„Das wird richtig cool“

Mit ihren 19 Jahren steht sie schon mitten im Berufsleben. Bei den Deutschen Edelstahlwerken in Siegen macht sie eine Ausbildung als Elektronikerin. Beim Gewerkschaftstag in Nürnberg ist Meike die jüngste Delegierte.

1. Oktober 20191. 10. 2019
Martina Helmerich


An einem normalen Werktag ist die Nacht für Meike Schlabach kurz nach vier vorbei. Nach dem Aufstehen und Frühstücken geht es von ihrem Heimatdorf nach Siegen. Hier bei den Deutschen Edelstahlwerken legt sie ihre orange-graue Arbeitskleidung an. Hose und Jacke sind aus schwer entflammbarem Stoff. Ihre langen kastanienbraunen Haare bindet sie zum Pferdeschwanz und lässt sie unter dem Helm mit ihrem Namenszug verschwinden. Auch die Schutzbrille, der handygroße Warnmelder, der die Konzentration von Kohlenstoffmonoxid in der Luft misst, und die Sicherheitsschuhe sind ständige Begleiter. Die komplette Ausrüstung mit der Meike jeden Tag ihre Schicht absolviert, wiegt ein paar Kilo. Die dauert von sechs Uhr in der Früh bis halb zwei nachmittags.


Blasen an den Händen 

Mit 16 begann für sie bei den Deutschen Edelstahlwerken ihre Ausbildung als Elektronikerin für Betriebstechnik. Sie kümmert sich darum, dass die elektrischen Anlagen des Stahlwerks funktionieren. Die Deutschen Edelstahlwerke produzieren unter anderem Stahl, der für weiterverarbeitende Betriebe wie Walzwerke gegossen wird. 1200 Beschäftigte arbeiten derzeit am Standort Siegen.

Zimperlich darf man für diese Tätigkeit nicht sein. Hier gibt es Staub und Hitze. Meike erinnert sich noch gut an die ersten Monate in der Ausbildungswerkstatt, wo sie aus einem U-Stahl einen Lastwagen feilen musste. »Das war schon hart, aber irgendwann habe ich mich an die Blasen an den Händen gewöhnt«, sagt sie lachend, sodass ihre Grübchen auf den Wangen zur Geltung kommen. Nun im letzten Ausbildungsabschnitt wird sie in der Instandhaltung im Stahlwerk eingesetzt. An manchen Standorten kommt es zu einer massiven Hitzestrahlung.

Dass sie das Gymnasium nach der 10. Klasse verlassen hat, um die Ausbildung hier zu machen, hat sie noch keinen Tag bereut. „Ich bin praktisch veranlagt, schon als Kind habe ich meinem Vater bei der Arbeit geholfen, der Heizungsbauer war. Ich finde das hier interessanter, als den Arbeitstag im Büro ­zuzubringen.“ Spannend findet sie auch die Entwicklung der Industrie 4.0 und wie diese die Arbeit in der Stahlindustrie hin zu mehr Automatisierung verändern wird.

Bei den Edelstahlwerken ist sie Vorsitzende der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Meike engagiert sich im Ortsjugendausschuss der IG Metall. Über diesen Weg kam sie auch zu ihrem Delegiertenmandat auf dem Gewerkschaftstag, der vom 6. bis 12. Oktober in Nürnberg stattfindet. Sie wird als eine von 483 Delegierten über knapp 800 Anträge diskutieren und abstimmen. „Ich habe alle Anträge einzeln gelesen. Für einen mache ich mich besonders stark, weil ich ihn selbst mitformuliert habe.“ Der Antrag fordert, dass alle Auszubildenden öffentliche Verkehrsmittel kostenlos nutzen dürfen.


Kostenloser Nahverkehr für Auszubildende

Der Antrag greift die Unzulänglichkeiten des öffentlichen Nahverkehrs auf, die im Siegerland wie auch in vielen anderen Regionen Deutschlands herrschen. Meike und viele ihrer Alterskollegen erleben das tagtäglich auf dem Weg zur Arbeit. Busse und Bahnen sind oft unzuverlässig und teuer. Die Verbindungen sind schlecht, etwa dann, wenn man um sechs Uhr die Schicht antreten muss.

Auch die Fahrt zur Berufsschule gestaltet sich oft schwierig und langwierig. Manche behelfen sich mit Fahrgemeinschaften. „Ich finde, da muss dringend etwas getan werden. Das Bus- und Bahnnetz muss dringend verbessert und die Fahrpläne müssen überarbeitet werden. Wenn Auszubildende die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen können, kommt das auch der Umwelt zugute.“

Was erwartet und erhofft sich Meike von dem Kongress in Nürnberg? „Ich freue mich auf viele neue Leute und tolle Begegnungen mit anderen Metallerinnen und Metallern. Ich hoffe, dass wir mit unseren Anträgen auch etwas verändern können. Und wenn wir in vier Jahren dann sehen, das haben wir damals beschlossen und das ist jetzt umgesetzt, das ist richtig cool. Da freue ich mich drauf, auch wenn die Woche in Nürnberg vielleicht etwas anstrengend wird.“

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