23. Februar 2021
Arbeitskampf bei Conti Karben
Mit Hip-Hop gegen Werksschließung
In Karben will das Conti-Management das Werk komplett schließen. Die Beschäftigten aber wehren sich: In einem Musikvideo erzählen sie dem Management ein paar Takte und kündigen an: „Wir bleiben hier.“

„Was machen wir, wir bleiben hier!“ – der Refrain geht ins Ohr. Während drinnen die Arbeitgeberseite das Verhandlungsteam der Beschäftigten zur Informationsveranstaltung geladen hat, skandieren draußen die Metallerinnen und Metaller ihre Arbeitskampf-Hymne. So laut, dass drinnen die Arbeitgeber stöhnen, die Fenster sollen doch mal geschlossen werden, doch die sind längst zu und können den Hip-Hop-Song der ContraContiCrew kaum dämpfen. Doch nicht nur in Karben wird das Lied mitgesungen.

Der Song und das dazu gehörige Musikvideo, das auf der YouTube-Seite des Frankfurter Ortsjungendausschusses der IG Metall zu finden ist, gehen gerade „viral“. Sprich, es verbreitet sich rasant im Internet, wird unzählige Male geklickt und geteilt.


Song entstand mit Wut im Bauch

Aber von vorne: Für Elmar, Ariane, Nikolai, Wolfgang und Helmut (Namen geändert) war schnell klar, dass sie was tun müssen. Der Dreistigkeit, mit der das Continental-Management die Coronakrise nutzen möchte, um Arbeitsplätze abzubauen, wollten sie mit Kreativität entgegentreten.

Mit genug Wut im Bauch schrieb sich der Song wie von selbst. Bei Song und Video ergänzten sich die fünf Crewmitglieder hervorragend, berichtet Ariane. Die Metallerin zählt auf: „Text, Musik, Drehortsuche, Konzept, Kameraführung, Schnitt, Kostüme: jeder und jede von uns konnte etwas davon.“ Die Fünf kennen sich aus dem Frankfurter Ortsausschuss der IG Metall Jugend und arbeiten teilweise für Conti Karben, dem Werk das auf der Streichliste der Manager steht.
 

Beschäftigte wollen nicht für Managementfehler bluten

Fast 1100 Beschäftigte will das Management in Karben bis Ende 2023 an die Luft setzen, das ganze Werk soll schließen. Für die Beschäftigten und die Stadt Karben eine Katastrophe. „In der Region gibt es nur eine Handvoll Industriebetriebe, die meisten stecken gerade in der Krise, fahren Kurzarbeit oder entlassen Leute, da werden nicht über 1000 Beschäftigte neue Jobs finden. Außerdem sind die Betriebe nicht in der Tarifbindung. Selbst wenn ein paar Beschäftigte hier einen neuen Job finden sollten, verschlechtern sie sich dennoch“, weiß Nikolai. 

Besonders ärgert die ContraContiCrew, dass das Management nun so mir nichts dir nichts versucht, den Beschäftigten den schwarzen Peter zuzuschieben, wobei es selbst für die aktuelle Lage verantwortlich ist. In der ersten Zeile des Songs heißt es deshalb: „Wir setzen industriellen Maßstab, das Problem sind Dinge, wo das Management versagt hat.“

Helmut, der den Text rappt, erklärt: „Fast jedes Jahr bekommen wir einen Preis als Fabrik des Jahres. Die Arbeit der Belegschaft ist also top, die Qualität hervorragend. Aber die Belegschaft kann keine unternehmerischen Entscheidungen treffen, soweit geht die Mitbestimmung nicht. Dafür ist das Management verantwortlich. Und da hat es versagt, weshalb wir jetzt in der Krise stecken.“


Corona ist nur ein Vorwand

Doch was werfen Helmut und die Beschäftigten dem Conti-Management vor? Helmut verdeutlicht: „Seit Jahren ist klar, wo der Trend im Automobilmarkt hingeht, doch das hat Continental weitestgehend ignoriert. Und jetzt wird die Coronakrise als Vorwand genommen, um längst geplanten Stellenabbau durchzuführen.“

Wie das Management versucht die Beschäftigten eiskalt über die Klinge springen zu lassen, erinnert die Crew an den Film „the Purge“. In dem Film ist eine Nacht lang alles erlaubt, was zu einem riesen Gemetzel führt. Doch die Crew dreht den Spieß um, sie setzen sich die Gruselmasken aus dem Film auf und rechnen in dem Musikvideo mit dem Management ab. „Und es ist nicht nur bei Conti so“, betont Ariane. „Auch bei Schaeffler, Mahle und vielen anderen Betrieben, versuchen die Konzernchefs die Coronakrise zum Stellenabbau zu nutzen. Da läuft was mächtig schief in unserer Gesellschaft. Dagegen müssen wir uns wehren“, so Ariane.


Jetzt spielt die IG Metall ihre Trümpfe aus

Die ContraContiCrew, die Beschäftigten, der Betriebsrat aus Karben und die IG Metall fordern, den Standort Karben zu erhalten. Gemeinsam wollen sie gegen den geplanten Kahlschlag kämpfen. Gleichzeitig streiten sie gemeinsam für einen Sozialtarifvertrag. Einen Sozialtarifvertrag der den Titel auch verdient. Helmut von der ContraContiCrew macht rasend, dass Conti selbst von einem „sozialverträglichen“ Abbau spricht, dann aber mit Abfindungsangeboten kommt, die eine reine Frechheit sind.

Auch Frank Grommeck, Betriebsratsvorsitzender in Karben, platzt der Kragen: „Die letzten Jahre haben uns allen gezeigt, wie wenig der Mensch bei Continental im Mittelpunkt steht. Die Conti-Werte bieten nahezu täglich eine Steilvorlage für Realsatire. Doch es ist nicht zum Lachen! Hier geht es um die Existenzen von tausenden Kolleginnen und Kollegen bei Continental in Deutschland.

Mit 52 Millionen Euro Entgeltentbehrungen, durch zehn Jahre Ergänzungstarifvertrag, haben allein die Beschäftigten von Continental Automotive in Karben die Kosten für das halbe Werk in Kaunas finanziert. Auch in der Phase der Kurzarbeit hat Continental sehr gern die Erstattung der vollen Sozialversicherungsbeiträge eingesteckt, war aber nicht einmal bereit, einen kleinen Teil dieses - vom Steuerzahler gesponserten - Geldes durch eine anständige Aufstockung an die von Kurzarbeit betroffenen Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben. Das Maß ist voll!“

Deshalb spielt jetzt die IG Metall ihre Trümpfe aus. Wenn das Conti-Management den Standort nun aus reiner Profitgier aufgegeben und die Arbeitsplätze in Billiglohnstandorte verlagert will, werden die IG Metall und die Beschäftigten dort zuschlagen, wo es das Management und die Aktionäre besonders hart trifft: beim Geld. So kann man beispielsweise für einen Sozialtarifvertrag streiken.


Babenhausen macht Mut

Am Standort Babenhausen haben die Beschäftigten und die IG Metall einen ähnlichen Weg beschritten. Drei Warnstreiks später gab es eine Einigung und einen Sozialtarifvertrag, der Helmut und seinen Kolleginnen und Kollegen in Karben Mut macht. Noch viel wichtiger ist für ihn aber, dass die IG Metall, Betriebsrat und Beschäftigte in Babenhausen geschafft haben, die Produktion zu erhalten.

Helmut erklärt: „Auch, wenn man uns immer wieder erzählen will, die Standorte seien unabhängig, ist es doch so, dass viele Teile aus Karben nach Babenhausen gehen. Wäre also die Produktion in Babenhausen komplett dichtgemacht worden, würden die wahrscheinlich auch unsere Teile nicht mehr brauchen.“
 

Verhandlungen über Karben starten

Die Verhandlungen über den Standort Karben und den Sozialtarifvertrag beginnen am 24. Februar. Und wie geht die IG Metall in diese rein? Sebastian Fay aus der Bezirksleitung IG Metall Mitte erklärt: „Unsere Tarifforderung zielt darauf ab, dass die Entscheidung die Arbeitsplätze zu verlagern viel zu teuer wird, um noch rentabel zu sein. Das Unternehmen soll die getroffene Entscheidung nüchtern überdenken, damit möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben.“

Und was wenn das Conti-Management nicht mitspielt? Fay macht deutlich: „Wenn es vom Unternehmen keine Bereitschaft zur Bewegung gibt, wird sich die Auseinandersetzung schnell zuspitzen! Wir erwarten daher in den kommenden Gesprächen, dass sich die Unternehmensseite deutlich auf uns zubewegt und sich zur Verantwortung für den Standort und die Beschäftigten bekennt!“

Die Beschäftigten von Karben sind bereit. Bei einer Aktion am 24. Februar werden sie wieder kreativ sein und zeigen, dass sie zusammenstehen und bereit sind, ihre Jobs und ihre Zukunft zu verteidigen. Die Aktion steht unter dem Motto „Wir fahren dem Vorstand in die Parade“.

Wenn Du die Metallerinnen und Metaller in Karben unterstützen willst, komm am Mittwoch (24.2.) um 13.30 Uhr vor das Continental-Werkstor. Und: Bring was zum Krach machen und zwei Wäscheklammern mit. Wozu? Wirst Du dann schon sehen.


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