Arbeitsbedingungen in der Solarbranche
Der Krise nicht tatenlos zusehen

Kein Zweifel – Sonnenstrom hat Zukunft. Doch derzeit liegt die Photovoltaik-Branche in Deutschland darnieder.


Wege aus der Krise zeigt der Branchendialog Solar auf, den die IG Metall initiiert hat. Nicht über Lohndumping, sondern über Technologie gehört der Wettbewerb ausgetragen. Für die angeschlagene Branche fordert die IG Metall einen industriepolitischen Aktionsplan.

Die Belegschaften der deutschen Solarunternehmen sind zur Zeit stark gebeutelt. Einige Unternehmen fahren Kurzarbeit, mehrere wie Q-Cells sind in der Insolvenz oder machen dicht wie First Solar. Unter anderem macht ihnen der verschärfte Wettbewerb chinesischer Hersteller und ein beispielloser Preisverfall für Module und Zellen zu schaffen. Die schlechte Eigenkapitalausstattung und die Abhängigkeit von Risiko-Kapitalgebern sind die Achillesferse der Branche.

Der Zweite Vorsitzende der IG Metall Detlef Wetzel diskutiert mit den Teilnehmern des Branchendialogs Solar.

 

Arbeitsplätze erhalten

 

Die IG Metall hat jetzt einen Branchendialog Solar mit Betriebsräten, Vertretern von Politik und Solarbranche gestartet. Mit dabei waren unter anderem Thüringens Wirtschaftsminister, Matthias Machnig und der Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Günther Cramer. Ziel des Branchendialogs ist es, die Zukunft dieser jungen krisengebeutelten Industrie zu gestalten und Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Derzeit arbeiten hierzulande rund 120 000 Menschen in dem Bereich. Der Branchendialog soll insbesondere Betriebsräten die Möglichkeit zu geben, sich stärker zu vernetzen und sich untereinander zu solidarisieren. Motto: Der derzeitigen dramatischen Sitiuation nicht tatenlos zusehen.

Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel forderte auf der Solartagung, die Arbeitsbedingungen in der Branche nachhaltig zu verbessern. Viele Beschäftigte bekommen extrem niedrige Löhne. Ein Stundenlohn von 7,50 Euro, der in der Solarbranche teilweise gezahlt wird, reicht jedoch kaum zum Leben. Laut einer Umfrage der IG Metall, deren Ergebnisse im aktuellen Weißbuch Photovoltaik veröffentlicht sind, sind die Beschäftigten mit den Arbeitsbedingungen wie der Schichtplangestaltung unzufrieden.

Viele sind der Meinung, dass Arbeit und Freizeit oder Familie nur schlecht in Einklang zu bringen sind. Zudem nagt die Unsicherheit, wie lange sie ihren Job noch haben, an den Beschäftigten. „Wir bei Conergy können nur auf zwei Wochen im Voraus planen, zur Zeit geben wir Vollgas, Ende Juni kommt Kurzarbeit, das ist wahnsinniger Stress für die Leute“, berichtete Harald Frick. Frick ist Konzernbetriebsrats-Vorsitzender von Conergy, einem Solarunternehmen in Frankfurt/Oder.

 

Die Zukunftsfähigkeit der Photovoltaik-Industrie sichern, war das Ziel des Branchendialogs am 5. Juni 2012.



Beschäftigte beteiligen„In der Branche besteht dringender Handlungsbedarf in Sachen Arbeitsbedingungen“, sagte Wetzel vor Betriebsräten von Solarfirmen. Die IG Metall fordert deshalb unter anderem einen Branchentarifvertrag. Dass bessere tarifliche Standards möglich sind, zeigen Positivbeispiele der Branche wie Bosch Solar in Erfurt und Arnstadt, wo es gelungen ist, einen Haustarifvertrag abzuschließen.

Die Mehrheit der Unternehmen verweigert sich jedoch bisher tariflichen Regelungen. Schlimmer noch: Einige Firmen versuchen sogar die Bildung von Betriebsräten zu verhindern. Ob die Photovoltaik eine Zukunft hat, hängt jedoch entscheidend auch davon ab, Beschäftigte und Arbeitnehmervertreter zu beteiligen. Die Politik hat bisher kläglich versagt, die Krise der Solarbranche zu meistern. Die Diskussion um eine geringere Einspeisevergütung von Solarstrom und Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat die Märkte nachhaltig verunsichert.

Der Photovoltaik als derzeitiges Sorgenkind der Energiewende hilft nur ein Maßnahmenbündel aus dem Jammertal: Um strukturelle Nachteile im internationalen Wettbewerb auszugleichen, fordert die IG Metall einen industriepolitischen Aktionsplan und ein Kreditprogramm der Förderbank KfW. Zudem müssen die Weichen gestellt werden, damit Made in Europe ein Qualitätsmerkmal für langlebige und ökologisch wie sozial nachhaltig produzierte Solar-Produkte wird. „Eine saubere Energieerzeugung muss auch sauber hergestellt sein“, sagte Wetzel. Thüringens Wirtschaftsminister Machnig forderte Restriktionen gegenüber den chinesischen Importeuren. „Wir müssen dafür sorgen, dass Wertschöpfung im Land bleibt.“

 

Konkrete Hilfe

 

Ein konkretes Beispiel solidarischer Hilfe hat der Branchendialog Solar bereits gesetzt. Dem insolventen Solarunternehmen Inventux (Berlin-Marzahn) greifen die Betriebsräte und IG Metall unter die Arme. Sie unterzeichneten eine Resolution und vereinbarten die Einrichtung eines Spendenkonto für die Beschäftigten. Denn ein Teil der Inventux-Beschäftigten stehen jetzt ohne jegliche Bezüge da. „Die Betroffenen können ihre Miete nicht mehr bezahlen, Lebensmittel kaufen und ihre Kinder ausreichend versorgen. Da herrscht blanke Not“, sagte Betriebsrätin Karin Puppel.
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