2. Oktober 2020
Gerichtsurteil gefällt
Milliardär Thiele scheitert mit Klage gegen IG Metall-Geschäftsführer
Mundtot machen ist nicht: Milliardär Heinz-Hermann Thiele hat IG Metall-Sekretär Hakan Civelek verklagt. Civelek hatte Thiele, Lufthansa-Großaktionär und Chef von Knorr Bremse, wegen der geplanten Schließung des Werks Wülfrath kritisiert. Das passte Thiele nicht. Die Richter gaben Civelek Recht.

2016 hat er das Werk in Wülfrath/NRW gekauft – 2019 wollte Milliardär Heinz Hermann Thiele, Chef von Knorr Bremse, dann schon wieder dichtmachen [1]. Dabei hatte Knorr Bremse den 350 Beschäftigten von Knorr Bremse Steering Systems ein Zukunftskonzept zugesichert. Die Beschäftigten haben dafür sogar auf Tarifbestandteile verzichtet. Und dann das. Statt Zukunft heißt es: Aus.

Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert, kritisierte Thiele dafür öffentlich.

Thiele, der vor einigen Monaten mit seinem Einstieg als nunmehr größter Einzelaktionär bei der Lufthansa Schlagzeilen machte, passte das nicht. Er verklagte Civelek auf Unterlassung seiner Aussagen. Thieles Rechtsanwälte beantragten einstweilige Verfügungen beim Landgericht und beim Arbeitsgericht in Frankfurt. Bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld sollte Civelek zahlen – je Aussage[2].

Doch die Richter wiesen die Anträge von Thieles Anwälten als unbegründet zurück. Es bestehe kein Verfügungsanspruch. Thiele muss die Kosten der Eilverfahren tragen. Der Streitwert beträgt insgesamt 60.000 Euro[3].


Civelek sieht Zukunft für Wülfrath – Thiele klagt dagegen

Die Aussagen des Anstoßes: Civelek hatte den Medien erklärt, dass bis 2025 noch Arbeit für den Standort da sei, da VW Interesse daran hat, weiterhin Lenkungsgetriebe aus Wülfrath abzunehmen. Und dass Beschäftigte den Betrieb weiterführen und dafür selbst Geld investieren wollen[4].

„Wir haben Gespräche mit Vertretern von VW geführt“, erklärte Civelek den Richtern in der Verhandlung. „Die Produktzyklen laufen noch bis 2025/26. Und für VW ist es teuer und mühselig, neue Lieferanten aufzubauen.“

Außerdem hatte Civelek kritisiert, dass Knorr Bremse Tarifverträge ablehnt und damit die Konkurrenz im Preis unterbietet. Unter anderem müssen Beschäftigte 42 Stunden in der Woche arbeiten[5]. Sein Verdacht: Knorr Bremse hat das Lenkungsgetriebewerk in Wülfrath nur gekauft, um Know-how abzuschöpfen und Zugang zum Markt für Lenksysteme zu erhalten[6].

Eine längerfristige Produktion in Wülfrath sei nie das Ziel gewesen, erklärte Civelek den Medien. „Thiele kauft Unternehmen auf, schöpft Know-how ab, um dann die Produktion in Billiglohnländer zu verlagern. Lediglich 18 Prozent der Knorr Bremse Beschäftigten arbeiten in Deutschland. Oft vermittelt Thiele öffentlich den Eindruck eines pflichtbewussten sozial verantwortlichen Patrioten. Gleichzeitig baut er Beschäftigung in Deutschland ab oder schließt Standorte, um sie anschließend im Ausland aufzubauen.“[7]

Alles unwahre Tatsachenbehauptungen, die Civelek unterlassen solle, meinten Thieles Anwälte[8].

„Mit dem Unterlassungsbegehren soll die IG Metall mundtot gemacht werden“, entgegnete Civeleks Anwalt Johannes Eisenberg, der bereits viele Prominente verteidigt hat. Er verwies auf Zeitungsartikel, laut denen Thiele massiv Gewerkschaften bekämpft und Gesinnungsgenosse der AfD ist. „Es stört Thiele, dass seine Machenschaften öffentlich wahrgenommen werden. “[9]

Die Richter gaben Civelek recht. Sie sahen keine Begründung für eine einstweilige Verfügung im Eilverfahren. Civeleks Aussagen seien vergleichsweise harmlos, meinte der Richter des Frankfurter Arbeitsgerichts in der Verhandlung. Civeleks Aussagen seien nicht als unwahre Tatsachenbehauptungen zu werten – sondern als Meinung[10]. Im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenab­wägung überwiege das Interesse von Civelek aus Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) und Art. 9 GG (Koalitionsfreiheit), urteilte das Landgericht Frankfurt.

Civelek ist erleichtert – aber jubeln kann er nicht. „Es ist schade, dass Thiele so viel Geld für Gerichte und teure Anwälte zum Fenster hinauswirft. Das Geld hätte er sinnvoller ausgeben können: für die Zukunft der Beschäftigten und ihrer Familien.“

 


 [1] Beschluss Arbeitsgericht Frankfurt S. 2,  [2] ArbG S. 4,  [3] Beschluss Arbeitsgericht S.1: 10.000 Euro Streitwert, Beschluss Landgericht S. 1: 60.000 Euro,  [4] ArbG S. 2,  [5] Unterlassungsbegehren RA Perten, Fax vom 07.08.2020, S. 2,  [6] LG S. 5,  [7] LG S. 6f,  [8] Unterlassungsbegehren RA Perten, Fax vom 07.08.2020, S. 2 ff,  [9] Schutzschrift Eisenberg 10.08.2020, S. 3,  [10] ArbG S. 6

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