Achenbach Buschhütten in Kreuztal
Alles auf null: Arbeitszeit neu denken

Die Arbeitszeitregelungen des Siegerländer Walzwerke-Herstellers Achenbach Buschhütten gelten als nicht mehr zeitgemäß – vor allem ist die Vielzahl der Vereinbarungen nicht mehr überschaubar. Das hat zu Unzufriedenheit in der Belegschaft geführt.

27. Oktober 201627. 10. 2016


Arbeitgeber und Betriebsrat wollen nun das Thema Arbeitszeit komplett neu denken. Ein Projektteam soll Vorschläge zur Neugestaltung der gesamten Palette der Arbeitszeit ausarbeiten.

Achenbach Buschhütten in Kreuztal bei Siegen zählt zu den 14 Betrieben, die am Projekt Arbeit 2020 der IG Metall Nordrhein-Westfalen teilnehmen. Damit will die IG Metall Betriebsräte und Beschäftigte an der Gestaltung von Industrie 4.0 beteiligen. Da macht es keinen guten Eindruck, mit veralteter Arbeitszeit-Praxis aufzulaufen – ein zeitgemäßes Arbeitszeit-Regime tut not, das ist auch dem Betriebsratsvorsitzenden Daniel Wollny klar.

Also haben die Betriebsparteien der Firma im Juli 2016 ein Projektteam ins Leben gerufen, in das drei Arbeitgeber- und vier Arbeitnehmervertreter entsandt wurden. Man tagt alle zwei bis drei Wochen. Der Betriebsrat profitiert von der Unterstützung durch die IG Metall-Geschäftsstelle Siegen-Wittgenstein, der Arbeitgeber hat das Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) hinzugezogen. Mitglied des Instituts sind die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie sowie der Gesamtverband Gesamtmetall.

 

Umfassende Beteiligung der Beschäftigten

Nach einigen Sitzungen wurde klar, dass es notwendig ist, die Beschäftigten zu beteiligen, erzählt Daniel Wollny – und so wurde eine Befragung aller 360 Kolleginnen und Kollegen gestartet. Und zwar persönlich. Man besuchte jede Abteilung für eine halbe Stunde und diskutierte drei Fragen zum Thema Arbeitszeit: Erstens fragte man, was derzeit gut und beibehalten werden sollte. Zweitens wurde gefragt: Was läuft schlecht und sollte neu geregelt werden? Und drittens sollten die Beschäftigten angeben, welche Arbeitszeitregelung es bisher noch nicht gibt, in Zukunft aber gebraucht wird.

Einhelliger Befund der Befragung: Alle Beschäftigten wünschen sich mehr Flexibilität. Konkret: kürzere Kernarbeitszeiten. „Aktuell können gewerbliche Kolleginnen und Kollegen morgens und nachmittags je eine halbe Stunde gleiten“, sagt Daniel Wollny, „Kolleginnen und Kollegen im technischen und kaufmännischen Bereich jeweils eine Stunde.“ Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sind also eher starr. Flexibel ist anders. „Die Beschäftigten wollen erheblich mehr Zeitsouveränität“, sagt Daniel Wollny. Der aktuelle Gleitzeitrahmen reicht bloß von minus vier bis plus vier Stunden – im Monat. Viele Kolleginnen und Kollegen aber wollten ihre Arbeitszeit stärker selbst bestimmen. Dieser Wunsch bezieht sich nicht nur auf die tägliche, sondern auch auf die wöchentliche Arbeitszeit. Konkret: „Viele möchten selbst entscheiden, wie viele der 35 oder 40 Wochenstunden sie auf welche Tage verteilen.“

Dazu gibt es noch viele weiter Punkte zu regeln: Wer bei Achenbach etwa Mehrarbeit leistet oder zum Beispiel samstags arbeitet, der erhält dafür Zuschläge. Weil vor allem die Monteure viele solcher Stunden sammeln, wird nun die Idee diskutiert, die Überstunden wahlweise auf ein Extrakonto zu überweisen oder sich die Zuschläge auszahlen zu lassen. Und auch die Reisezeit ist ein großes Thema. „Da gibt es einzelverträgliche Regelungen und kaum Standards“, sagt Daniel Wollny, „da wird die Teilnahme an einem Seminar anders gewertet als die Teilnahme an einer Konferenz oder einem Workshop.“

 

Geregelt werden soll auch mobiles Arbeiten

Viele Kolleginnen und Kollegen haben darüber hinaus den Wunsch, auch von zu Hause aus zu arbeiten. Dabei, erzählt Daniel Wollny, wird das Home Office von den Beschäftigten jedoch keineswegs als vollständige Alternative zum Betrieb gesehen. Geregelt werden soll deshalb und darüber hinaus auch mobiles Arbeiten. Wie, ist noch in der Diskussion. „Der Wille ist, dass alle Arbeitszeit erfasst wird, egal wo sie anfallen, ob im Betrieb, zuhause oder unterwegs.“

Weil Betriebsrat und Geschäftsführung das Thema Arbeitszeit grundlegend anpacken wollen, soll auch der Tarifvertrag Bildung (TV B) aus der Metalltarifrunde 2015 in die Debatte einbezogen werden. Der TV B sieht erstmals einen Rechtsanspruch für IG Metall-Mitglieder auf eine persönliche berufliche Weiterbildung vor. Arbeitszeit kann auf einem Bildungskonto angespart werden, das während der Weiterbildung für ein auskömmliches Einkommen sorgt.

Noch, erzählt Daniel Wollny, befindet sich die Diskussion bei Achenbach Buschhütten ganz am Anfang und bezieht auch weitere Themen ein wie etwa die Frage nach Langzeitkonten, Lebensarbeitszeit, Altersteilzeit und unbezahlte Auszeiten. Wann der Wunsch der Belegschaft nach mehr Flexibilität erfüllt ist – Daniel Wollny wagt keine Prognose. Man stehe „nicht unter Zeitdruck“, sagt der Betriebsratsvorsitzende, räumt aber ein, dass die Beschäftigtenbefragung hohe Erwartungen geweckt habe. „Diese Beteiligung ist unwahrscheinlich gut angekommen“, sagt Daniel Wollny. Er weiß aber: „Je detaillierter die einzelnen Themen diskutiert werden, desto kniffliger werden die Verhandlungen.“