19. Januar 2022
Reinhard Zachmann, Betriebsrat bei Rolladen Sauter in Lahnau
Eindeutiges Votum für Mitbestimmung
Der Arbeitgeber wollte einen Betriebsrat verhindern. Aber Reinhard Zachmann und seine Kolleginnen und Kollegen trotzten allen Widerständen und gründeten bei Rolladen Sauter eine Arbeitnehmervertretung.

Im Handwerksbetrieb Rolladen Sauter in Lahnau (Mittelhessen), wo Reinhard Zachmann seit über sechs Jahren arbeitet, gab es bislang keine Arbeitnehmervertretung. Doch mit dem Einstieg eines Handwerkskonzerns vor wenigen Jahren herrschte bei Sauter plötzlich ein anderer Wind. Auf einmal wurde gespart. Der Konflikt um das Weihnachtsgeld zum Jahreswechsel 2020/21 gab den Auslöser. Der Arbeitgeber kürzte nicht nur die Sonderzahlung. Er koppelte die Sonderzahlung außerdem daran, wie oft jemand krank war während des Jahres. So bekamen manche Beschäftigte nur 250 Euro Weihnachtsgeld, andere hingegen 1500 Euro. Ein krasser Fall von Ungleichbehandlung.

Reinhard Zachmann und viele in der Belegschaft wollten die Ungerechtigkeit nicht hinnehmen. Sie beschlossen, sich gegen diese Behandlung nach Gutsherrenart zu organisieren. Denn für 2020/21 sollte das Weihnachtsgeld sogar komplett entfallen. Reinhard fand drei weitere Mitstreiter, die den Mut hatten, einen Wahlaufruf zur Bildung eines Wahlvorstands zu machen. „Im Januar beschlossen wir, einen Betriebsrat zu gründen, weil wir zu dem Schluss kamen, da hilft nur Mitbestimmung“, erzählt Reinhard Zachmann. Er knüpfte den Kontakt zur IG Metall-Geschäftsstelle in Gießen, die die Initiative umgehend unterstützte.

„Als die Wahl eines Wahlvorstands anstand, ging der ganze Zirkus los“, sagt der 62-jährige Techniker. Die Geschäftsleitung wollte die Wahlversammlung zur Bestimmung eines Wahlvorstands mit Hinweis auf Corona stoppen. In Abteilungsversammlungen wurde den Beschäftigten von Vertretern des Managements eingetrichtert, dass das Unternehmen keinen Betriebsrat brauche. Der Arbeitgeber wollte einen Betriebsrat auf Biegen und Brechen verhindern.

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Reinhard Zachmann erlebte Betriebsratsmobbing übelster Art. Foto: Frank Rumpenhorst


Der Kampf geht weiter

Die Belegschaft ließ sich aber nicht kleinkriegen. 70 Prozent wählten einen Wahlvorstand, der die weiteren Schritte bis zur Betriebsratswahl konsequent durchzog. Die fand im April 2021 statt – mit 90 Prozent Wahlbeteiligung. Ein eindeutiges Votum für Mitbestimmung. Zachmann wurde zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. 

Seit der Betriebsratswahl geht der Kampf gegen Widerstände der Geschäftsleitung weiter. Die Betriebsräte bekommen nur erschwert Freistellungen für ihre Arbeit. Betriebsratssitzungen sollen außerhalb der Arbeitszeit stattfinden. Schulungen werden nicht genehmigt. Zachmann geht davon aus, dass sein gesamter E-Mailverkehr von der Geschäftsleitung mitgelesen wird – alles Betriebsratsmobbing und Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz.

Doch Reinhard Zachmann bleibt unbeirrt. „Ich habe nämlich einiges für die Belegschaft durchgesetzt.“ Dazu gehören: Das Weihnachtsgeld wurde gezahlt. Die Auszubildenden haben wie die übrige Belegschaft 3,5 Prozent mehr Geld bekommen. Es gibt jetzt eine Schwerbehindertenvertretung im Betrieb. In Vorbereitung ist eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die Überstundenzuschläge von 25 Prozent vorsieht, die es bisher nicht gibt. Viele Beschäftigte sind in die IG Metall eingetreten. Eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. 


Wie eine Belegschaft Widerständen trotzte – und sich einen Betriebsrat wählte


Betriebsratswahlen

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