integrieren, sie sind längst Teil der Belegschaft. Soll heißen: Sie sind meist nicht als Schwerbehinderte zu uns gekommen, sondern während ihrer Berufstätigkeit schwerbehindert geworden – durch Unfall oder Krankheit, geistig oder körperlich. Sie sind motorisch stark eingeschränkt. Manche sind sogar fast blind oder gehörlos.“ Normale Kollegen.

 

Barrierefreies Arbeiten

Laut Grundgesetz darf niemand wegen einer Behinderung benachteiligt werden. So steht’s auch in der Integrationsvereinbarung von Ford. Behinderte haben Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben, nachzulesen auch im Sozialgesetzbuch IX. So steht’s auf dem Papier.

 

Jedes Unternehmen muss fünf Prozent seiner Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen. Doch viele kaufen sich davon frei, zahlen stattdessen eine Ausgleichsabgabe. Am Kölner Ford-Standort geschieht das nicht. Gemeinsam mit Betriebsrat, Geschäftsführung und dem Integrationsamt des Landschaftsverbands Rheinland sorgte Martin Kuckel dafür, dass in der Packerei von Ford 35 Arbeitsplätze für Schwerbehinderte entstanden sind.

 

Früher wurden diese Verpackungsarbeiten von Fremdfirmen erledigt. Jetzt machen das die eigenen Leute. Weitere 16 Arbeitsplätze entstehen gerade; Autoschlüssel sollen künftig von Schwerbehinderten an Fräsmaschinen produziert werden. Für Joachim Kurscheid, den Personalleiter des Ersatzteilzentrums, ist das „keine karitative Angelegenheit – wir verdienen Geld mit dem Geschäft und den Leuten.“

 

Hineingewachsen

Metaller Martin Kuckel geht voll in seiner Arbeit auf, seine Funktion ist für ihn weit mehr als nur ein Job. Er hatte sich 2006 wählen lassen, „ohne genau zu wissen, was alles auf mich zukommt“. Kuckel arbeitete sich ein, besuchte IG Metall-Seminare, eignete sich alles nötige Wissen an, lernte seine schwerbehinderten Kollegen kennen, besuchte die Fachleute im Fürsorgeamt und im Landschaftsverband, brachte sie an einenTisch, machte sie mit Betriebsrat und Werksleitung bekannt. Früher bot der Schwerbehinderten-Vertrauensmann bei Ford eine Sprechstunde in der Woche an – Kuckels Büro steht ständig offen.

 

Mehr als aufmunternde Worte

„Die Woche könnte einen Tag mehr haben“, sagt er. Kuckel hat viel Respekt vor dem Amt des Schwerbehinderten-Vertrauensmanns. Man trägt große Verantwortung, sagt er. Verantwortung für Menschen, die Schicksalsschläge erlitten haben, deren Leben aus der Bahn geworfen wurde, die sich im Berufsleben wieder zurechtfinden müssen. Doch ihnen kann er – und das ist der springende Punkt für ihn – „nicht nur gut zureden, sondern konkret helfen“. Ihnen, die es nicht so gut haben im Leben, die Hilfe brauchen. Nicht nur im Großen, mit einem Arbeitsplatz, sondern viel häufiger im Kleinen – wenn er beispielsweise einen schwerbehinderten Kollegen beim Behördengang begleitet, ihm die Hand auf die Schulter legt und spürt, wie dessen Angst verschwindet.

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