Kinder und Hartz IV
Kinderarmut ist weiterhin ein Problem

Angeblich ist in Deutschland das Risiko von Kinderarmut gesunken. Laut Bundesregierung sind weniger Kinder als vor fünf Jahren auf Hartz IV angewiesen. Doch Kritiker warnen davor, das Problem schönzureden. Nach wie vor lebt etwa jedes sechste Kind am Rande des Existenzminimums.


2. Februar 20122. 2. 2012


Zahlen sind geduldig, mit der passenden Statistik lässt sich viel schönreden. Ein aktuelles Beispiel lieferte Bundesarbeitsministerin von der Leyen. In Deutschland sind weniger Kinder auf Hartz IV angewiesen, verkündete sie vor kurzem. Zwischen September 2006 und September 2011 sei die Zahl der unter 15-Jährigen, die von staatlicher Grundsicherung leben, gesunken, nämlich von 1,9 Millionen um etwa 257 000 auf knapp 1,64 Millionen.

,,Die Kinderarmut in Deutschland sinkt, das ist ein gutes Zeichen’’, sagte von der Leyen und wertete den Rückgang als Erfolg der Reformen am Arbeitsmarkt. Diese hätten dafür gesorgt, dass immer mehr Väter und Mütter aus Hartz IV in Arbeit gekommen seien. ,,Das ist die Ernte dessen, was wir in letzten Jahren an Kraftanstrengungen unternommen haben.’’

Demografisch bedingt

Aber ist das wirklich so wie dargestellt? Ein wichtiger Faktor, der in dieser Interpretation der Bundesregierung fehlt, ist die demografische Entwicklung. Denn in dem Vergleichszeitraum zwischen 2006 und 2011 ist auch die Zahl der Kinder insgesamt gesunken. Es gab 2011 nämlich 750 000 weniger Kinder unter 15 Jahren als 2006.

Da ist es kein Wunder, dass in absoluten Zahlen heute weniger Kinder auf Hartz IV angewiesen sind. Der Rückgang ist also hauptsächlich ein Effekt der Bevölkerungsentwicklung. Geändert hat sich nämlich nichts an der Tatsache, dass etwa jedes sechste Kind in Deutschland am Rand des Existenzminimums leben muss.

Schlechtere Zukunftschancen

Die IG Metall warnt vor diesem Hintergrund davor, das Armutsrisiko für Kinder klein zu reden. Prekäre Arbeit und Niedriglohn sind oft der Hintergrund, warum es Kindern nicht so gut geht. Wenn die Eltern beispielsweise nicht mehr den Sportverein und die Klassenfahrt bezahlen können und überall knapsen müssen, beeinträchtigt das die Aufstiegschancen der Kinder. Ihre Entfaltungsmöglichkeiten in der Schule und später beim Berufseintritt sind schlechter als die von materiell gut abgesicherten Kindern.

Mit prekären Jobs können vor allem Alleinerziehende ihre Kinder nur schwer versorgen. Der IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber fordert daher eine faire Ordnung am Arbeitsmarkt. Dazu gehört die Umsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in der Leiharbeit, flächendeckende Mindestlöhne und bessere Chancen für Frauen, von Teilzeit und Minijobs in Vollzeitstellen zu wechseln.