10 Stunden Arbeiten am Tag sind Arbeitgebern und CDU/CSU nicht genug. Sie wollen das Arbeitszeitgesetz „flexibilisieren“. Der Plan: Die gesetzliche Obergrenze von 10 Stunden am Tag soll fallen, stattdessen soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit her, fordert BDA-Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger.
Der pauschale Vorwurf, der immer mitschwingt: Die Deutschen arbeiten angeblich zu wenig. „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können“, tönte Bundeskanzler Merz beim Wirtschaftsrat der CDU unter dem Applaus der anwesenden Unternehmer und Manager.
Sind wir wirklich zu faul? Die Zahlen zeigen etwas anderes. Die Deutschen arbeiten so viel wie nie: 2024 haben Beschäftigte in Deutschland rund 54,7 Milliarden Arbeitsstunden geleistet – acht Milliarden mehr als vor 20 Jahren. Und die Realität in den von der IG Metall betreuten Betrieben hat mit dem von Merz und den Arbeitgebern gezeichneten Bild nichts zu tun.
„Die Realität in den Betrieben passt nicht zu der Debatte um eine Arbeitszeit-Verlängerung. Die von den Arbeitgebenden angestoßene Arbeitszeit-Diskussion ist eine Scheindiskussion“, kritisiert die Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner. „In der Produktion bei uns in den Betrieben ist Arbeiten über zehn Stunden am Tag völlig weltfremd, denn da gibt es vielerorts Schichtsysteme, harte körperliche Belastung, auch über Kopf arbeiten kann man nicht über so viele Stunden. Zudem haben wir momentan viele Leute, die in einer zwangsweisen Vier-Tage-Woche stecken, ohne Lohnausgleich. Weil nicht genug Aufträge da sind.“
Viele Betriebe sind in der Krise, haben zu wenig Aufträge und reduzieren deshalb die Arbeitszeiten. Im ersten Quartal 2025 waren 518.000 Beschäftigte in Kurzarbeit – fast 200.000 mehr als im vierten Quartal 2024.
Noch öfter sind Arbeitszeiten durch Tarifverträge reduziert, etwa durch die Tarifverträge der IG Metall zur Beschäftigungssicherung, die eine Reduzierung der Arbeitszeiten ermöglichen, um Entlassungen zu verhindern.
In der Stahlindustrie etwa gibt es derzeit kaum einen Betrieb, in dem die vollen tariflichen 35 Stunden in der Woche gearbeitet werden. Fast alle haben wegen Auftragsmangel die Arbeitszeiten reduziert. Nach den Tarifverträgen zur Beschäftigungssicherung (TV Besch und TV BIT) ist hier eine Arbeitszeitreduzierung auf bis zu 28 Stunden möglich.
In der Metall- und Elektroindustrie nutzen zudem viele Betriebe die Möglichkeit, in Krisen das tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG) in freie Tage für alle umzuwandeln. Das tarifliche Zusatzgeld soll eigentlich Beschäftigten mit Kindern, Pflege oder Schichtarbeit die Möglichkeit bieten, statt dem Geld bis zu acht Tage zusätzlich im Jahr frei zu nehmen. Doch immer öfter vereinbaren Betriebsräte in kriselnden Betrieben, dass alle frei nehmen müssen, um Standorte und Arbeitsplätze zu sichern.
Dazu kommen tarifliche Regelungen zu Arbeitszeitkonten, die je nach Branche und Tarif in dreistelliger Stundenzahl ins Minus gefahren werden können – aber auch ins Plus.
Denn es gibt – oft in der öffentlichen Krisen-Stimmung unbeachtet – immer noch etliche Betriebe, die brummen, wo die Arbeitszeitkonten dick im Plus sind, in denen die Beschäftigten Sonderschichten kloppen, vor allem im Handwerk.
„Ich finde die Einmischung der Politik in die Arbeitszeit unmöglich. Wir haben Flexi-Arbeitszeiten bis 43 Stunden und Arbeitszeitkonten – und wir schieben Überstunden“, meint Carsten Ausmann. Der Betriebstechniker ist zugleich Betriebsratsvorsitzender bei Feldhaus in Rheine. Sie bauen Fassaden für Hochhäuser – und sind bis Anfang 2027 ausgebucht. „Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten jetzt schon richtig viel. Unsere alten Monteure haben es in den Knien und an der Hüfte. Wie sollen die bitte bis zu zwölf Stunden auf dem Bau arbeiten?“
Flexi-Konten wie beim Fassadenbauer Feldhaus gibt es überall. Tarifverträge erlauben bereits jetzt schon viel Flexibilität.
„Der gesetzliche Acht-Stunden-Tag ist in Wirklichkeit keine starre Grenze. Im Rahmen des Gesetzes und unserer Tarifverträge haben die Arbeitgeber bereits ausreichend Flexibilität“, betont Nadine Boguslawski, Tarif-Vorständin der IG Metall. „Der Acht-Stunden-Tag ist wertvoll und wichtig für den Schutz der Gesundheit. An ihm hängen jede Menge Schutzregeln der Beschäftigten: etwa zum Ausgleich, zur Erholung und zum Schutz vor Gesundheitsgefahren im Betrieb. Statt Arbeit ohne Ende brauchen die Beschäftigten mehr Flexibilität, um Arbeit und Leben miteinander besser vereinbaren zu können. Das macht auch Arbeitgeber attraktiver.“
Zum einen können Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduzieren – in der Metall- und Elektroindustrie etwa auf „verkürzte Vollzeit“, bis herunter auf 28 Stunden in der Woche. Damit ist dann auch eine Vier-Tage-Woche möglich – und zwar eine gesunde. Denn dauerhaft mehr als acht Stunden am Tag ist laut arbeitsmedizinischen Erkenntnissen nicht gesund.
Zum anderen ist aber auch länger arbeiten möglich. Die Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie erlauben beispielsweise ausdrücklich, dass ein Teil der Beschäftigten auf „verlängerte Vollzeit“ mit bis zu 40 Stunden geht. Auch in der Stahlindustrie kann die Arbeitszeit tariflich erhöht werden, um bis zu drei Stunden für alle, etwa in der Transformation von alten zu neuen Technologien. Flexibilität ist also da – für Beschäftigte und Betriebe.
Besonders ärgern sich viele Metallerinnen und Metaller darüber, wie die Vier-Tage-Woche in der öffentlichen Debatte von Merz und Co. diskreditiert wird: Als ob am Donnerstag um 15 Uhr Maschinen und Hochöfen ausgestellt würden und alle nach Hause gingen. In der Realität gibt es das fast nie, schon gar nicht in der Industrie. In der Regel wird dort in Schichten rund um die Uhr gearbeitet. Umso wichtiger ist es, dass belastete und ältere Beschäftigte auch mal einen Tag weniger arbeiten können.
„Die regelmäßigen Schichtwechsel sind eine starke Belastung für die Beschäftigten, Diese Berufe brauchen Entlastung“, fordert Thomas Hahl, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Mannheim. Er bietet dem Kanzler einen Probearbeitstag in einem Industriebetrieb vor Ort an. „Ich empfehle dem Bundeskanzler Friedrich Merz, sich mal in drei Schichten ans Band bei John Deere oder Benz zu stellen oder in den Büros die Arbeit mit fehlendem Personal auszuüben. Das sind Knochenjobs“.
Unter dem Strich steht fest: Hunderttausende Beschäftigte in der Industrie arbeiten kürzer, für weniger Geld – nicht weil sie es wollen, sondern weil wegen der Wirtschaftskrise zu wenig Arbeit da ist.
Auf der anderen Seite arbeiten viele Beschäftigte in anderen Betrieben und Branchen gegen ihren Willen länger. Das zeigt eine Umfrage des DGB-Index Gute Arbeit 2025 unter 4000 Beschäftigten: 72 Prozent wollen Arbeitstage von maximal acht Stunden, 98 Prozent weniger als zehn Stunden pro Tag arbeiten. Tatsächlich jedoch arbeiten heute bereits 43 Prozent der Beschäftigten regelmäßig länger als acht Stunden pro Tag.
Die einen würden gerne länger arbeiten – die anderen können nicht mehr. Von wegen „faul“ – Arbeitszeit ist kein Wunschkonzert.
Immerhin: In den letzten Jahren hat die IG Metall zunehmend Tarifverträge durchgesetzt, die Beschäftigten Möglichkeiten bietet, um ihre Arbeitszeit anzupassen – etwa die Wahloption beim tariflichen Zusatzgeld (T-ZUG) auf acht zusätzliche freie Tage im Jahr in der Metall- und Elektroindustrie für Beschäftigte mit Kindern, zu pflegenden Angehörigen und in Schichtarbeit. Doch hier geht es nicht um Wünsche, sondern um Notwendigkeiten für besonders belastete Beschäftigte.
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