22. Juni 2022
Rund 7000 Jobs in Gefahr
US Konzern Ford legt sich mit dem Saarland an
Das Ford Werk in Saarlouis bekommt kein Elektroauto. Gerade verkündete das die Leitung des US Konzerns. Damit ist die Zukunft von rund 7000 Arbeitsplätzen gefährdet. Die IG Metall und die IG Metall Betriebsräte werden für die Beschäftigten kämpfen.

Die Beschäftigten in Saarlouis haben sich vor dem Werkstor zusammengefunden. Sie sind wütend, fordern lautstark eine Zukunft für den Standort. Gerade haben sie bei einer Betriebsversammlung aus der Chefetage des US-Konzerns erfahren, dass sie am Standort kein Elektroauto bekommen werden. Die Konzernleitung wendet ihnen einfach den Rücken zu. 2025 läuft ihr Auto, der Ford Focus, aus. Bis dahin gilt die von der IG Metall erkämpfte Beschäftigungsgarantie.

Und dann? Das Management lässt die Beschäftigten im Unklaren. Im schlimmsten Fall droht die Werksschließung. Über 6600 Stellen sind in Gefahr, rechnet man Beschäftigte im Werk und die der Zulieferer zusammen. Viel mehr werden es, rechnet man noch jeden Bäcker, Metzger und Kiosk ein, der von den Beschäftigten am Standort lebt. Für das Saarland wäre die Schließung ein Fiasko.


Ford spielte Standorte gegeneinander aus

So hatte die Politik auch in den USA für den Standort geworben. Denn die Amerikaner haben einen kruden Wettbewerb zwischen den Werken um das neue Zukunftsprodukt Elektroauto ausgerufen. Sie ließen Valencia und Saarlouis gegeneinander antreten. Jetzt ist klar, das Elektroauto wird in Valencia gebaut.

Das Vorgehen ist für Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, nicht akzeptabel: „Ford hat die Standorte Saarlouis und Valencia eiskalt in einen Dumpingwettbewerb gezwungen: Wer die geringsten Kosten, die niedrigsten Löhne, die geringsten Steuern und Abgaben, aber die meisten Subventionen anbietet, der gewinnt. Mit verantwortungsbewusstem unternehmerischem Handeln hat das nichts zu tun. Das ist mehr als unsozial. Jetzt ist die Entscheidung gegen Saarlouis gefallen. Für die Beschäftigten, ihre Familien, für die Zulieferer, das Handwerk, den Einzelhandel in der ganzen Region ist das ein schwerer Schlag. Wir erwarten jetzt, dass Ford endlich Verantwortung für die Beschäftigten übernimmt und gemeinsam mit dem Betriebsrat, der IG Metall und der Politik tragfähige Zukunftsperspektiven für den Standort Saarlouis schafft.“


Wirtschaftlich war Saarlouis vorne

Die Entscheidung des Managements ist unverständlich für Politik, Beschäftigte und IG Metall. Noch vor wenigen Tagen betonte der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD), dass der Standort Saarlouis wohl wirtschaftlich klar vorne liegen müsste. Auch die Ford-Betriebsräte können die Entscheidung nicht nachvollziehen, da im Saarland bessere Rahmenbedingungen und Kostenstrukturen vorhanden wären. Nach Prüfung der Wirtschaftszahlen kamen die Betriebsräte, unterstützt von einem Beratungsinstitut, zu dem eindeutigen Ergebnis: Das Gesamtpaket der deutschen Standorte in den wesentlichen Kennzahlen für die anvisierte Laufzeit bis 2034 für Saarlouis in Summe würde die besten Ergebnisse liefern.

Markus Thal, Betriebsratsvorsitzender des Standortes Saarlouis, ist tief erschüttert und wütend: „Wir haben gekämpft und alles gegeben, wir waren die klaren Sieger im Bieterwettbewerb und werden jetzt um unseren Erfolg betrogen!“ Im Rückblick hinterlassen die Konsultationsgespräche bei ihm den Eindruck, Saarlouis habe nie eine Chance gehabt. Dabei waren die Pakete und Vorschläge der Betriebsräte, der IG Metall, des Landes und des Bundes umfassend.


Management legte Hände in den Schoß

Auch Jörg Köhlinger ist schwer konsterniert. Der Leiter des IG Metall-Bezirks Mitte wirft Ford Wortbruch vor: „Die Beschäftigten haben in den letzten drei Jahren alles für die Wettbewerbsfähigkeit des Ford-Standortes in Saarlouis getan. Unter schwierigsten Bedingungen in der Corona-Pandemie haben sie die Produktion am Laufen gehalten und mit maximaler Flexibilität auf die angespannte Liefersituation reagiert. So wurde, wo immer notwendig, Kurzarbeit eingesetzt, Schichten verringert und Personal auf freiwilliger Basis abgebaut. Statt sich gemeinsam mit der Belegschaft für die Standortsicherung einzusetzen, hat das Management die Hände in den Schoß gelegt. Jetzt droht eine ganze Region ins Abseits gedrängt zu werden.“


Bieterprozess diente wohl um Spanier zu erpressen

Betriebsrat Markus Thal hatte von Anfang an nicht viel davon gehalten, dass Ford die Standorte gegeneinander ausspielen wollte. Auf einem Aktionstag in Saarlouis vor knapp einem Jahr forderte er und die Beschäftigten eine Zukunft für beide Standorte: Saarlouis und Valencia.

Jetzt, nachdem Ford sich trotz besserer Rahmenbedingungen gegen das Saarland entschied, hat der Betriebsrat einen Verdacht: Als Grund, warum man den Arbeitnehmervertretern in Spanien und Deutschland diesen aufwendigen Bieterprozess aufgezwungen hat, kommt eigentlich nur die Absicht in Frage, weitere Zugeständnisse von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Valencia abzupressen, obwohl die spanischen Arbeitsbedingungen in den letzten 15 Jahren bereits massiv verschlechtert wurden. 

Auch Lars Desganges, Geschäftsführer der IG Metall Völklingen, kritisiert das Vorgehen des Konzerns aufs Schärfste: „Ford hat sich mit diesem Bieterprozess, der am Ende nur eine Farce gewesen ist, nun auch in der Öffentlichkeit demaskiert. Wer zwei Belegschaften, zwei Regionen und zwei Länder Europas dermaßen gegeneinander ausspielt, hat in einer sozialen Marktwirtschaft alle Kredite verspielt. Ohne Perspektive für Saarlouis werden wir die Konzernentscheidung nicht akzeptieren!“


Europazentrale hat versagt

Für die IG Metall-Betriebsräte bei Ford ist klar: Man hätte die Kräfte sehr viel besser in allen Ländern bündeln können, um Lösungen für alle Belegschaften und auch eine möglichst optimale Lösung für Ford zu finden. Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats macht deutlich: „Wir haben als deutsche Belegschaften zusammengestanden und dem Europamanagement Vorschläge gemacht, die für Ford deutlich lukrativer wären und beide Standorte erhalten würden, Saarlouis und Valencia! Aber offensichtlich war in den Köpfen die Entscheidung längst gefallen. In meinen Augen ein Komplettversagen der Europazentrale!“


IG Metall und Politik kämpfen für eine Zukunft im Saarland

Für Benjamin Gruschka, Markus Thal und die Betriebsräte ist der Kampf noch nicht zu Ende: „Wir werden alle Möglichkeiten sondieren, um diese Entscheidung gegen Saarlouis noch umzubiegen. Die Menschen im Saarland, im Herzen Europas, brauchen eine Arbeits- und Lebensperspektive. Für diese werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen!“

Und auch IG Metall Bezirksleiter Jörg Köhlinger macht deutlich, dass das Saarland eine Abwicklung des Standortes als Kampfansage begreifen würde: „Wenn das Management nicht einlenkt, wird Ford den Widerstand eines ganzen Bundeslandes zu spüren bekommen. Wir wissen dabei auch die SPD-Landesregierung an unserer Seite.“

Das machte auch Ministerpräsidentin Anke Rehlinger in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunkt vor dem Werk deutlich. Die Politikerin sprach von „Wut“ und „Enttäuschung“ aber auch von einem „Jetzt erst recht“ als Reaktion. Kurz danach reihte sich die Ministerpräsidentin wieder in die Reihen der Metallerinnen und Metaller ein: Wie Widerstand geht, das wissen sie im Saarland: Am Nachmittag nach der Verkündung des Managements haben sie sich spontan zu einem Demonstrationszug formiert. „Wortbruch“ hatten sie auf das große Transparent geschrieben, dass die über 2000 Metallerinnen und Metaller beim Demozug vor sich hertrugen. Was dieser Wortbruch zur Folge hat, davon gaben sie dem Ford-Management einen Vorgeschmack. Und das ist erst der Anfang. Die Metallerinnen und Metaller sind bereit zu kämpfen.


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