17. Juli 2017
Ausbildung
Berufe für die digitale Fabrik
In der digitalen Fabrik der Zukunft erarbeiten Facharbeiter selbstständig im Team Lösungen. In der Ausbildung von Siemens in Berlin lernen Auszubildende das schon heute – ohne Bauanleitung und ohne Vorgabe.

Eine Zahnradsortieranlage haben sie gebaut, voll automatisiert und vernetzt. Mechatronikazubi Cedrik Cukelj checkt mit dem Laptop noch einmal alle Sensoren und Aktoren auf Fehler. Neben ihm arbeiten andere Gruppen von Auszubildenden an ihren Projekten: ein Verpackungsautomat für Kleinteile, eine automatische Kugelschreibermontage. Mitten in der Ausbildungswerkstatt steht ein Kaffeeautomat, bei dem der Kaffeebecher von Station zu Station fährt.

Die Auszubildenden bei Siemens Professional Education (SPE) in Berlin haben alle Anlagen selbst konzipiert, geplant, montiert und programmiert. Sie verbauen und vernetzen Sensoren, Chips, Steuerungsgeräte und Aktoren. Viele Kunststoffteile, etwa den Becherhalter am Kaffeeautomaten, planen sie in 3D am PC und fertigen sie selbst mit dem 3-D-Drucker. Gleich mehrere davon stehen in einer Ecke der Ausbildungswerkstatt im dritten Stock des denkmalgeschützten Backsteinbaus in der Siemensstadt im Westen Berlins.

 

Mechatronikazubi Cedrik Cukelj bei der Diagnose einer Zahnradsortieranlage. Die Anlage haben Azubis bei Siemens in Berlin selbst geplant, gebaut und programmiert. (Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de)

 


Einige Auszubildende haben sich sogar schon selbst einen 3-D-Drucker gebaut, einfach so, weil sie es konnten. „Wenn wir so weit sind, haben wir es geschafft“, meint Ausbildungsleiter Lars Wißmann. Dann sind die Auszubildenden fit für die Arbeit in der digitalen, vernetzten Fabrik 4.0 der Zukunft.


Selbst Lösungen finden

Die Auszubildenden erhalten für ihre selbst gebauten Anlagen keine Anleitung und keinen Bauplan. Und kein Ausbilder gibt ihnen vor, was sie machen sollen. Die Ausbilder sind hier eher Coaches, die vorbeikommen, nachfragen und Tipps geben. Die Auszubildenden sollen Lösungen finden, selbstständig, in berufeübergreifenden Teams, so wie nach Meinung von Experten auch in Zukunft die Arbeit in der Fabrik 4.0 laufen wird.

Angehende Mechatroniker, Zerspanungsmechaniker und Elektroniker arbeiten mit angehenden Kaufleuten und Ingenieuren an einem gemeinsamen Projekt. Dabei geht es um mehr, als nur möglichst viel digitale Technik zu verbauen. Es geht darum, die verfügbare Technik sinnvoll einzusetzen, sie zu vernetzen und damit einen Fertigungs- und Geschäftsprozess zu gestalten, vom Auftragseingang bis zum Vertrieb.

Dabei sind bereits durchaus innovative und marktfähige Produkte herausgekommen. Etwa eine Art „Packstation“, die jedem Auszubildenden das nötige Werkzeug nach seinen hinterlegten Projektdaten zur Verfügung stellt. Der Azubi hält seine RFID-Karte an den Sensor und sein bereits bestücktes Fach öffnet sich. Die Pforte hat bereits eine solche Anlage als automatisches Schließfach für Besucher angefragt. Gleich daneben steht eine Infosäule, die verschiedene Azubi-Projekte als 3-D-Holografien präsentiert. Vier Ausbildungsgruppen haben über ein Jahr lang daran getüftelt.


Digitalisierung lernen

Die technischen Grundlagen der Digitalisierung lernen die Metall- und Elektroauszubildenden bei SPE ein Stockwerk weiter oben. Dort steht die „Digitalisierungsstraße“ mit der neuesten Technik, die gerade auf dem Markt ist. An ihr können die Auszubildendenwie an einem Baukasten herumprobieren, Module ein- und ausbauen und umprogrammieren. Die passende Theorie gibt es gleich nebenan, in der Siemens-eigenen Berufsschule. Doch ebenso wichtig wie das technische Wissen sind die persönlichen Kompetenzen wie Kommunikation, Zusammenarbeit im Team, Organisation, betont Ausbilder Erik Engwer. Er war Mitglied des Strategieprojekts „Industrie4.0@SPE“ bei Siemens, das zwei Jahre lang die Anforderungen an Ausbildung in der Digitalisierung analysiert hat. Auch der Betriebsrat und die Jugend- und Auszubildendenvertretung waren beim Strategieprojekt dabei.

„Wir haben überlegt: Welche Auswirkungen hat Industrie 4.0 für unsere Betriebe?“, erklärt Engwer. „Und welche Kompetenzen brauchen unsere Mitarbeiter in Zukunft?“

Heraus kamen zusätzliche digitale Ausbildungsinhalte als Ergänzung zu den normalen Ausbildungsrahmenplänen in den Berufen, die Siemens in seinen bundesweit 33 SPE-Ausbildungszentren ausbildet.


Ausbildung der Zukunft

Siemens Professional Education ist Vorreiter in Sachen Ausbildung für die Digitalisierung. Vor allem das Ausbildungszentrum in Berlin gilt weltweit als wegweisendes Vorzeigeobjekt. Wirtschaftsvertreter und Politiker geben sich die Klinke in die Hand. Gerade war der indische Premierminister Modi zu Besuch. Und die Tochter des US-Präsidenten Ivanka Trump.

Siemens bildet hier in Berlin auch zahlreiche Auszubildende internationaler Siemens-Standorte aus, die im Apartmenthaus nebenan wohnen. Und viele externe Firmen investieren viel Geld dafür, dass ihre Auszubildenden bei SPE ausgebildet werden.

Vieles spricht dafür, dass die Ausbildung von Mechatronikern, Zerspanungsmechanikern, Industriemechanikern in Zukunft auch in anderen Betrieben so aussehen wird.

Allerdings: Die Grundlagen der Metallberufe bleiben auch in der Ausbildung der Zukunft bestehen: Bohren, Feilen, Sägen. Sowie es in den Ausbildungsrahmenplänen für Mechatroniker, Zerspanungsmechaniker und Industriemechaniker steht. Die digitalen Inhalte kommen bei Siemens integrierend dazu.

Das funktioniert. Die Experten von IG Metall und Arbeitgebern haben die Metall- und Elektroberufe bei ihrer letzten Modernisierung vor zehn Jahren bewusst prozessorientiert, flexibel und offen für technische Neuerungen angelegt.

Gerade haben IG Metall und Arbeitgeber die Berufsbilder und Ausbildungsinhalte neu überprüft. Sie wollen einige Metall- und Elektroberufe zumindest teilweise modernisieren, um sie an die neuen digitalen Anforderungen anzupassen. Ziel ist, dass die Betriebe ab August 2018 mit aktualisierten Inhalten ausbilden können.

Mechatroniker, Industriemechaniker, Zerspanungsmechaniker, Elektroniker für Betriebstechnik und weitere gehören zu den industriellen Metall- und Elektroberufen. Die Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre. Mehr Infos zur Berufsgruppe und den einzelnen Berufen findet Ihr hier.


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