Union Busting-Fall bei Stöger Automation: Die Geschäftsleitung des Schraubenautomatenherstellers im bayerischen Königsdorf will ihrem Betriebsratsratsvorsitzenden kündigen und hat ihm ein Hausverbot erteilt.
Grund des Streits: Die Geschäftsleitung will den Beschäftigten ihr Kurzarbeitergeld kürzen. Die im Betrieb vereinbarte Aufstockung auf bis zu 90 Prozent des Nettos soll entfallen, was für einzelne Beschäftigte über 20 Prozent Lohnverlust bedeuten würde. Zudem will die Geschäftsleitung Schichtarbeit einführen.
Eigentlich sollten dazu reguläre Verhandlungen stattfinden und die rund 130 Beschäftigten an der Gestaltung der Schichtmodelle beteiligt werden.
Doch die Geschäftsleitung setzte den Betriebsratsvorsitzenden mit Hilfe von Union-Busting-Anwälten vor die Tür – und legte dem übrigen Betriebsrat einen Tag danach Betriebsvereinbarungen nach seinen Vorstellungen zur Unterschrift vor.
So nicht: Die IG Metall Weilheim besorgte dem Betriebsratsratsvorsitzenden einen Wohnwagen als mobiles Betriebsratsbüro in der Nähe der Firma. Aktive Metallerinnen und Metaller aus Betrieben in der Region demonstrierten ihre Solidarität. Und der Betriebsrat ging mit Hilfe der IG Metall vor Gericht.
Soli-Demo von Metallerinnen und Metaller für den Betriebsrat bei Stöger.
„Wir verstehen nicht, warum die Geschäftsleitung eines Familienunternehmens so mit dem Betriebsratsvorsitzenden umgeht“, erklärt Karl Musiol, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Weilheim. „Er ist Entwicklungsingenieur und ein vernünftiger, besonnener Gesprächs- und Verhandlungspartner.“
Am Arbeitsgericht München kam am Donnerstag ein Vergleich heraus: Der Betriebsrat durfte wieder herein. Und es wurde ein Mediationsverfahren vereinbart, um Vertrauen neu aufzubauen.
Doch die Bereitschaft der Geschäftsleitung zur Mediation wirkt schon einen Tag nach der Gerichtsverhandlung höchst fragwürdig: Als der Betriebsrat am Freitag in den Betrieb kommt, legt ihm die Geschäftsleitung erneut eine Kündigung vor.
Zudem darf der Betriebsratsvorsitzende, der lieber in den öffentlichen Medien anonym bleiben will, weiterhin nicht seiner für das Unternehmen wichtigen Arbeit als Entwicklungsingenieur nachgehen (Er ist als Betriebsrat in einem Betrieb unter 200 Beschäftigten nicht freigestellt). Und er erhält auch kein Gehalt. Auch dagegen geht er mit der IG Metall vor Gericht, allerdings kann sich Verfahren monatelang ziehen. Bis dahin wird der Betriebsratsvorsitzende von der IG Metall unterstützt.
„Die wollen ihn aushungern“, kritisiert Wolfgang Thurner, Leiter der Anlaufstelle Union Busting beim IG Metall-Vorstand. „Er will arbeiten. Kollegen haben ihn bereits angesprochen und ihm gesagt, dass sie seine Arbeitskraft benötigen. Doch die Geschäftsführung lässt ihn nicht. Dafür bezahlen sie dann eine Rechtsanwaltskanzlei für Tausende von Euros, die das Betriebsklima nachhaltig zerstört.“
Der Betriebsratsvorsitzende ist seit 12 Jahren in der Firma und hat als Entwicklungsingenieur immer gut mit der Geschäftsleitung zusammengearbeitet. Vor zwei Jahren gründete er den Betriebsrat bei Stöger Automation mit. Damals kandidierten über 20 der 130 Beschäftigten für den Betriebsrat. Die Wahlbeteiligung lag bei 98 Prozent.
Mit dem neuen Betriebsrat haben sie dann mehr als 20 gute Betriebsvereinbarung in dem nicht tarifgebundenen Betrieb ausgehandelt. Das war dem Arbeitgeber offenbar ein Dorn im Auge.
Trotz alledem: Der Betriebsratsvorsitzende und die IG Metall wollen wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit bei Stöger kommen und setzen daher weiter auf die Mediation – für ein gutes Miteinander und faire Bedingungen für alle bei Stöger.
In einem geschützten Rahmen und mit externer Moderation gilt es, zu einer vertrauensvollen und konstruktiven Zusammenarbeit zu finden – zum Wohle aller Beschäftigten bei Stöger.
„Union Busting“ (Gewerkschaftsbekämpfung) und Betriebsratsmobbing bezeichnet die systematische Bekämpfung von Gewerkschaften und Betriebsräten. Es handelt sich dabei um gezielte Maßnahmen von Unternehmen, um die gesetzliche Mitbestimmung der Beschäftigten zu verhindern oder zu schwächen. Dafür engagieren sie oft externe Berater und spezialisierte Anwaltskanzleien.
Kanzleien, die häufig in Verbindung mit Union Busting genannt werden, sind beispielsweise Schreiner + Partner, Buse Heberer Fromm, Hogan Lovells, Küttner und Taylor Wessing.
Die permanenten juristischen Angriffe der Union Buster laufen zwar stets ins Leere, da insbesondere Betriebsräte gesetzlich besonders vor Kündigung geschützt sind – doch werden die betroffenen dadurch systematisch psychisch zermürbt.
Die IG Metall unterstützt von Union Busting Betroffene konsequent, unter anderem über ihre Anlaufstelle Union Busting.
Zwar ist das ursprünglich aus den USA kommende Union Busting in den letzten Jahrzehnten auch in Deutschland immer häufiger geworden, insbesondere bei der Neugründung von Betriebsräten - doch sind Fälle wie Stöger immer noch die Ausnahme. In den allermeisten Betrieben wird die Mitbestimmung der Beschäftigten und ihrer Betriebsräte nach deutschen Gesetzen respektiert.