Ausbildungsmarkt 2017
Arbeitgeber bilden zu wenig aus

Erstmals seit sechs Jahren sind 2017 in Deutschland wieder mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen worden. Das ist zwar erfreulich, reicht aber nicht. Denn mehr als 80 000 Jugendliche gingen in diesem Jahr in Sachen Ausbildungsplatz leer aus. Und die Zahl der ausbildenden Betriebe sinkt weiter.

16. Februar 201816. 2. 2018


Einmal jährlich veröffentlicht die IG Metall ihre Bilanz zur gegenwärtigen Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Um das Fazit gleich vorwegzunehmen: Der Ausbildungsmarkt steht weiterhin vor großen Herausforderungen.

 

 
Foto: Fotolia / Monkey Business
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Viele junge Menschen zeigen Interesse an einer beruflichen Ausbildung. Deutlich mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs sehen sie als interessante Perspektive. Aber: Viel zu wenige der Interessenten erhalten tatsächlich einen Ausbildungsplatz.

Hier die zentralen Ergebnisse der IG Metall-Ausbildungsbilanz 2017:

Abgeschlossene Ausbildungsverträge: Erstmals leichter Zuwachs

Rund 523 000 Ausbildungsverträge wurden insgesamt im Jahr 2017 neu abgeschlossen. Damit ist die Zahl zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder gestiegen.

 


Während vor allem im Handwerk deutlich mehr betriebliche Ausbildungsverträge unterzeichnet wurden, gehen die Zahlen im Bereich Industrie- und Handel kontinuierlich weiter zurück.

 

 

 

 

 

IT-Berufe wachsen kräftig

Die gewerblich-technischen Berufe der Metall- und Elektroindustrie verzeichnen erstmals seit 2012 ein leichtes Plus bei der Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge. Grund zu ausgelassener Freude ist das dennoch nicht: Zwar wurden im Jahr 2017 insgesamt 357 Verträge mehr abgeschlossen als im Vorjahr. Allerdings sind das immer noch rund sieben Prozent weniger als im Jahr 2012.

Leicht angestiegen sind die abgeschlossenen Verträge in den technischen Konstruktionsberufen, wie technischer Produktdesigner oder technischer Systemplaner.

Bei den IT-Berufen macht sich die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt deutlich bemerkbar. Hier ging es weiter steil bergauf. Im vergangenen Jahr wurden rund elf Prozent Auszubildende hinzugewonnen.

Auch in bei den größeren Handwerksberufen, die im Zuständigkeitsbereich der IG Metall liegen, gehen die Zahlen weiter nach oben. Sie haben 2016 mit Ausnahme des Metallbauers bei den abgeschlossenen Neuverträgen zugelegt – allen voran die Kfz-Mechatroniker: Hier gab es 756 mehr unterschriebene Ausbildungsverträge als 2016.

Anders sieht es bei den für die M E-Industrie relevanten kaufmännischen Berufen aus. Hier gehen die abgeschlossenen Neuverträge weiter zurück – um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr und sogar um rund elf Prozent verglichen mit 2012.

 

Viele Jugendliche gingen trotz Interesse leer aus

Von rund 806 000 Jugendlichen, die sich für eine Ausbildung interessierten, haben 2017 nur knapp 65 Prozent einen Vertrag unterschrieben.

 


Mehr als 80 000 waren Ende September weiterhin auf der Suche nach einer Lehrstelle. Am schwersten auf dem Ausbildungsmarkt haben es dabei Jugendliche ohne Schul- oder mit Hauptschulabschluss sowie Jugendliche mit Migrationshintergrund.

 


Mehr unbesetzte Ausbildungsplätze
Trotz der hohen Zahl leer ausgegangener, ausbildungsinteressierter Jugendlicher konnten 2017 rund 49 000 Ausbildungsplätze deutschlandweit nicht besetzt werden – und das längst nicht mehr nur in Berufen, die wegen der Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, der Bezahlung oder auch der beruflichen Perspektive für Jugendliche wenig attraktiv erscheinen. Auch bei beliebten Berufen, wie Fachinformatikern, Kaufleuten für Büromanagement oder Kfz-Mechatronikern blieben viele Stellen unbesetzt.




 

Neben regionalen Gründen und Attraktivitätsproblemen bei einigen Berufen spielt aber durchaus die Tatsache eine Rolle, dass Betriebe Bewerberinnen und Bewerber oft als nicht ausreichend geeignet sehen.

 

Bedeutung des dualen Studiums nimmt weiter zu
Das duale Studium befindet sich seit Jahren auf Wachstumskurs. Das zeigen die vom Projekt AusbildungPlus des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) erhobenen Studierendenzahlen. Im Jahr 2016 sind hier erstmals mehr als 100 000 dual Studierende registriert worden – mehr als doppelt so viele wie 2011. Zu beachten gilt allerdings: Es handelt sich hier um freiwillig gemeldete Daten der Anbieter – eine umfassende Meldepflicht dieser Ausbildungsverhältnisse besteht nicht.
 

 

 

Die große Relevanz dieses Ausbildungsweges ist nicht zu leugnen. Ob im Gesetz oder oft auch auf tarifvertraglicher Ebene – aktuelle Regelungen werden dieser Bedeutung allerdings nur bedingt gerecht. Die IG Metall fordert deshalb qualitätssichernde Vorgaben für betriebliche Praxisphasen im Berufsbildungsgesetz ebenso wie die Mitwirkung der Sozialpartner an der Gestaltung der Studienordnungen.

 

Immer weniger Betriebe bilden aus
Die Ausbildungsquote beschreibt das Verhältnis zwischen den Beschäftigten eines Betriebes und den dort beschäftigten Auszubildenden.

Insgesamt sind die Ausbildungsquoten in den Betrieben der von der IG Metall vertretenen Wirtschaftszweige weiter rückläufig und viel zu niedrig. Sie liegt laut Daten der Bundesagentur für Arbeit im Durchschnitt bei rund 4,9 Prozent. Der Maschinenbau ist zwar mit einer Quote von 6,3 Prozent (noch) Spitzenreiter in Sachen Ausbildungsbeteiligung. Gleichzeitig ging dort die Zahl der Auszubildenden mit 1 300 weniger gegenüber dem Vorjahr aber am stärksten zurück.

Aber nicht nur die Zahl der Auszubildenden in den Betrieben ist niedrig. Auch die Zahl der Betriebe, die ausbilden geht weiter kontinuierlich zurück. Zuletzt haben nur noch 20 Prozent aller Betriebe in Deutschland Auszubildende eingestellt – das ist historischer Tiefstand.

Die komplette IG Metall Ausbildungsbilanz 2017 mit weiteren Grafiken und Zahlen gibt es hier.

 

Mehr ausbilden – auch im Eigeninteresse der Betriebe

Fest steht: Die Herausforderungen am Ausbildungsmarkt bleiben groß. Viele Ausbildungsplätze wurden nicht besetzt – obwohl gleichzeitig viele Bewerberinnen und Bewerber leer ausgingen. Teilweise lässt sich das zurückführen auf regionale Verwerfungen zwischen Angebot und Nachfrage. Aber spätestens bei der Vielzahl unbesetzter Stellen in bei Jugendlichen beliebten Berufen, wie Fachinformatiker oder Kaufleute für Büromanagement, stößt diese Theorie an Grenzen. Hier gilt es für die Betriebe, ihr Auswahlverhalten auf den Prüfstand zu stellen.

Vielen jungen Menschen ist der Zugang zu guter und qualifizierter Arbeit weiterhin verwehrt – und das wird auch so bleiben, wenn nicht wieder mehr Betriebe bereit sind, sich an der Ausbildung junger Menschen zu beteiligen – insbesondere in Regionen, in denen es an Ausbildungsplätzen fehlt.

Gerade das zu tun, sollte auch Eigeninteresse der Betriebe sein. Denn den Fachkräftemangel einerseits zu beklagen, andererseits aber nicht in deren Ausbildung zu finanzieren, passt nicht zusammen.


Ziel bleibt die Ausbildungsgarantie

Als Partner der Allianz für Aus- und Weiterbildung setzt sich die IG Metall für eine deutliche Verbesserung für alle jungen Menschen ein, die eine Ausbildung suchen.

Deshalb fordert die IG Metall:

  • alle Betriebe müssen für die Fachkräfteausbildung stärker in die Verantwortung genommen werden
  • gezielte Ansprache und Beratung von Betrieben in Regionen mit Versorgungsproblemen
  • Aufklärung zu bestehenden Fördermöglichkeiten für Jugendliche mit Förderbedarf und für Betriebe, die diese ausbilden (ausbildungsbegleitende Hilfen (abH), assistierte Ausbildung (AsA), Einstiegsqualifizierung (EQ))
  • eine wirksame Ausbildungsgarantie für alle Jugendlichen
  • eine Überprüfung und Erweiterung von Instrumenten, die die Mobilität von Jugendlichen fördert (Azubi-Ticket, Azubi-Wohnheime etc.)

 

Betriebsrat: Aktiv werden für mehr Ausbildung

Und auch auf betrieblicher Ebene müssen vorhandene Initiativen gestärkt und neue gestartet werden. Dabei sind die Betriebsräte besonders gefordert. Sie müssen die berufliche Ausbildung zum Thema im Betrieb machen.

Das Betriebsverfassungsgesetz bietet konkrete Informations-, Beratungs- und Mitbestimmungsrechte. Das betriebliche Ausbildungsplatzangebot muss auf den Prüfstand, bei der Auswahl neuer Auszubildender müssen alle Jugendlichen berücksichtigt und gegebenenfalls Fördermöglichkeiten genutzt werden.

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