Ein T-Shirt und seine Geschichte
Das Gesicht im Kampf gegen die Apartheid

Nelson Mandela steht für den Kampf um Freiheit. Wie bei anderen Freiheitskämpfern gibt es jetzt sein Konterfei auf einem T-Shirt. Das Kleidungsstück zeigt, dass es bei Textilien Alternativen zur ausbeuterischen Massenproduktion gibt.

20. August 201820. 8. 2018


Das T-Shirt wird bei TCI Apparel in Kapstadt gefertigt. Die Textilfabrik im Stadtteil Epping gehört der Textil-Gewerkschaft SACTWU. Hunderttausende T-Shirts mit dem Bild des 2013 verstorbenen, ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas haben die Beschäftigten dort schon zugeschnitten und zusammengenäht.

240 Worte stehen auf dem T-Shirt. Sie sind so angeordnet, dass sie Mandelas Gesicht abbilden. In der Wortwolke auf dem T-Shirt stehen die englischen Worte für Mut, Unerschrockenheit, Visionär oder Vergebung an zentraler Stelle – alles Eigenschaften, die dem einstigen Führer des Befreiungskampfes bis heute zugeschrieben werden.


Das T-Shirt ist ein vollständig afrikanisches Produkt. Die Baumwolle stammt aus Madagaskar, der Faden wurde auf Mauritius gesponnen. Das T-Shirt wurde in Südafrika genäht und abgepackt. Der Auftraggeber des T-Shirts, die Nelson-Mandela-Stiftung, hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Sie will eine Million Stück auf dem ganzen Globus verkaufen. Anlass ist Mandelas Geburtstag, der sich im Juli zum 100. Mal jährte. Der Erlös aus dem Verkauf kommt Projekten der Mandela-Stiftung zugute.

Jedes T-Shirt hat einen individuellen Anhänger. Darauf ist das Bild einer Näherin, die genau dieses Exemplar gemacht hat. Robin Lewis ist eine der Näherinnen. Sie ist 28 Jahre alt und arbeitet seit acht Jahren in der Textilindustrie. „Ich bin eine alleinerziehende Mutter, mein Kind ist drei Jahre alt“, sagt sie über sich. „Und ich bin stolz, dass ich bei diesem Projekt mitmachen kann. Wer dieses T-Shirt kauft, unterstützt auch mich persönlich und meine Familie.“ Dieser direkte Bezug zwischen Produzent und Konsument ist mehr als ein Marketinggag.

„Besser statt billig – das gilt auch für immer mehr Verbraucher auf der ganzen Welt, die wissen wollen, unter welchen Umständen ihr Kleidungsstück hergestellt worden ist “, sagt Michael Knoche von der internationalen Abteilung der IG Metall. Mit den südafrikanischen Gewerkschaften unterhält die IG Metall traditionell enge Beziehungen. „Wir setzen uns weltweit für eine faire, sozial nachhaltige Produktion in den globalen Lieferketten ein“, sagt Knoche. „Nur mit starken Gewerkschaften, die international und solidarisch zusammenarbeiten, kann es gelingen, die Sozialstandards und Arbeitsplätze in jedem Land zu sichern oder sogar zu verbessern.“

Nicht nur das Produkt, auch die Fabrik, wo es entstanden ist, hat eine besondere Geschichte. Den Beschäftigten in Epping ging es nicht immer so gut. Während der Apartheid wurden in der Textilfabrik schwarze Arbeitnehmer ausgebeutet. Grundlage waren die Passgesetze des Apartheidregimes. Nur wer Arbeit hatte, durfte hier bleiben. Wer nicht mehr arbeiten konnte, wurde in eines der sogenannten Homelands abgeschoben. Der Widerstand des ANC gegen die Passgesetze und das rassistische Regime führte dazu, dass viele Aktivisten zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Nelson Mandela verbrachte 27 Jahre im Gefängnis, während die Fabrik in Epping ihre Garne in alle Welt exportierte.

Anfang der 1990er Jahre ging es mit der südafrikanischen Textilindustrie rapide bergab. Der Textilfabrik in Epping drohte im Jahr 2013 die Schließung und über 2000 Beschäftigten der Verlust ihres Arbeitsplatzes. Als die Suche nach einem Investor erfolglos verlief, übernahm die Textil-Gewerkschaft SACTWU gut 90 Prozent am Unternehmen. „Wenn wir die Wahl gehabt hätten, würden wir als Gewerkschaft keine Fabrik besitzen“, sagt Simon Eppel, von der Forschungsabteilung von SACTWU. Aber es gab eben keine Wahl. „Die Situation war die, dass wir einspringen mussten, um die Arbeitsplätze zu retten.“

Seitdem hat die Firma sich wieder berappelt. Die Arbeitsplätze sind sicher, das Unternehmen wächst. Auch dank Aufträgen wie dem Nelson-Mandela-T-Shirt. Heute arbeiten mehr als 3600 Beschäftigte in tariflich abgesicherten Jobs. Die Arbeitsbedingungen haben sich entschieden verbessert und die Fabrik hat einen Betriebsrat. Simon Eppel spricht vom veränderten Verhältnis zwischen Chefs und Angestellten. „Vor ein paar Jahren hat hier noch der Boss unserem Sekretär die Knarre ins Gesicht gehalten“, erinnert er sich. Ein anderes Verhältnis existiert heute auch unter den Arbeitern. Janine Welcome ist Betriebsrätin und Vorarbeiterin in der Produktionslinie des Nelson-Mandela-T-Shirts. „Wir arbeiten hier wie in einer Familie, egal welche Hautfarbe wir haben“, sagt sie.

In einem gemeinsamen Betriebsberatungsprojekt mit der IG Metall haben sie die Produktion in dieser Linie auf effizientere Methoden umgestellt – mit Beteiligung der Beschäftigten und auch zu ihrem Vorteil: eine höhere Produktivität, zumal in einem gewerkschaftseigenen Betrieb, führt eben nicht zwangsläufig zu Entlassungen, sondern ermöglicht gute Arbeit am Kap der guten Hoffnung.

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