10. September 2021
Transformation
Betriebsrat macht sich stark für die Zukunft der Fondium-Gießerei
Die Fondium-Gießerei in Mettmann steht vor der Transformation: Digitalisierung, CO2-Reduktion, Elektromobilität. Arbeitgeber und Betriebsrat wollen das gemeinsam mit der IG Metall angehen. Das war nicht immer so. Doch in den letzten Jahren haben Betriebsräte und IG Metall starke Strukturen aufgebaut


Der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann ist heute hier, zum Betriebsrundgang in der Fondium-Gießerei in Mettmann/NRW. Überall glüht und funkt es. Bis zu 80 Tonnen Eisen werden in der Stunde eingeschmolzen. Betriebsrat, Geschäftsführung und die IG Metall Geschäftsstelle Velbert haben ihn gemeinsam eingeladen, um mit ihm über die Zukunft der Eisengießerei und der rund 1000 Arbeitsplätze zu sprechen: über die nötige Umstellung auf energiesparende und CO2-freie Produktionsprozesse, auf mit Wasserstoff statt Koks betriebene Schmelzöfen, Elektro-Schmelzöfen, über die Umstellung auf Produkte für Elektroautos – und über Fördermöglichkeiten, um die hohen Investitionen für die Zukunft zu stemmen.

Fondium gießt zwar überwiegend Fahrwerksteile, die auch in Elektroautos gebraucht werden. Doch der Kostendruck der Hersteller auf die Zulieferer ist immens. Aufträge gehen an Konkurrenten verloren, oft in Fernost, trotz des höheren CO2-Ausstoßes.

„Wir brauchen für die Umstellung der Produktion eine aktive Unterstützung des Staates, um die wertschöpfende Industrie und deren tariflich abgesicherten Arbeitsplätze in Deutschland halten zu können“, fordert Halit Efetürk, Betriebsratsvorsitzender von Fondium in Mettmann. „Ansonsten werden unsere Produkte aufgrund geringerer Umweltstandards mit längeren klimaschädlichen Transportwegen im Ausland produziert. Das kann keiner wollen.“
 

Betriebsrat und IG Metall bauen nachhaltig Strukturen auf

Dass Betriebsrat und Geschäftsführung über die Zukunft reden – und dazu gemeinsam den Vorsitzenden der IG Metall einladen, wäre vor sieben Jahren wohl noch undenkbar gewesen. In hunderten Gerichtsverfahren mussten die IG Metall-Betriebsräte sich behaupten.

Und sie wurden dabei immer stärker: Bei jeder Wahl holten sie mehr Mandate. 2010 waren es 8 von 15, 2014 waren es 12 - und seit 2018 haben sie alle 15 Sitze im Betriebsrat.

Parallel bauten die IG Metall-Betriebsräte gemeinsam mit der IG Metall-Geschäftsstelle Velbert gewerkschaftliche Strukturen im Betrieb auf. Mehr als zwei Drittel der 1000 Beschäftigten sind heute IG Metall-Mitglieder. Es gibt rund 40 IG Metall-Vertrauensleute im Betrieb. Und viele weitere beteiligen sich aktiv. Bei einer kurzfristig angesetzten digitalen Mitgliederversammlung waren kürzlich rund 350 dabei – am Sonntag.

95 Prozent erfolgreiche Era-Widersprüche

Klar: Betriebsräte und IG Metall haben in den letzten Jahren geliefert. Sie haben sich etwa um den gerade in Gießereien wichtigen Arbeits- und Gesundheitsschutz gekümmert und erreicht, dass es heute 80 geprüfte Sicherheitsbeauftragte im Werk gibt. 

Und sie haben den Beschäftigten richtig viel Geld gesichert: Zur Eingruppierung der Beschäftigten nach dem Entgeltrahmen-Tarifvertrag (Era) begleitete der Betriebsrat Widersprüche für über 950 Beschäftigte – im größten Einigungsstellenverfahren der deutschen Geschichte, das sich über fünf Jahre hinzog. 94,3 Prozent der betroffenen Beschäftigten erreichten dadurch eine höhere Era-Eingruppierung, in einigen Fällen bis zu sechs Entgeltgruppen, was fast 1000 Euro mehr im Monat entspricht.

Auch die Leihbeschäftigten profitieren: Bis zu 40 Leiharbeitnehmer hat der Betriebsrat für temporäre Schwankungen genehmigt. Doch fast alle werden nach spätestens 12 Monaten übernommen. Im Juni waren es 16 – alles IG Metall-Mitglieder. Im Oktober bekommen wieder sieben einen festen Vertrag.

AN1-Seminare auch für interessierte Mitglieder

„Die IG Metall - das ist für die meisten Beschäftigten ihr Betriebsrat“, meint Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert. Doch die gute Betriebsratsarbeit ist es nicht allein. „Dass viele unserer Mitglieder so stabil dabei sind, liegt auch daran, dass wir die Beschäftigten nachhaltig von der Mitgliedschaft und der aktiven Mitarbeit in der IG Metall überzeugen und ihnen dazu auch niederschwellige Angebote machen.“

Zum Konzept der IG Metall-Vertrauensleutearbeit bei Fondium gehört etwa, dass interessierte und engagierte IG Metall-Mitglieder auch ohne Vertrauensleute-Mandat auf fünftägige Grundlagenseminare der IG Metall („Arbeitnehmer*innen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“- AN1) geschickt werden, über Bildungsurlaub, finanziert von der IG Metall Velbert. Von 10 Seminarteilnehmenden bleiben dabei immer 2 oder 3 dauerhaft als Vertrauensleute dabei.

Die Vertrauensleute sprechen dazu gezielt interessierte und engagierte Beschäftigte in Bereichen an, die noch nicht so starke IG Metall-Strukturen haben. Dazu nutzen sie auch den gewerkschaftlichen Betriebsplan der IG Metall – eine Software, die Organisations- und Betreuungsstrukturen aufzeigt – und erstellen Betriebslandkarten.

„Mich haben damals auch Vertrauensleute angesprochen, ob ich auf ein AN1-Seminar mitkommen will“, erklärt Sebastian Wollny, der heute Vertrauenskörperleiter bei Fondium in Mettmann ist. „Die Gespräche mit den Kollegen sind das Wichtigste.“
 

„Die IG Metall sichtbar machen“

Die Vertrauensleute treffen sich regelmäßig zu Sitzungen und zu Schulungen am Wochenende.

Zum Konzept der Vertrauensleute-Arbeit bei Fondium im Mettmann gehört auch, dass die IG Metall im Betrieb immer präsent ist, auf den Betriebsversammlungen, in Schaukästen, in den Pausenräumen, wo die Vertrauensleute die metallzeitung auslegen. Und die Vertrauensleute tragen IG Metall-T-Shirts im Betrieb.

„Wir wollen die IG Metall im Betrieb sichtbar machen“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende Halit Efetürk.
 

Gute Arbeit für die Zukunft sichern

Jetzt wollen Betriebsrat und IG Metall die Zukunft der Arbeitsplätze bei Fondium in Mettmann sichern, gemeinsam mit der Geschäftsleitung. Der Betriebsrat arbeitet dazu eigene Konzepte aus und ist dazu auch mit Verantwortlichen bei den Herstellern im Gespräch.

In den Konzepten des Betriebsrats geht es um Investitionen in die Transformation von Produktion und Produkten - aber auch um die Erhöhung des Anteils an der Wertschöpfung. Fondium hat in Mettmann hat etwa in den letzten Jahren die Bearbeitung deutlich ausgeweitet.

„Wir haben als Betriebsräte schon vor 10 Jahren gesagt: Wir müssen ganze Komponenten liefern – also etwa nicht nur Schwenklager, sondern die ganze Achse“, erklärt Efetürk. „Zugleich unterstützen wir aber auch die zunehmende Automatisierung, da Du da nicht drumherum kommst, wenn Du Aufträge bekommen willst.“

Mittlerweile redet die Geschäftsleitung mit dem Betriebsrat über Strategien für die Zukunft. Und seit dem Metall-Tarifabschluss aus dem Frühjahr gibt es nun auch Zukunftstarifverträge als Instrument, um die Transformation zu gestalten.

Gemeinsam Zukunft tariflich gestalten

Allerdings müssen aus Sicht der IG Metall Velbert bestimmte Kriterien für zeitlich befristete tarifvertragliche Abweichungen vorliegen: Neben der Notwendigkeit einer Abweichung insgesamt, geht es um konkrete Inhalte und Sicherheiten.

„Das heißt, der Arbeitgeber muss ein belastbares Konzept vorlegen - oder mit uns gemeinsam erarbeiten, wie die Zukunft des Standortes aussehen soll, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zur nachhaltigen Sicherung der Arbeitsplätze am Standort vorgesehen sind“, macht Hakan Civelek klar. „Aber auch feste Investitionszusagen sind ebenfalls Bestandteil eines Zukunft-Tarifvertrages, um nur einige Kriterien zu nennen. Kurzum, die Kolleginnen und Kollegen brauchen Sicherheit. Wenn Arbeitgeber, Betriebsrat und Gewerkschaft auf Augenhöhe eng zusammenarbeiten, bin ich optimistisch, dass der Transformationsprozess - in einer der modernsten Gießereien Europas - gemeinsam gestaltet und die Beschäftigung bei Fondium in Mettmann nachhaltig gesichert werden kann.“


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