19. Mai 2023
Arbeitsmodell Vier-Tage-Woche
Fragen und Antworten zur Vier-Tage-Woche
Die Vier-Tage-Woche: Wo gibt es sie? Wie funktioniert sie? Was muss bei einer guten Vier-Tage-Woche geregelt sein? So ermöglicht die IG Metall mit ihren Tarifverträgen eine Vier-Tage-Woche – oder andere individuelle Arbeitszeitmodelle, die zu Deinem Leben passen.

Nur noch vier statt fünf Tage in der Woche arbeiten: Die Vier-Tage-Woche macht Beschäftigte glücklicher und produktiver – und Betriebe attraktiver für Fachkräfte. Das zeigen zahlreiche Studien aus mehreren Ländern.

Auch in Deutschland wünschen sich 81 Prozent der Beschäftigten eine Vier-Tage-Woche – vor allem, weil sie so Arbeit und Leben besser vereinbaren können. Allerdings: 73 Prozent würden das nur bei gleichem Lohn machen – also mit einem vollen Lohnausgleich.

In der Stahlindustrie diskutieren die Tarifkommissionen der IG Metall gerade darüber, in den Tarifverhandlungen im Herbst mit der Forderung nach einer Vier-Tage- oder genauer mit einer 32-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich anzutreten.

Vier-Tage-Woche gibt es längst

Die Verkürzung der Arbeitszeit war von Beginn an das zentrale Thema der Gewerkschaften und besonders der IG Metall. 1984 etwa haben wir sechseinhalb Wochen gestreikt – für die Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden in der Woche, bei vollem Lohnausgleich. Unser Motto damals: Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen.

1993 setzte die IG Metall erstmals die Vier-Tage-Woche durch, bei VW, um Arbeitsplätze zu sichern.

Mittlerweile bieten zahlreiche Tarifverträge der IG Metall verschiedene Möglichkeiten für Beschäftigte und Betriebe, ihre Arbeitszeiten ihren Bedürfnissen anzupassen. Wir erklären Euch, wo und wie das geht – und wie damit auch eine Vier-Tage-Woche möglich ist.

 

 

Was heißt „Vier-Tage-Woche“? Montag bis Donnerstag für alle?

Die IG Metall steht grundsätzlich für individuelle Arbeitszeitmodelle, die Beschäftigte mitbestimmen können und die zu ihrem Leben passen, und nicht für eine starre Arbeitszeit für alle. Die Tarifverträge der IG Metall ermöglichen eine große Bandbreite von Wahlmöglichkeiten für Beschäftigte und Betriebe. Die Vier-Tage-Woche wird als eine besonders effektive Variante herausgehoben. Dabei sind aber keineswegs Tage vorgegeben, sondern das können beliebige vier Arbeitstage in der Woche sein, gleich oder unterschiedlich lang.

Warum die Vier-Tage-Woche?

Studien zeigen: Die Vier-Tage-Woche ist gesünder, weil sie einen Tag mehr Erholung bietet. Dadurch können Beschäftigte auch effizienter und produktiver für den Betrieb arbeiten. Sie müssen einen Tag weniger zur Arbeit fahren und sparen so auch Energie und CO2. Zudem hast Du einen Tag mehr zum Leben, kannst Dich um Kinder oder Eltern kümmern. Das fördert die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben für Frauen und Männer.

Das nutzt auch den Betrieben: Sie werden durch die Vier-Tage-Woche attraktiver und können dadurch mehr Fachkräfte für sich gewinnen. Derzeit gibt es noch große Potenziale, etwa bei den Frauen: Nur rund 73 Prozent arbeiten, davon knapp die Hälfte in Teilzeit.

Aber Achtung: Die Vier-Tage-Woche kann auch kippen, stressig und ungesund werden, etwa wenn die wöchentliche Arbeitszeit unverändert einfach auf vier statt auf fünf Tage verteilt wird und Beschäftigte dann bis zu zehn Stunden oder mehr am Tag arbeiten sollen. So nicht. Es muss eine gute Vier-Tage-Woche sein.

Was ist eine „gute“ Vier-Tage-Woche?

Maximal 32 Stunden an vier Arbeitstagen in der Woche. Diesen Grundsatz verfolgt die IG Metall. Das bedeutet im Schnitt einen Acht-Stunden-Tag. Der war bereits vor 150 Jahren die zentrale Forderung der Gewerkschaften: Ab acht Stunden ermüden Beschäftigte immer schneller – und das Risiko für Fehler, Arbeitsunfälle und Krankheiten steigt exponentiell an. Laut Arbeitszeitgesetz sind daher höchstens zehn Stunden am Tag erlaubt.

Viele Arbeitgeber und ihre Verbände wollen die Zehn-Stunden-Grenze am liebsten abschaffen. Und immer mehr Betriebe halten sich einfach nicht ans Gesetz. Denn staatliche Kontrollen gibt es kaum noch.

Also gilt es genau hinzuschauen, wenn Arbeitgeber eine Vier-Tage-Woche anbieten. Wie viele Stunden am Tag? Und wer bestimmt? Nur der Chef – oder auch ich?

Mit IG Metall-Tarifvertrag und Betriebsrat ist Deine Vier-Tage-Woche sauber geregelt.

Wann gibt es einen Lohnausgleich – und wie viel?

Klar ist, wer seine Arbeitszeit etwa von 35 auf 28 Stunden in der Woche reduziert, muss sich das auch leisten können. Einen teilweisen Lohnausgleich vom Arbeitgeber gibt es dafür nur in bestimmten Fällen – vor allem dann, wenn nach den Tarifverträgen der IG Metall zur Beschäftigungssicherung die Arbeitszeit abgesenkt wird.

Auf eigenen Wunsch die Arbeitszeit verkürzen und auf eigene Kosten auf vier Tage gehen – das können sich bislang nur die gut bezahlten Beschäftigte leisten. Nur rund zwei Prozent der Beschäftigten bundesweit haben eine Vier-Tage-Woche.

Dabei profitiert der Arbeitgeber ja davon, da die Beschäftigten produktiver arbeiten. Das sollte den Lohnausgleich teilweise wieder kompensieren, haben Forscher der Hans-Böckler-Stiftung ermittelt.

Was diskutiert die IG Metall jetzt in der Stahlindustrie?

In der Stahlindustrie arbeitet bereits jetzt schon fast die Hälfte der Beschäftigten weniger als 35 Stunden, weil ihr Betrieb krisenbedingt zur Beschäftigungssicherung die Arbeitszeit reduziert hat, oder weil sie einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung zum Thema Wahlarbeitszeit haben. In fast allen Fällen haben die Beschäftigten in den letzten Jahren auf viel Geld verzichtet.

Daher diskutieren die IG Metall-Tarifkommissionen jetzt, ob sie mit dieser Forderung in die Tarifrunde im Herbst ziehen wollen: eine Verkürzung auf 32 Stunden, etwa verteilbar auf vier Tage, als Option sowohl für Betriebe, als auch für Beschäftigte – aber mit Lohnausgleich.

Das würde allen helfen: Die Stahlindustrie steht vor der Transformation von Kohle zu Wasserstoff, Arbeitsplätze werden wegfallen, etwa weil keine Kokereien mehr gebraucht werden. Andererseits fehlen der Branche jetzt schon Fachkräfte – und Tausende werden in den nächsten Jahren in Rente gehen. Also ist es besser, jetzt schon Arbeitszeiten zu reduzieren und attraktive Wahlmöglichkeiten für Fachkräfte anzubieten. Lieber jetzt agieren und für die Beschäftigten der Stahlindustrie Perspektiven und Sicherheiten bieten, als in wenigen Jahren nur noch reagieren zu müssen. Stahl ist Zukunft. Deshalb ist es wichtig auch mit attraktiven Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte von morgen zu werben. Die soziale Transformation funktioniert nur mit den Beschäftigten und der Mitbestimmung.

Wird der Fachkräftemangel nicht noch schlimmer, wenn wir auf vier Tage runtergehen?

Zunächst sollen nicht alle Betriebe und Beschäftigten pauschal auf vier Tage gehen, sondern nur nach Bedarf.

Die wegfallende Arbeitszeit kann laut Studien kompensiert werden: Zum einen steigt bei kürzeren Arbeitszeiten die Produktivität, da Beschäftigte mit kürzeren Arbeitszeiten einfach ermüdungsfreier, konzentrierter und effizienter arbeiten. Zum anderen sind Betriebe mit kürzeren und flexibleren Arbeitszeiten attraktiver für Beschäftigte. Arbeit und Leben werden besser vereinbar. Dadurch könnten Millionen Frauen gewonnen werden, die derzeit etwa wegen der Familie gar nicht oder nur in Teilzeit arbeiten können.

Wie viel Urlaubstage habe ich, wenn ich auf vier Tage gehe?

Meistens ändert sich zumindest an der Dauer des Urlaub in Wochen praktisch gar nichts.

Es kommt jedoch darauf an, ob Dein Betrieb einen Tarifvertrag hat und was da drinsteht – oder ob die gesetzliche Regelung gilt und was in Deinem Arbeitsvertrag steht. Es gibt zig Regelungen.

Laut Gesetz hast Du 24 Werktage (inklusive Samstag) Urlaub im Jahr, was bei einer 5-Tage-Woche dann 20 Arbeitstage macht – und bei einer 4-Tage-Woche 16 Arbeitstage. Die Formel zur Berechnung ist: 24 Werktage geteilt durch 6 Werktage pro Woche mal Anzahl der Arbeitstage pro Woche. Im Endeffekt kommen aber immer vier Wochen Jahresurlaub heraus: Wer bei einer 4-Tage-Woche 16 Tage Jahresurlaub hat, kann damit – ebenso wie ein Beschäftigter mit etwa einer 6-Tage-Woche und 24 Tagen Jahresurlaub – vier Wochen Urlaub im Jahr machen.

Laut vielen Tarifverträgen, insbesondere laut den Tarifverträgen der IG Metall, hast Du 30 Arbeitstage Jahresurlaub, was bei einer Fünf-Tage-Woche sechs Wochen im Jahr macht. Die genauen Regelungen sind oft unterschiedlich, auch innerhalb einer Branche: Laut Tarif Metall- und Elektroindustrie Bayern (Manteltarifvertrag §18) verringert sich die Zahl der Urlaubstage bei einer Vier-Tage-Woche um 1/5 auf 24 Urlaubstage. Laut Metalltarif Baden-Württemberg (Urlaubsabkommen) hingegen wird einfach so getan, als hätte der Beschäftigte weiterhin eine Fünf-Tage-Woche. Komplex wird es nur bei einzelnen Urlaubstagen. Bei den Urlaubswochen ist das Ergebnis das gleiche: Beschäftigte haben einen Jahresurlaub von sechs Wochen.

Allerdings gibt es auch in den Branchen und Betrieben der IG Metall hunderte verschiedener Tarifregelungen zur Urlaubsdauer. Fragt daher unbedingt Euren Betriebsrat oder Eure IG Metall vor Ort, welche Regelung bei Euch im Betrieb gilt.

 


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