20. August 2020
Kampf gegen Arbeitsplatzabbau beim Autozulieferer Norma
„Zukunft oder Widerstand“ – Norma-Beschäftigte bereit für Streik
Sie kämpfen für ihre Arbeitsplätze, mit der IG Metall. Die Beschäftigten des Autozulieferers Norma haben ihre Forderungen übergeben: Die Geschäftsführung soll mit ihnen Zukunftsperspektiven aushandeln, statt Jobs zu vernichten. Ansonsten werden sie für einen Sozialtarif kämpfen, notfalls mit Streik.

Die Geschäftsleitung des Autozulieferers Norma plant den Kahlschlag: Sie wollen das Werk im thüringischen Gerbershausen mit 150 Beschäftigten schließen und die Produktion nach Tschechien verlagern. Zudem wollen sie bis zu 200 der rund 520 Arbeitsplätze im Werk Maintal bei Frankfurt a.M. vernichten – und die Löhne um bis zu 1000 Euro im Monat kürzen.

Das lassen die Beschäftigten nicht mit sich machen. Sie wollen kämpfen – gemeinsam mit der IG Metall. Am Mittwoch haben sie ihre Tarifforderungen zeitgleich in Gerbershausen und Maintal an die Geschäftsleitung übergeben: Sie wollen gemeinsam mit dem Management Zukunftsperspektiven entwickeln – statt Jobabbau. Dazu haben sie mit Hilfe der IG Metall Vorschläge für einen „Zukunftspakt 2030“ entwickelt.

Für den Fall, dass die Geschäftsleitung nicht über die Zukunft reden will und an ihren Kahlschlagplänen festhält, fordern sie einen Sozialtarifvertrag mit Abfindungen, einer Transfergesellschaft und einem Bonus für IG Metall-Mitglieder. Dafür sind sie auch bereit zu streiken.

Mittlerweile sind fast alle Beschäftigten bei Norma in die IG Metall eingetreten, auch Führungskräfte. Und immer mehr arbeiten aktiv mit und engagieren sich offiziell als Vertrauensleute der IG Metall. Ihre Forderungen haben sie letzten Samstag auf Mitgliederversammlungen beschlossen.


400 Beschäftigte demonstrieren in Maintal – bereit zum Streik

In Maintal übergaben 400 Norma-Beschäftigte ihre Forderungen im Anschluss an eine Demonstration um das Werk. „Zukunft oder Widerstand“, skandierten vor dem Verwaltungsgebäude unter den Fenstern der Geschäftsleitung.

„Sie haben es jetzt in der Hand, mit der Belegschaft gemeinsam Zukunftsperspektiven zu entwickeln“, macht Robert Weissenbrunner, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Hanau-Fulda der Geschäftsführung per Megafon klar. „Wenn sie diese ausgestreckte Hand ausschlagen, dann ist diese Belegschaft bereit, in den Arbeitskampf zu ziehen.“

Bei der Demonstration im Rahmen einer dafür unterbrochenen Betriebsversammlung sind fast alle derzeit anwesenden Beschäftigten dabei, auch die Nachtschicht, die dafür bereits um 1 Uhr nachts die Arbeit beendete. Die Geschäftsleitung habe ihnen zwar mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ gedroht – doch sie lassen sich nicht einschüchtern.

Bei der Betriebsversammlung – mit strengem Corona-Hygienekonzept – lassen die Beschäftigten 200 Luftballons steigen, als Symbol für die 200 bedrohten Arbeitsplätze in Maintal.

„Wie mit uns umgegangen wird, ist einem deutschen Unternehmen im Jahr 2020 nicht würdig“, kritisiert der Betriebsratsvorsitzende Klaus Ditzel in seiner Rede. „Sie schikanieren, drangsalieren, drohen. Sie sagen uns nicht, was genau sie eigentlich wollen. Und unsere Vorschläge werden abgebügelt. Aber diese Belegschaft wehrt sich jetzt. Wir wollen einen Plan, Perspektiven für uns und unsere Familien.“


Selbst während Corona-Krise noch Gewinne

Sie können nicht verstehen, warum die Geschäftsleitung ihre Arbeitsplätze vernichten will. Jahrelang hat Norma durch ihre Arbeit Margen von bis zu 17 Prozent eingefahren. Norma beliefert fast alle deutschen Autohersteller insbesondere mit Schlauchschellen. Selbst jetzt in der Corona-Krise erzielt Norma noch ordentliche Gewinne.

Dennoch will die Geschäftsleitung schließen, abbauen und Löhne kürzen. Zudem will sie die Ausbildung einstellen und Auszubildende nicht mehr übernehmen. „Get on track“, nennt sie ihr Kahlschlagprogramm.

Im Gegenzug macht die Geschäftsleitung folgendes „Angebot“: Wenn Ihr in Maintal auf bis zu 1000 Euro im Monat verzichtet, bekommt ihr einen Teil der Produktion aus Gerbershausen – die Schelle „Torro 12“. Macht gerade mal rund 20 Arbeitsplätze mehr. Zugleich jedoch sollen im Zuge der „Liquidierung“ von Gerbershausen zahlreiche „nicht wertschöpfende“ Beschäftigte in der Verwaltung rausfliegen.

„Wir sind von den Kürzungen besonders betroffen“, erklärt eine Beschäftigte aus der Personalabteilung, die bei der Demo mitläuft. „Deshalb treten bei uns jetzt immer mehr in die IG Metall ein.“


Tarifverhandlungen bei Norma starten nächste Woche

Den Beschäftigten ist bewusst: Niemand, auch die IG Metall nicht, kann ihnen versprechen, dass der Kampf um ihre Arbeitsplätze am Ende Erfolg haben wird. Dennoch wollen sie kämpfen.

„Wir hoffen, dass es klappt“, meint ein Beschäftigter aus der Verpackung. „Wir müssen kämpfen. Ich denke, ohne Streik können wir hier gar nichts erreichen.“

Genau darauf wird es hinauslaufen, sollte die Geschäftsleitung nicht bald einlenken und konstruktiv verhandeln.

„Wir fordern die Geschäftsleitung auf, schon nächste Woche mit uns in Verhandlungen einzutreten“, erklärt Uwe Zabel, Verhandlungsführer der IG Metall Mitte. „Sollte bis Ende September kein Ergebnis stehen, dann leitet die IG Metall die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik ein.“

Und tatsächlich hat die Geschäftsleitung prompt reagiert: Direkt nach Ende der Aktionen vereinbarte der Rechtsanwalt von Norma mit der IG Metall den ersten Termin für Tarifverhandlungen über den Sozialtarifvertrag. Nächsten Dienstag geht es los.

 

Die Forderungen und Vorschläge der IG Metall-Mitglieder bei der NORMA Group in Einzelnen:

Vorschläge zum Zukunftspakt 2030


Forderungen zum Sozialtarifvertrag (bis 2030)


Corona-Krise

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